Gewebeexpansion erspart teure hochauflösende Mikroskope
Eine neue Methode zur Gewebeexpansion macht hochauflösende Bildgebung kostengünstig und einfach. So können biologische Labore weltweit Nanostrukturen visualisieren.
Forschende des MIT haben eine kostengünstige Methode entwickelt, die hochauflösende Bildgebung im Nanobereich ermöglicht. Durch die 20-fache Expansion von Gewebe können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Standard-Lichtmikroskopen Strukturen auf Molekülebene sichtbar machen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten in der biomedizinischen Forschung und macht teure Super-Resolution-Mikroskope überflüssig.
20-fache Expansion in einem Schritt
In der Welt der Biologie und Medizin spielen hochauflösende Bilder eine entscheidende Rolle. Traditionell wurden hierfür teure Super-Resolution-Mikroskope verwendet, die den Zugang zu Bildgebungstechnologien im Nanobereich stark einschränken. Diese spezialisierten Mikroskope sind nicht nur sehr selten, sondern auch teuer in der Anschaffung. Das MIT hat nun eine Technologie entwickelt, die superauflösende Mikroskope in vielen Fällen überflüssig macht.
Die neueste Version der Expansionsmikroskopie bringt einen entscheidenden Vorteil: Gewebe kann in einem einzigen Schritt um das 20-fache vergrößert werden. Dies vereinfacht nicht nur die Handhabung, sondern macht die Bildgebung auch wesentlich kostengünstiger. Der revolutionäre Ansatz ermöglicht es, Strukturen zu erkennen, die zuvor nur mit hochspezialisierten Mikroskopen sichtbar waren.
„Dies demokratisiert die Bildgebung“, sagt Laura Kiessling, Professorin für Chemie am MIT. „Ohne diese Methode müsste man extrem teure Mikroskope nutzen, um Strukturen mit hoher Auflösung zu betrachten. Mit der neuen Technik können Forschende Dinge sichtbar machen, die normalerweise mit Standardmikroskopen unsichtbar bleiben.“
Wie die Technik funktioniert
Die zugrundeliegende Idee dieser Methode besteht darin, das Gewebe vor der Bildgebung aufzuschwemmen, sodass sich die biomolekularen Strukturen auseinanderziehen und eine bessere Sichtbarkeit ermöglichen. Durch das Aufquellen des Gewebes erreichen die Forscherinnen und Forscher eine Vergrößerung im Nanomaßstab. Diese Technik hat den Vorteil, dass sie mit herkömmlichen Lichtmikroskopen eingesetzt werden kann, was die Kosten erheblich senkt.
„Durch die 20-fache Vergrößerung gelangen wir in den Bereich, in dem biologische Moleküle aktiv sind“, erklärt Edward Boyden, Professor am MIT und führender Autor der Studie. Auf dieser Ebene spielen sich viele der wesentlichen biologischen Prozesse ab – etwa die Interaktionen von Biomolekülen, Proteinen oder Genen.
Revolutionäre Expansionsmikroskopie
Die Expansionsmikroskopie wurde erstmals 2015 von Boydens Labor entwickelt. Das Verfahren funktioniert, indem Gewebe in ein Polymer eingebettet und dann in Wasser getränkt wird. Dadurch quillt das Polymer auf und dehnt die darin enthaltenen biomolekularen Strukturen. Die Proteine, die normalerweise das Gewebe zusammenhalten, werden dabei aufgebrochen, sodass sich die Zellstrukturen während des Aufquellens voneinander trennen und klarer sichtbar werden.
In der ursprünglichen Version konnte das Gewebe um das Vierfache vergrößert werden, was eine Auflösung von rund 70 Nanometern ermöglichte. Obwohl das bereits ein bedeutender Fortschritt war, entwickelte das Forschungsteam das Expansionsverfahren noch weiter. 2017 wurde das Verfahren dahingehend optimiert, dass eine 20-fache Vergrößerung in mehreren Schritten erreicht werden konnte. Allerdings war dieses Verfahren recht kompliziert in der Anwendung.
Mit der neuen Methode können Forschende diese 20-fache Expansion jedoch in einem einzigen Schritt durchführen, was die Handhabung erheblich vereinfacht und die Bildgebung zugänglicher macht. „Wir haben in der Vergangenheit mehrere Technologien entwickelt, die eine 20-fache Expansion ermöglichen“, erklärt Boyden. „Aber sie erforderten mehrere Schritte. Mit dem neuen Verfahren können wir dies in einem Schritt erreichen.“
Optimierung des Gels für die Expansion
Ein entscheidender Faktor für die Effizienz dieser Methode ist die Wahl des richtigen Gels. Das Forschungsteam nutzte ein Polymer auf der Basis von N,N-Dimethylacrylamid (DMAA) und Natriumacrylat. Im Gegensatz zu früheren Gelen, die zusätzliche Moleküle zur Vernetzung der Polymerstränge benötigten, bildet dieses Gel spontan Vernetzungen und zeichnet sich durch besondere Stabilität aus. Durch gezielte Optimierungen konnte das Team das Gel so anpassen, dass es einer 20-fachen Expansion standhält, ohne zu zerfallen.
Die mechanische Stabilität des Gels ist entscheidend, damit das Gewebe beim Aufquellen nicht beschädigt wird. Um diese Stabilität zu gewährleisten, musste das Forschungsteam den Polymerisationsprozess weiter verbessern. Ein wichtiger Schritt dabei war die Entfernung von Sauerstoff aus der Polymerlösung, da Sauerstoff unerwünschte Nebenreaktionen auslösen kann, die die Bildung stabiler Vernetzungen stören. Indem sie Stickstoff durch die Polymerlösung leiteten, konnten sie den Sauerstoff weitgehend eliminieren und so die Stabilität des Gels weiter erhöhen.
Vielseitige Einsatzmöglichkeiten in der Forschung
Die neue Technik ermöglicht laut MIT-Team eine Vielzahl von Anwendungen in der biomedizinischen Forschung. Insbesondere in der Neurowissenschaft und Krebsforschung bietet sie neue Erkenntnismöglichkeiten. Mit dieser Technik konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Strukturen innerhalb von Gehirnzellen abbilden, die bisher unsichtbar waren. Ein Beispiel dafür sind synaptische Nanosäulen – winzige Proteincluster an den Synapsen von Neuronen, die eine Schlüsselrolle bei der Kommunikation zwischen Nervenzellen spielen.
Darüber hinaus ermöglichte die Methode laut Forschungsteam auch die Abbildung von Mikrotubuli – hohlen Röhren, die den Zellen ihre Struktur geben und für die Zellteilung von zentraler Bedeutung sind. Auch Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, sowie Kernporenkomplexe, die den Zugang zum Zellkern regulieren, konnten sichtbar gemacht werden.
Kostengünstig und einfach in der Anwendung
Einer der größten Vorteile dieser Technik ist, dass sie auf Standardausrüstung und handelsüblichen Chemikalien basiert, die in den meisten biologischen Laboren bereits vorhanden sind. Forschende benötigen keine speziellen, teuren Mikroskope. Ein einfaches Lichtmikroskop reicht aus, um Strukturen im Nanobereich sichtbar zu machen.
„Wir hoffen, dass mit dieser neuen Technologie jedes konventionelle Biologie-Labor dieses Protokoll verwenden kann“, sagt Shiwei Wang, einer der Hauptautoren der Studie. Die Forschenden sind überzeugt, dass diese Methode den Zugang zur hochauflösenden Bildgebung revolutionieren wird – und das zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten.
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