Physiker lösen altes Problem der Phasentrennung
Forschende kombinieren Physik und KI zur genauen Vorhersage von Phasentrennung – eine Methode mit großem Potenzial für Industrie und Forschung.
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Unter bestimmten Bedingungen kann Wasser gleichzeitig flüssig und gasförmig sein, zum Beispiel bei der Wolkenbildung. Diese Phasentrennung ließ sich bislang nur näherungsweise bestimmen. Durch Einsatz von KI ändert sich das.
Foto: PantherMedia / dz1958.hotmail.com
Ein Team aus Bayreuth hat mithilfe von maschinellem Lernen die klassische Theorie der Phasentrennung verfeinert. Ihre Methode erlaubt nun präzisere Vorhersagen, wann eine Substanz flüssig oder gasförmig vorliegt. Diese hybride Herangehensweise hat großes Potenzial für die Materialforschung und industrielle Anwendungen.
Flüssig oder gasförmig – das ist häufig die Frage
Flüssigkeiten und Gase existieren oft gleichzeitig in einem System – etwa in einem Wasserglas, aus dem kontinuierlich Moleküle verdunsten und wieder kondensieren. Bei der Wolkenbildung kann Wasser unter bestimmten Bedingungen gleichzeitig flüssig und gasförmig sein. Die Bedingungen, unter denen eine Substanz flüssig oder gasförmig vorliegt, sind von Druck und Temperatur abhängig. Wird eine kritische Temperatur erreicht, verschwinden die klar getrennten Phasen, und es entsteht ein sogenanntes überkritisches Fluid. Solche Phasenübergänge sind für industrielle Prozesse essenziell, etwa in der Trenn- und Reinigungstechnik.
Die Vorhersage dieser Übergänge ist jedoch eine große Herausforderung, da klassische Modelle wie das von Johannes Diderik van der Waals (Nobelpreis 1910) nur auf Näherungen beruhen. Selbst moderne statistische Methoden wie die Dichtefunktionaltheorie sind durch schwer überprüfbare Annahmen begrenzt. Forschende der Universität Bayreuth haben nun mit einem neuen Ansatz eine präzisere Lösung gefunden. Sie kombinierten klassische physikalische Theorien mit maschinellem Lernen, um zuverlässigere Vorhersagen zu treffen.
Wie maschinelles Lernen die Vorhersage verbessert
Dr. Florian Sammüller und Prof. Dr. Matthias Schmidt von der Universität Bayreuth entwickelten gemeinsam mit dem britischen Physiker Prof. emeritus Robert Evans eine hybride Methodik. Diese verbindet die theoretische Beschreibung von Phasenübergängen mit der Leistungsfähigkeit neuronaler Netze. Solche Netzwerke bestehen aus künstlichen „Nervenzellen“, die Informationen verarbeiten und Muster erkennen.
Das maschinelle Lernmodell basiert auf einer zentralen physikalischen Annahme: Die Eigenschaften eines Systems lassen sich allein durch die Teilchendichte beschreiben. Diese Idee wurde bereits 1979 von Evans in einer „funktionalen Beziehung“ formuliert. Bisher war die Modellierung solcher Beziehungen durch mathematische Näherungen und physikalische Intuition begrenzt. Mit modernen KI-Techniken können diese Einschränkungen nun überwunden werden. „Eine Fülle von Annahmen, die seit van der Waals nur vermutet wurden, lassen sich nun quantitativ untersuchen und größtenteils bestätigen“, erklärt Schmidt.
Anwendungspotenzial für Industrie und Forschung
Diese neue Methode hat weitreichende Implikationen. Sie erlaubt nicht nur eine genauere Vorhersage von Phasenübergängen, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten in der Materialwissenschaft und Verfahrenstechnik. Besonders in der Modellierung von Kapillarverhalten in Poren, der Benetzung von Oberflächen oder der Entmischung von Stoffen könnte dieser Ansatz bahnbrechend sein.
Sammüller hebt hervor: „Die statistische Mechanik von Fluiden bietet zahlreiche Möglichkeiten, um die Qualität von KI-Vorhersagen mit physikalischen Gleichungen zu überprüfen und zu kontrollieren.“ Die Kombination aus maschinellem Lernen und theoretischer Physik könnte daher künftig eine Schlüsselrolle in der präzisen Modellierung komplexer Systeme spielen.
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