Physiker entdecken das Geheimnis des perfekten Kaffees
Forschende enthüllen, wie sich mit gezielter Gießtechnik der perfekte Filterkaffee zubereiten lässt – auf Grundlage physikalischer Prinzipien.

Es braucht keine teure Technik - mit gezielter Gießtechnik lässt sich der perfekte Kaffee brauen.
Foto: PantherMedia / Benzoix (YAYMicro)
Jeden Tag trinken Millionen Menschen Kaffee – sei es als Wachmacher am Morgen oder als kleines Ritual am Nachmittag. Doch nur die wenigsten wissen: Hinter einer gelungenen Tasse Filterkaffee steckt weit mehr als nur guter Geschmack. Physikerinnen und Physiker der University of Pennsylvania haben nun eine Formel entwickelt, mit der sich Kaffee nicht nur effizienter, sondern auch intensiver brühen lässt. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Physics of Fluids.
Inhaltsverzeichnis
Kaffee als wissenschaftliches Forschungsobjekt
Weltweit werden jedes Jahr rund 10 Mrd. kg Kaffee konsumiert. Damit gehört Kaffee zu den bedeutendsten Agrarprodukten. Doch der Anbau gestaltet sich zunehmend schwierig. Die Pflanze reagiert empfindlich auf klimatische Veränderungen. Steigende Temperaturen und unregelmäßige Regenfälle setzen den Anbaugebieten zu. In vielen Regionen geht die Ernte bereits zurück.
Gerade deshalb gewinnt die Frage an Bedeutung, wie sich vorhandene Ressourcen besser nutzen lassen. Die Forschenden der University of Pennsylvania gingen dieser Frage auf unkonventionelle Weise nach – mit physikalischen Methoden. Ziel war es, die Brühmethode beim Übergießen von Filterkaffee zu optimieren.
Die Idee: Wasserfluss physikalisch steuern
Im Mittelpunkt der Forschung stand das Aufgießen von Wasser über den Kaffeefilter – eine scheinbar einfache Handlung, die jedoch komplexe physikalische Prozesse auslöst. Entscheidend ist dabei, wie das heiße Wasser auf das Kaffeemehl trifft. Die zentrale Empfehlung des Forschungsteams: Gießen Sie aus möglichst großer Höhe, aber so, dass der Wasserstrahl nicht zerfällt.
„Wir empfehlen, die Gießhöhe so hoch wie möglich zu halten, während gleichzeitig eine laminare Strömung aufrechterhalten wird, bei der der Strahl beim Auftreffen auf das Kaffeemehl nicht zerbricht“, erklärt Studienautor Ernest Park. Laminare Strömung bedeutet, dass sich das Wasser gleichmäßig und ruhig bewegt – ohne Turbulenzen.
Die Forschenden fanden heraus, dass ein kräftiger, gebündelter Wasserstrahl den Kaffeefilter wie eine kleine Lawine durchdringt. Dabei wird das Kaffeemehl im Filterbett aufgewirbelt. Die Bewegung sorgt dafür, dass sich die festen und flüssigen Bestandteile besser vermischen. So löst sich mehr Aroma, und das Getränk wird intensiver – ohne mehr Kaffeepulver zu benötigen.
Warum dünne Wasserstrahlen nicht funktionieren
Ein häufiger Fehler beim Aufbrühen besteht laut den Physikerinnen und Physikern darin, das Wasser zu sanft oder zu punktuell aufzugießen. Dabei zerfällt der Strahl in einzelne Tropfen – mit negativen Folgen. „Bei einem dünnen Strahl neigt das Wasser dazu, in Tröpfchen zu zerfallen“, erklärt Margot Young, Mitautorin der Studie. „Das ist es, was man bei diesen Übergießgetränken vermeiden möchte, denn das bedeutet, dass der Strahl den Kaffeesatz nicht effektiv mischen kann.“
Gerät der Wasserfluss ins Stocken oder ist er zu schwach, dringt das Wasser nur unzureichend in das Kaffeebett ein. Die Folge: Die Extraktion fällt schwach aus, und die Tasse bleibt geschmacklich flach. Der gezielte, kräftige Guss hingegen versetzt das Kaffeepulver in Bewegung – ein physikalisches Prinzip, das die Forschenden mit einfachen Mitteln sichtbar machten.
Sichtbar gemacht: Kaffee unter dem Laser
Um die inneren Vorgänge beim Aufguss sichtbar zu machen, experimentierte das Forschungsteam mit einem Glastrichter und transparenten Partikeln, die mit Lasern beleuchtet wurden. Diese Partikel simulierten das Verhalten des echten Kaffeemehls. Das Ziel war es, die Fließdynamik im Inneren des Filters zu beobachten.
Dank dieser Methode konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genau nachvollziehen, wie sich das Wasser im Kaffeesatz ausbreitet, welche Strömungen entstehen und wie sich das Pulver neu verteilt. Auf diese Weise entstand ein detailliertes Bild davon, wie der perfekte Gießvorgang abläuft – und wie sich kleine Änderungen auf das Ergebnis auswirken.
Physikalische Küchenexperimente für den Alltag
Zwar plant das Team derzeit keine weiteren Studien zum Thema Kaffee, doch die Arbeit hat gezeigt: Selbst alltägliche Vorgänge wie das Aufgießen lassen sich mit wissenschaftlicher Präzision analysieren. Dabei ergeben sich Erkenntnisse, die über die Küche hinausreichen.
„Wir können wirklich etwas aus chemischer und physikalischer Sicht lernen, wenn wir uns die Küche ansehen“, sagt Arnold Mathijssen, einer der Studienautoren. „Es führt zu neuen Erkenntnissen in der Wissenschaft, wo man sie nicht erwartet hätte.“
Ein schöner Nebeneffekt: Diese Erkenntnisse lassen sich im Alltag direkt anwenden. Wer also zu Hause Filterkaffee zubereitet, kann die Empfehlungen des Forschungsteams selbst ausprobieren. Die Aufforderung der Forschenden lautet ganz bewusst: „Do try this at home.“
Der perfekte Kaffee braucht keine teure Technik
Ein bemerkenswerter Aspekt der Studie ist, dass sich die Erkenntnisse mit haushaltsüblichen Mitteln umsetzen lassen. Besonders geeignet für die empfohlene Methode sind sogenannte Schwanenhalskessel. Diese zeichnen sich durch eine dünne, gebogene Ausgusstülle aus, mit der sich der Wasserstrahl präzise dosieren lässt. Gleichzeitig ermöglicht sie das Gießen aus größerer Höhe, ohne dass der Strahl zerfällt.
Der gebündelte Wasserfluss sorgt dafür, dass sich das Kaffeemehl während des Brühvorgangs neu anordnet – ähnlich einer Mini-Lawine. Durch diese Bewegung wird mehr Oberfläche freigelegt, und das heiße Wasser kann die Aromastoffe besser herauslösen.
Noch viele offene Fragen
Auch wenn die Forschenden keine weiteren Versuche planen, haben sie angedeutet, dass das Thema Kaffee wissenschaftlich noch lange nicht abgeschlossen ist. So könnten etwa der Mahlgrad des Kaffeepulvers, die Durchflusszeit oder die Temperatur des Wassers weiter untersucht werden. All diese Faktoren beeinflussen, wie sich die Aromen beim Aufbrühen entfalten.
Besonders spannend ist dabei das Zusammenspiel von Physik und Chemie. Beim Kaffee handelt es sich nicht nur um einen Aufguss, sondern um einen komplexen chemischen Extraktionsprozess, bei dem Temperatur, Druck, Zeit und Bewegung eine zentrale Rolle spielen.