Physik am Limit: Caltech entdeckt besondere Form der Supraleitung
Ein Forschungsteam entdeckt am Caltech eine neue Form der Supraleitung mit atomarer Modulation – ein wichtiger Schritt in der Quantenforschung.

Räumliche Modulation der supraleitenden Lücke, die in Farbe kodiert und mittels Rastertunnelmikroskopie gemessen wurde.
Foto: Lingyuan Kong, IQIM/AWS Postdoctoral Fellow
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Caltech hat einen neuen supraleitenden Zustand entdeckt. Die sogenannte Cooper-Paar-Dichte-Modulation (PDM) zeigt, dass sich die supraleitende Eigenschaft in einem Material sogar auf atomarer Skala verändern kann. Möglich wurde dieser Fund durch neue experimentelle Techniken an einem eisenbasierten Supraleiter. Die Erkenntnisse könnten langfristig das Verständnis von Supraleitung vertiefen und neue Wege zur Entwicklung supraleitender Materialien bei höheren Temperaturen eröffnen.
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Elektrischer Strom ohne Widerstand
Supraleitung ist ein physikalischer Zustand, bei dem elektrischer Strom ohne Energieverlust durch ein Material fließt. In der medizinischen Bildgebung, etwa bei MRT-Geräten, ist diese Eigenschaft längst im Einsatz. Doch diese Supraleiter funktionieren nur unter extremen Bedingungen – meist bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt. Forschende arbeiten deshalb weltweit daran, Materialien zu finden, die diesen Zustand auch bei höheren Temperaturen erreichen können.
„Das Verständnis der Mechanismen, die zur Bildung von Supraleitung führen, und die Entdeckung exotischer neuer supraleitender Phasen ist nicht nur eine der spannendsten Aufgaben in der Grundlagenforschung zu Quantenmaterialien, sondern wird auch von diesem ultimativen Traum angetrieben, Supraleitung bei Raumtemperatur zu erreichen“, erklärt Stevan Nadj-Perge, Professor am California Institute of Technology (Caltech).
Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team hat er nun einen neuen supraleitenden Zustand identifiziert. Die Entdeckung wurde am 19. März in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Die Rolle der Cooper-Paare
Im Normalfall stoßen sich Elektronen beim Durchqueren eines Metalls ständig an den Atomen im Gitter – dadurch entsteht Widerstand. In einem Supraleiter hingegen bewegen sich Elektronen paarweise, sogenannte Cooper-Paare. Diese bleiben stabil innerhalb eines bestimmten Energiebereichs, der sogenannten Energielücke. Innerhalb dieser Zone gibt es keine Energieverluste.
Diese Energielücke ist bei klassischen Supraleitern meist überall im Material gleich. Doch theoretische Modelle sagten bereits in den 1960er-Jahren voraus, dass es Materialien geben könnte, bei denen sich diese Lücke örtlich verändert. In den 2000er-Jahren entstand daraus die Hypothese des sogenannten Paardichtewellen-Zustands (Pair Density Wave, PDW), bei dem sich die Energielücke wellenförmig moduliert.
Neue Messmethode öffnet die Tür zur atomaren Skala
Die Gruppe um Nadj-Perge untersuchte ein spezielles Material mit der chemischen Formel FeTe₀.₅₅Se₀.₄₅. Es handelt sich dabei um einen eisenbasierten Supraleiter, der in extrem dünnen Schichten vorliegt – sogenannten Flocken. Mit einem neuartigen Rastertunnelmikroskop konnten die Forschenden nun die supraleitende Struktur direkt auf atomarer Ebene untersuchen.
Was sie fanden, überrascht selbst erfahrene Physiker: Die Energielücke verändert sich innerhalb der Struktur in einem regelmäßigen Muster – mit einer Wellenlänge, die dem Abstand der Atome entspricht. Das Team bezeichnet diesen Zustand als Cooper-Paar-Dichte-Modulation (engl. Cooper-pair density modulation, kurz PDM).
„Die beobachtete Lückenmodulation, die bis zu 40 % erreicht, ist die stärkste bisher gemeldete und liefert den bisher klarsten experimentellen Beweis dafür, dass eine Lückenmodulation sogar auf atomarer Ebene existieren kann“, so Lingyuan Kong, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Caltech und Hauptautor des Artikels.
Was die Entdeckung bedeutet
Die Erkenntnis könnte wichtige Hinweise darauf liefern, wie sich Supraleitung unter realen Bedingungen verhält. Besonders bemerkenswert ist, dass solche Modulationen bislang schwer nachzuweisen waren – nicht zuletzt, weil Verunreinigungen an der Materialoberfläche die Messungen beeinträchtigten. Das Team vom Caltech entwickelte deshalb eine neue Methode, die eine besonders saubere Oberfläche erzeugt. Erst dadurch wurde die präzise Rastertunnelmikroskopie überhaupt möglich.
Neben den experimentellen Arbeiten entwickelten weitere Teammitglieder ein theoretisches Modell, das erklärt, wie diese PDM-Struktur entsteht. Michał Papaj (University of Houston) und Patrick A. Lee (MIT) gehen davon aus, dass das beobachtete Muster durch den Bruch spezieller Symmetrien innerhalb des Materials zustande kommt. Besonders relevant seien dabei die Untergitterstruktur sowie eine bestimmte Rotationssymmetrie, die nur bei extrem dünnen Schichten auftritt.
An der Studie waren neben dem Caltech auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Harvard University, der Northwestern University, dem Brookhaven National Laboratory sowie dem National Institute for Materials Science in Japan beteiligt. Unterstützt wurde das Projekt unter anderem vom Institute for Quantum Information and Matter (IQIM), der National Science Foundation und dem US-Energieministerium.
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