Quanten-Tornados erstmals experimentell nachgewiesen
Forschende aus Würzburg und Dresden konnten Quanten-Tornados erstmals experimentell nachweisen: Ein erweitertes Messverfahren bestätigt eine acht Jahre alte Theorie über Elektronen-Wirbel im Impulsraum.

Die Grafik zeigt einen Quanten-Tornado im Impulsraum.
Foto: think-design | Jochen Thamm
Ein internationales Forschungsteam hat erstmals Quanten-Tornados experimentell nachgewiesen. Elektronen in Quantenmaterialien können Wirbelstrukturen ausbilden, doch bisher war dieses Phänomen nur im sogenannten Ortsraum nachgewiesen worden.
Nun gelang es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Maximilian Ünzelmann vom Exzellenzcluster ct.qmat, diese Wirbel auch im Impulsraum nachzuweisen. Damit wurde eine acht Jahre alte theoretische Vorhersage bestätigt. Die Entdeckung könnte wichtige Impulse für die Weiterentwicklung von Quantentechnologien liefern.
Inhaltsverzeichnis
Quantenwirbel im Impulsraum: Was bedeutet das?
Elektronen in Quantenmaterialien verhalten sich nicht wie klassische Teilchen, sondern zeigen komplexe quantenmechanische Effekte. Der Impulsraum ist ein Konzept in der Physik, das nicht den konkreten Aufenthaltsort eines Elektrons beschreibt, sondern dessen Bewegungsrichtung und Energie. Während Wirbelstrukturen in der klassischen Physik im Ortsraum auftreten, war unklar, ob sie auch im Impulsraum existieren können. Die aktuellen Experimente liefern nun den ersten direkten Beweis dafür.
Die Entdeckung zeigt, dass Elektronen unter bestimmten Bedingungen eine wirbelartige Struktur annehmen. Dies ist vergleichbar mit Luft- oder Wasserwirbeln in der klassischen Physik, findet jedoch auf einer subatomaren Ebene statt. Das besondere daran: Die Elektronen bilden diese Wirbel nicht im physischen Raum, sondern in einem abstrakten, mathematisch beschriebenen Raum, dem Impulsraum. Dieser ist entscheidend für das Verständnis von elektronischen Eigenschaften in Materialien und spielt eine wesentliche Rolle in der Quantenphysik.
Theorie wird zur Praxis
Bereits vor acht Jahren hatte Roderich Moessner, Gründungsmitglied von ct.qmat, die Existenz solcher Quanten-Tornados theoretisch vorhergesagt. Er beschrieb sie als „Rauchringe“, da sie ähnlich aufgebaut sind. Bislang fehlte jedoch eine experimentelle Methode, um sie nachzuweisen. Nun gelang dies mit einem erweiterten Verfahren der winkelaufgelösten Photoemissionsspektroskopie (ARPES).
Ünzelmann erläutert: „ARPES ist eine bewährte Methode in der Festkörperphysik. Sie erlaubt es, die elektronische Struktur eines Materials direkt zu untersuchen, indem herausgelöste Elektronen analysiert werden. Durch eine gezielte Erweiterung des Verfahrens konnten wir den orbitalen Bahndrehimpuls der Elektronen erfassen und die Wirbelstrukturen sichtbar machen.“ Der entscheidende Fortschritt lag in der Kombination von ARPES mit einer speziellen Quanten-Tomographie, die eine dreidimensionale Darstellung der Elektronenstrukturen ermöglichte.
Fortschritte durch innovative Messtechnik
Schon 2021 hatte das Team mit ARPES einen bahnbrechenden Nachweis orbitaler Monopole in Tantal-Arsenid erbracht. Nun kombinierten die Forschenden diese Methode mit einer speziellen Quanten-Tomographie. Dabei wurde die Materialprobe schichtweise untersucht, um ein dreidimensionales Bild der Elektronenstrukturen zu erstellen. „Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass sich die Elektronen im Impulsraum zu einem Tornado formieren“, so Ünzelmann weiter.
Die Methode basiert auf dem sogenannten Photoeffekt, der bereits von Albert Einstein beschrieben wurde. Dabei werden Elektronen durch gezielte Lichtbestrahlung aus einem Material herausgelöst. Die Messung von Energie und Winkel der herausgelösten Teilchen gibt Aufschluss über ihre Bewegungsdynamik im Material. Durch gezielte Erweiterungen dieser Technik konnte das Forschungsteam erstmals den wirbelartigen Drehimpuls der Elektronen sichtbar machen.
Globale Zusammenarbeit für neue Quantentechnologien
Der Nachweis des Quanten-Tornados ist das Ergebnis einer internationalen Kooperation. Die Materialprobe aus Tantal-Arsenid wurde in den USA gezüchtet, während die Messungen an der Forschungsanlage PETRA III des DESY in Hamburg stattfanden. Theoretische Analysen kamen unter anderem von Wissenschaftlern aus China, die experimentelle Umsetzung wurde von Forschenden aus Norwegen begleitet. Matthias Vojta, Sprecher des Exzellenzclusters ct.qmat, betont: „Dieser Erfolg zeigt die Stärke unseres Netzwerks. Die enge Zusammenarbeit von Theorie und Experiment sowie die internationale Vernetzung sind entscheidend für den Fortschritt in der Quantenforschung.“
Das Team arbeitete eng mit anderen Forschungsgruppen zusammen, um die Messungen zu verifizieren und mögliche Fehlerquellen auszuschließen. Dies ist besonders wichtig, da Quanteneffekte oft extrem empfindlich sind und nur unter speziellen Bedingungen auftreten. Die enge Kooperation verschiedener Forschungseinrichtungen ermöglichte eine präzise Bestätigung der Ergebnisse.
Perspektiven für die Orbitronik
Die Entdeckung hat nicht nur wissenschaftliche Relevanz, sondern könnte auch praktische Anwendungen ermöglichen. Die Forschenden hoffen, dass das wirbelartige Verhalten der Elektronen in Zukunft die Grundlage für die sogenannte Orbitronik bilden kann. Diese Technologie nutzt nicht die elektrische Ladung, sondern das orbitale Drehmoment der Elektronen zur Informationsverarbeitung. Das könnte den Energieverbrauch von elektronischen Bauteilen erheblich reduzieren. Aktuell untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob sich Tantal-Arsenid für orbitronische Quantenbauteile eignet.
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