„Predictive Maintenance“: Vorhersagemodelle krempeln die Wartung um
Wer lange Jahre eine bestimmte Maschine bedient hat, kennt nicht nur jedes Knarren, jedes Rattern – er spürt auch, wenn etwas nicht stimmt. Doch dort, wo die Technik nicht so einfach zu erreichen ist, wie bei Windenergieanlagen, werden andere Methoden erprobt. Sensible Sensoren und mathematische Algorithmen unterstützen dabei die Instandhalter. „Predictive Maintenance“ ist das Stichwort.
Schon frühzeitig feststellen, wann sich Zustände verändern, das ist die Aufgabe von mathematischen Vorhersagemodellen, wie sie bei Banken und Versicherungen z. B. zur Identifikation von Kreditkartenrisiken oder illegalen Finanztransaktionen genutzt werden. Neben dem Handel, der damit Trendverschiebungen vorhersagt, wird die die voraussagende Analyse (Predictive Analytics) zunehmend auch für die Systemwartung und Bereiche von Fertigungsanlagen genutzt.
Die Industrie interessiert sich zunehmend für Predective Maintenance-System
Die IT-basierten Verfahren erkennen dabei heraufziehende technische Mängel, bevor es zu einem Stillstand kommt, und reduzieren damit gegenüber den periodischen Wartungen teure Ausfallzeiten. Das Interesse der Industrie daran steigt daher kontinuierlich. „Die vorhersagende Wartung ist noch ein sehr junges Gebiet, mit dem Störungen im vornhinein erkannt werden können, also noch bevor sie eingetreten sind“, sagte Franz Gruber, Geschäftsführer von Forcam in Friedrichhafen, auf Anfrage der VDI nachrichten über diese neue Methode. Das Unternehmen ist auf dieses Aufgabenfeld spezialisiert und entwickelt derzeit neue Softwarelösungen für den Einsatz von „Predictive Maintenance“ innerhalb von Fabrikanlagen. Diese sollen anschließend in deren bestehende Produktionssoftware integriert werden.
Forcam arbeitet in Forschung und Entwicklung zusammen mit dem Center for Intelligent Maintenance Systems (IMS) der Universität von Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio. Das IMS wiederum unterhält Partnerschaften mit Unternehmen aus der Region, wie Rockwell, Toyota, GM, Harley-Davidson, Chrysler, Ford und Siemens. Die Hochschule und die Unternehmen im Großraum Cincinnati bilden das Rückgrat der US-amerikanischen Automobilindustrie, da die beiden großen Autoherstellungsregionen Michigan sowie Kentucky und Tennessee etwa gleich weit entfernt sind.
Leiter des IMS ist Prof. Jay Lee, der bereits 2004 erste Veröffentlichungen zur vorhersagenden Instandhaltung herausgegeben hat. Heute arbeitet er am weiteren Ausbau dieser Methoden und Verfahren. „Systemwartung entwickelt sich stetig hin zu einem informationsbasierten Beobachten vieler Einflussfaktoren“, erklärte Lee. Hierbei ginge es nicht allein darum, Istzustände zu erfassen, sondern aus der Veränderung der Messgrößen Trends zu erkennen. „Alle anfallenden Trends müssen dann in Echtzeit automatisch priorisiert werden, damit sie zu zeitnahen Reaktionen führen können“, erläuterte er.
Windkraft: Ausfallzeiten lassen sich durch Predective Maintenance nahezu vollständig vermeiden
Basis für diese weiterentwickelte Form des „Condition-based Maintenance“ – kurz CBM – sind vor allem mathematische Verfahren zur Schwingungsanalyse. Hierbei werden die Schwingungen von verschleißgefährdeten Bauteilen zunächst von Sensoren erfasst, anschließend mit bewährten Algorithmen analysiert. Hochleistungscomputer erledigen das nahezu ohne Zeitverzögerung in Echtzeit. War man zuvor kaum in der Lage, die immensen Datenberge der Sensoren so zeitnah auszuwerten und rechtzeitig Ergebnisse zur Schadensbegrenzung zur Verfügung zu stellen, wird dies damit möglich.
Erste große Anwendungsfelder dafür sind Windkraftanlagen, die extremen Belastungen ausgesetzt sind und bei denen eine Störungsbeseitigung immer sehr zeitaufwendig und teuer ist. Hierfür hat das IMS einen „Watchdog-Agent“ entwickelt, der die Degenerierungsgeschwindigkeit verschiedener Komponenten überwacht und darüber eine Prognose zur Ausfallwahrscheinlichkeit abgeben kann. Mohamed Abu Ali, Projektleiter beim IMS, verdeutlichte stolz: „Wir können bei den Windenergieanlagen ungeplante Ausfallzeiten nahezu vollständig vermeiden.“
BMW: Predictive Maintenance-System sieht viele Fahrzeugausfälle vorher
Neben der direkten Analyse von Schwingungs- oder Verschleißdaten kommen die neuen Analysemethoden aber auch anderweitig zum Einsatz. Beim Automobilhersteller BMW nutzt man z. B. die Text- und Datamining-Lösung IBM-SPSS, welche die vorausschauende Analyse unterstützt. Ging es ursprünglich nur darum, die Häufigkeit von teuren Reparaturen zu erkennen, nutzen heute umfangreiche Mustererkennungsverfahren (Pattern-Analysen) alle verfügbaren Daten. Hierzu gehören sowohl technische Daten aus der eigenen Produkt- und Fahrzeugdatenbank, die maschinellen Informationen, die ein Fahrzeug selbst speichert, sowie die Rückmeldungen der Händler.
Die Systeme zur vorausschauenden Instandhaltung sind damit in der Lage, teure Reparaturen oder gravierende Fahrzeugausfälle vorherzusehen und vorbeugende Aktivitäten einzuleiten, bevor größere Schäden entstehen. „Wir können heute mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob und wann ein bestimmtes Fahrzeug ausfallen wird. Meistens sind die Ursachen dafür vermeidbar, indem beim nächsten Wartungsintervall die entsprechenden Teile ausgetauscht werden. Im Extremfall können wir den Halter auch anrufen und in eine Werkstatt bitten“, erläuterte ein Sprecher vom BMW-Forschungszentrum den Einsatz dieser Analytics-Software.
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