Norias von Hama: gigantische Wasserräder mit Geschichte
Die Norias von Hama sind weit über 500 Jahre alt und bis zu 21 Meter hoch. Einst halfen die gigantischen Wasserräder den Syrern in der Landwirtschaft.

Die Norias von Hama waren über Jahrhunderte die größten Wasserräder der Welt.
Foto: PantherMedia / dbajurin
Die Norias von Hama sind eine historische Wasserhebetechnologie, die entlang des Orontes-Flusses in der syrischen Stadt Hama zu finden ist. Die imposanten Wasserräder sind weit über 500 Jahre alt und waren einst ein integraler Bestandteil der landwirtschaftlichen Bewässerung. Sie dienten dazu, Wasser auf höher gelegenes Land zu transportieren. Heute sind sie ein bedeutendes kulturelles Erbe und touristisches Wahrzeichen Syriens.
Insgesamt 17 Norias sind in Hama erhalten geblieben. Einige von ihnen erreichten einst eine beachtliche Größe von bis zu 21 Metern, sodass sie jahrhundertelang die höchsten Wasserräder der Welt waren. Die Norias sind dabei nicht nur architektonische Meisterwerke, sondern auch Beispiele für die ausgeklügelte Wassertechnologie vergangener Epochen. Ihre Bedeutung reicht weit über Syrien hinaus, da sie zu den größten erhaltenen Wasserrädern weltweit gehören.
Inhaltsverzeichnis
Die Geschichte der Norias
Die Ursprünge der Norias lassen sich weit zurückverfolgen. Bereits in der Antike wurden ähnliche Wasserräder genutzt, um Wasser aus Flüssen zu heben. Ein Mosaik aus Apamea, das auf das Jahr 469 n. Chr. datiert wird, zeigt eine Abbildung dieser Konstruktionen. Dies belegt, dass die Technik bereits in byzantinischer Zeit bekannt war.
Historische Quellen lassen vermuten, dass Norias bereits im 9. Jahrhundert n. Chr. in Hama existierten. Schriftliche Erwähnungen aus dem 12. und 13. Jahrhundert bestätigen ihre weite Verbreitung in dieser Region. Die beiden größten erhaltenen Norias, die Noria al-Muhammadiya (erbaut 1361) und die Noria al-Ma’muriyya (erbaut 1453), stehen exemplarisch für die Ingenieurskunst des Mittelalters. Diese imposanten Wasserräder wurden mit einer außergewöhnlichen Präzision gebaut und über Generationen hinweg instand gehalten.
Die Norias von Hama waren einst zentrale Bestandteile eines ausgeklügelten Bewässerungssystems, das die Landwirtschaft entlang des Orontes ermöglichte. Ihre Konstruktion erlaubte es, das Wasser aus dem tief liegenden Flussbett zu heben und auf höher gelegene landwirtschaftliche Flächen zu verteilen. Der Antrieb erfolgte dabei ausschließlich durch die Strömung des Flusses, was die Effizienz und Nachhaltigkeit dieser Technik unterstreicht.

Hölzerne Details einer Noria.
Foto: PantherMedia / vyskoczilova (YAYMicro)
Aufbau und Funktionsweise
Die Norias von Hama gehören zum Typ der unterschlächtigen Wasserräder. Das bedeutet, dass die Strömung des Flusses das Rad von unten antreibt. Die Wasserkraft wird genutzt, um die schweren Holzräder in Bewegung zu setzen. Dabei sind entlang des Rades kleine Wasserkammern oder Kästen angebracht, die sich mit Wasser füllen und dieses bis zu einem Aquädukt transportieren. Von dort aus wurde das Wasser weitergeleitet und diente der Bewässerung von Feldern und Gärten sowie der Wasserversorgung von Gebäuden.
Die größten Norias in Hama erreichen einen Durchmesser von bis zu 21 Metern. Die kleineren Exemplare messen etwa sieben Meter. Die meisten Wasserräder bestehen aus verschiedenen Holzarten. Während Walnussholz für die massiven Achsen und Lager genutzt wurde, verwendete man Pappelholz für die übrigen Bestandteile. Auch Kiefer und Eiche wurden in manchen Norias verbaut. Diese Hölzer wurden mit speziellen Techniken behandelt, um ihre Langlebigkeit zu erhöhen.
Eine Besonderheit der Norias ist ihre Konstruktion mit Wasserkästen. Diese hölzernen Behälter sind zwischen den Schaufeln des Rades angebracht. Wenn sich das Rad dreht, tauchen sie in das Wasser ein und füllen sich. An der höchsten Stelle des Rades entleeren sie sich dann in ein Aquädukt, das das Wasser weiterleitet. Je nach Größe der Noria kann die Wassermenge zwischen 50.000 und 200.000 Litern pro Stunde betragen.
Warum sind die Norias so lange erhalten geblieben?
Die Langlebigkeit der Norias von Hama ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Ein entscheidender Aspekt ist die kontinuierliche Wartung durch spezialisierte Handwerkerfamilien, die ihr Wissen über die Konstruktion und Reparatur der Wasserräder über Generationen hinweg weitergaben. Da die Norias aus Holz bestehen, war es notwendig, regelmäßig beschädigte oder abgenutzte Teile zu ersetzen. Schätzungen zufolge wurden bei guter Pflege alle 15 Jahre die wichtigsten Holzelemente einer Noria erneuert.
Ein weiterer Grund für ihre lange Existenz ist ihre robuste Bauweise. Die Norias wurden (wie bereits geschrieben) aus widerstandsfähigen Hölzern gefertigt, die sorgfältig behandelt wurden, um die Feuchtigkeit des Flusses zu widerstehen. Walnussholz für Achsen und Lager sowie Pappel- und Kiefernholz für andere Bauteile wurden gezielt eingesetzt, um die mechanische Belastung auszuhalten.
Auch die günstige Umwelt spielte eine Rolle. Der Orontes lieferte eine konstante Wasserquelle, sodass die Norias regelmäßig in Betrieb waren. Dies verhinderte, dass das Holz austrocknete, rissig wurde und schneller verrottete. Zudem sorgte die historische Bedeutung der Norias dafür, dass sie stets erhalten und bei Schäden repariert wurden.

Mit solchen gigantischen Wasserrädern wurde Wasser in Aquädukte gehoben.
Foto: PantherMedia / vyskoczilova (YAYMicro)
Die Rolle der Wehre und Aquädukte
Die Funktion der Norias war eng mit dem Bau von Wehren verknüpft. Diese niedrigen Dämme regulierten den Wasserstand des Flusses und leiteten das Wasser gezielt auf das Wasserrad. In Zeiten niedrigen Wasserstandes konnte das gesamte Flusswasser durch den Wehrkanal zur Noria geleitet werden. Bei Hochwasser hingegen ermöglichte das Wehr eine kontrollierte Wasserführung, sodass die Norias nicht überflutet wurden.
Die Aquädukte, die das gehobene Wasser weiterleiteten, waren teilweise hunderte Meter lang. Sie bestanden aus steinernen Bögen, die das Wasser in Kanäle und Speicherbecken führten. Viele dieser Aquädukte sind heute nicht mehr funktionsfähig, doch einige architektonische Reste sind noch erhalten.
Die Noria al-Muhammadiya – das größte Wasserrad in Hama
Die beeindruckendste Noria von Hama ist die Noria al-Muhammadiya. Sie wurde 1361 erbaut und hat einen Durchmesser von 21 Metern. Mit 120 Wasserkästen fördert sie bis zu 200.000 Liter Wasser pro Stunde. Ursprünglich versorgte sie die Große Moschee von Hama sowie öffentliche Bäder und Gärten mit Wasser.
Ein besonderes Merkmal der Noria al-Muhammadiya ist ihr aufwendig konstruierter Wehrkanal, der in einem spitzen Winkel zum Fluss verläuft. Diese Anordnung maximiert die Kraft des Wassers und ermöglicht einen effizienten Antrieb des Rades. Fast 500 Jahre lang galt die Noria al-Muhammadiya als das größte Wasserrad der Welt – erst 1854 wurde sie vom Laxey Wheel auf der Isle of Man übertroffen.
Der Niedergang der Norias
Im 20. Jahrhundert begann der allmähliche Bedeutungsverlust der Norias. Mit der Einführung moderner motorisierter Pumpen wurde die Wasserversorgung effizienter und unabhängiger von der saisonalen Flussdynamik. Der Bau des Rastan-Staudamms in den 1960er Jahren senkte zudem den Wasserstand des Orontes, sodass viele Norias monatelang trocken lagen.
Die Stilllegung und mangelnde Wartung führten dazu, dass zahlreiche Norias verfielen. Während in den 1930er Jahren noch 20 Norias in Betrieb waren, sank die Zahl bis 1970 auf nur noch acht. Restaurierungsprojekte in den späten 1970er Jahren sorgten dafür, dass 17 dieser historischen Wasserräder erhalten blieben.
Die Norias als kulturelles Wahrzeichen
Obwohl sie heute keine praktische Funktion mehr erfüllen, sind die Norias von Hama ein bedeutendes Symbol der Stadt geblieben. Ihre beeindruckende Mechanik, das rhythmische Drehen der Räder und das charakteristische Knarren der Holzachsen prägen das Stadtbild. Seit 1999 stehen die Norias auf der nationalen Tentativliste Syriens für das UNESCO-Weltkulturerbe.
Während des syrischen Bürgerkriegs seit 2011 litten die Norias unter Vernachlässigung und Zerstörungen. Im Jahr 2014 wurde eine der Norias absichtlich in Brand gesetzt, andere wurden geplündert oder durch Witterungseinflüsse beschädigt. Dennoch gibt es Bemühungen, sie langfristig zu restaurieren.
Ein Beitrag von: