Teilchenbeschleuniger LHC 13.03.2015, 15:00 Uhr

Neustart für die komplexeste Maschine der Welt

Nach eineinhalb Jahren Wartungsarbeiten geht die größte und komplexeste Maschine der Menschheit an den Neustart. In wenigen Wochen wird der Large Hadron Collidor (LHC) tief unter der Erde bei Genf in der Schweiz wieder aktiviert. Dann suchen die Forscher mit den Kollisionsexperimenten am CERN nach dem letzten großen Geheimnis des Universums: der Dunklen Materie und der Dunklen Energie.

Ingenieur Andrzej Siemko radelt neben dem LHC (Large Hadron Collider). Das Bild wurde Ende November 2013 aufgenommen.

Ingenieur Andrzej Siemko radelt neben dem LHC (Large Hadron Collider). Das Bild wurde Ende November 2013 aufgenommen.

Foto: Adam Warzawa/dpa

Der Ring hat mit knapp 27 Kilometern eine optimale Länge für die tägliche Fahrradrunde. Und ist mit 3,6 Metern auch breit genug. Zudem ist er eben wie mit der Wasserwaage gezogen und garantiert frei von unerwünschten Regengüssen. Denn dieser Ring befindet sich etwa 100 Meter tief unter der Erde bei Genf in der Schweiz.

Der Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) im Europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf. 

Der Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) im Europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf.

Quelle: Martial Trezzini/dpa

Am CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung, jagen Forscher aus über 100 Staaten im Large Hadron Collider (LHC) in extrem aufwändigen Experimenten den Geheimnissen kleinster Teilchen hinterher. Dafür beschleunigen sie diese annähernd auf Lichtgeschwindigkeit und lassen es dann krachen, indem sie gezielte Kollisionen dieser Teilchen herbeiführen.

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Higgs-Teilchen nachgewiesen

Mit solchen gezielten Teilchenkollisionen im LHC ist es den CERN-Forschern im Juli 2012 gelungen, das schon sehr lange gesuchte Higgs-Boson nachzuweisen. Dieses Teilchen wurde von dem britischen Physiker Peter Higgs und dem Belgier François Englert in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Teilchen im Standardmodell der Materie vorausgesagt. Es verleiht allen anderen Teilchen ihre Masse. Der Generaldirektor des CERN, Rolf-Dieter Heuer, erklärt das so: „Sie und ich würden ohne dieses Teilchen nicht hier sitzen, es gäbe uns gar nicht.“

13 Tera-Elektronenvolt Kollisionsenergie

Nach der Entdeckung des Higgs-Teilchens ging der mächtigste Teilchenbeschleuniger der Welt in die Runderneuerungspause, um ihn für den nächsten Run, wie die Forscher am CERN den aktiven Betrieb des Rings nennen, zu ertüchtigen. Jetzt ist es soweit: Die CERN-Ingenieure haben den Teilchenbeschleuniger so umgebaut, dass die Kollisionsenergie nun von 8 auf 13 Tera-Elektronenvolt ansteigen kann.

Mit unzähligen Nachweisgeräten ist der Detektor CMS (Compact Muon Solenoid) gespickt. Sie registrieren und vermessen die Bruchstücke, die bei der Kollision der Protonen im Zentrum des 15 Meter hohen und 25 langen zylindrischen Ungetüms entstehen

Mit unzähligen Nachweisgeräten ist der Detektor CMS (Compact Muon Solenoid) gespickt. Sie registrieren und vermessen die Bruchstücke, die bei der Kollision der Protonen im Zentrum des 15 Meter hohen und 25 langen zylindrischen Ungetüms entstehen

Quelle: CERN

Dafür wurden 18 gigantische supraleitende Magnete ausgetauscht. Es wurden mehr als zehntausend elektrische Verbindungen zwischen den Magneten verbessert. Zum Beispiel durch den Einbau von 27.000 Nebenwiderständen, damit es bei Problemen im Ring nicht zu einer Überhitzung kommt. „Es kann immer etwas passieren“, sagt Heuer, der sein Amt schon bald an die italienische Experimentalphysikerin Fabiola Gianotti abtritt.

„Das Higgs ist die Brücke zur Physik jenseits des Standardmodells“

In diesem neuen Run geht es um weit mehr als um das Standardmodell der Materie. Denn dieses kann längst nicht alle Beobachtungen im Universum erklären, weil die gewöhnliche sichtbare Materie nur gerade einmal fünf Prozent des gesamten Weltalls ausmacht.

Nathan Readioff, ein am CERN forschender Student aus Liverpool, hat einen Designvorschlag entwickelt, um den LHC als Lego-Bausatz für all die angehenden kleinen Forscher Wirklichkeit werden zu lassen. So soll der Lego-LHC einmal aussehen.

Nathan Readioff, ein am CERN forschender Student aus Liverpool, hat einen Designvorschlag entwickelt, um den LHC als Lego-Bausatz für all die angehenden kleinen Forscher Wirklichkeit werden zu lassen. So soll der Lego-LHC einmal aussehen.

Quelle: Nathan Readioff/CERN

Der gewaltige Rest sind die beiden großen Unbekannten: Die Dunkle Materie soll rund 27 Prozent des Universums ausmachen, die Dunkle Energie sogar etwa 68 Prozent. „Das Standardmodell beschreibt hervorragend die sichtbare Welt, es lässt aber extrem viele Fragen offen“, sagt CERN-Chef Rolf-Dieter Heuer. „Das Higgs ist die Brücke zur Physik jenseits des Standardmodells.“

Das neue Jagdgebiet der Forscher heißt Susy

Nun machen sich die vielen Forscher am CERN daran, Susy zu jagen. Susy ist die Abkürzung für die Theorie der Supersymmetrie. Diese besagt im Prinzip, dass es zu jedem Teilchen immer noch ein schwereres Partnerteilchen gibt. Das Lichtteilchen, das Photon, bekäme so das Photino dazugestellt. Das Boson bekäme das Bosino an die Seite. Soweit die Theorie. Nur hat bisher niemand solche Teilchen beobachten können. Aber der LHC ist jetzt viel besser aufgestellt mit seinen 13 Tera-Elektronenvolt. „Ich erhöhe die Wahrscheinlichkeit, das Biest zu finden“, meint Rolf-Dieter Heuer.

 

Ein Beitrag von:

  • Detlef Stoller

    Detlef Stoller ist Diplom-Photoingenieur. Er ist Fachjournalist für Umweltfragen und schreibt für verschiedene Printmagazine, Online-Medien und TV-Formate.

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