Organische Elektrolyte sollen die Energiewende voranbringen
Organische statt anorganische Elektrolyte könnten das Zwischenspeichern von Strom umweltverträglicher machen. Lignin ist ein geeigneter Rohstoff, elektrisch aktive Kunststoffe und Salz ebenfalls.
Das Städtchen Alzenau im äußersten Nordwesten Bayerns schickt sich an, einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Energiewende zu leisten. Zur Mitte des Jahres 2019 nimmt dort eine 200-Kilowatt-Batterie den Betrieb auf. Sie soll überschüssigen Strom speichern, um ihn in Flautezeiten ohne Zeitverzug wieder abgeben zu können.
Wenn die mächtigen Turbogeneratoren von Kern- und Kohlekraftwerken in den kommenden Jahren nach und nach wegfallen, fehlt es an sekundenschnell einsatzbereiten Kompensationen für Versorgungslücken im Stromnetz. Die Generatoren gleichen sie einfach durch ihre Massenträgheit aus – sie laufen kurzzeitig eine Winzigkeit langsamer. Wenn sie jedoch nicht mehr zur Verfügung stehen, müssen andere Stromspeicher blitzschnell einspringen und Energie liefern. Batterien haben bisher die besten Karten, diesen Platz zu übernehmen.
200-KW-Batterie mit flüssigen Elektrolyten aus Lignin
Der neue Stromspeicher in Alzenau ist von der Größe her keineswegs beeindruckend. Der Kraftwerksbetreiber Steag in Essen etwa betreibt sechs Lithium-Ionen-Batterieblöcke mit einer Leistung von jeweils 15 Megawatt. Auch dass in Alzenau eine Redox-Flow-Batterie installiert wird, ist keine Premiere. Doch dieser Stromspeicher arbeitet mit flüssigen Elektrolyten, die aus Lignin hergestellt werden – einem Naturprodukt, das in einer Größenordnung von Millionen Tonnen, die jährlich bei der Papierherstellung übrigbleibt. Lignin ist gewissermaßen der Kleber, der die Zellulosefasern im Holz miteinander verbindet, sodass massive Stämme entstehen. Ehe die Fasern zu Papier veredelt werden können, muss das Lignin entfernt werden. Meist wird es verbrannt.
Ziel: Vanadium in Elektrolyten ablösen
Das Unternehmen CMBlu in Alzenau hat Batterie und Elektrolyte entwickelt. Bei Letzteren handelt es sich um modifizierte Chinone, eine wichtige Gruppe organischer Verbindungen, die aus Ligninsulfonaten hergestellt werden. Sie fallen als Abfall bei der Zellstoffherstellung an.
In Redox-Flow-Batterien werden normalerweise Elektrolyte eingesetzt, die das relativ seltene Metall Vanadium enthalten. Eine umweltverträglichere Lösung, bei der es zudem keine Begrenzungen durch Rohstoffmangel gibt, ist der Einsatz von organischen Materialien wie Chinonen oder leitfähigen Kunststoffen in einer Salzlösung, wie es Kemiwatt aus Rennes in Frankreich oder JenaBatteries macht, eine Ausgründung aus der Universität Jena. Während diese Unternehmen bereits Stromspeicher verkaufen, steht CMBlu noch an Anfang.
Premiere für Lignin-Lösung mit 50 Kilowattstunden
Redox-Flow-Batterien bestehen aus der zentralen Reaktionskammer, zwei Tanks für die Elektrolyte und zwei Pumpen, die die Flüssigkeiten befördern. Beim Aufladen werden Elektronen von einem Elektrolyten in den anderen transportiert. Das geschieht in der Reaktionskammer, dem Herzstück dieser Batterie. Beim Entladen kehrt sich der Vorgang um, sodass Strom fließt – in diesem Fall ins Netz. Die Speicherkapazität eines solchen Systems, also die Menge an Strom, die gepuffert wird, hängt weitgehend von der Größe der externen Tanks ab. CMBlu beginnt mit kleinen Behältern, sodass die Anordnung lediglich 50 Kilowattstunden liefern kann. Das reiche, um das System zu optimieren, verlautet aus dem Unternehmen.
Seit Ende 2018 ist der Autozulieferer Schaeffler, zu dem auch Continental gehört, Partner von CMBlu. Dessen Chef Peter Geigle sieht drei Anwendungsbereiche für seine Redox-Flow-Batterie, auch Flussbatterie genannt. Da ist zunächst die Zwischenlagerung von Wind- und Solarstrom, der immer häufiger und in immer größeren Mengen zu Zeiten produziert wird, in denen es keine Abnehmer gibt. Bei kurzfristigem Bedarf können Großbatterien blitzschnell einspringen.
Mit Redox-Flow sind E-Autos flott geladen
Interessant ist dieser Batterietyp auch für die Industrie. Sie kann damit Lastspitzen abdecken, also den kurzzeitigen Verbrauch von besonders viel Strom. Aus dem Netz bezogen ist er extrem teuer. Und auch die Elektromobiltät wird davon profitieren. Zwar sollen die Batterien nicht in Autos eingebaut werden, obwohl Elektroautos mit Redox-Flow-Batterie fahren können. Stattdessen werden sie in Schnellladestationen eingesetzt, die locker 350 Kilowatt leisten und Fahrzeuge entsprechend schnell aufladen. Eine derart hohe Leistung bietet das öffentliche Stromnetz nur selten. Eine Redox-Flow-Batterie sammelt in Zeiten Strom, in denen kein Kunde angedockt ist, sodass sie bei Bedarf mit voller Kraft loslegen kann. Es ist sogar möglich, die verbrauchte Elektrolytflüssigkeit per Tankwagen zu ersetzen – sie lässt sich extern aufladen.
Suche nach produzierenden Partnern
„Wir selber wollen nichts produzieren. Wir sind ein Forschungsunternehmen, das die Technologie so weit entwickelt, dass man sie an Industrieunternehmen weitergeben kann“, sagt Geigle. Er hat schon Verträge mit Kunden abgeschlossen, die in den nächsten zwei Jahren Pilotprojekte realisieren wollen – darunter Schaeffler.
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Die Berliner Megabatterie in einem Salzstock arbeitet ebenfalls nach dem Redow-Flow-Prinzip.
Kemiwatt und Jenabatteries präsentierten 2016 eine Redox-Flow-Batterie auf Kunststoffbasis. Wir haben darüber im Artikel „Jetzt wird die Redox-Flow-Batterie richtig umweltfreundlich“ berichtet.
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