Schnelle Teilchen 22.10.2024, 14:20 Uhr

Quantenverschränkung – alles eine Frage von Attosekunden

Die Quantenverschränkung gehört zu den schnellsten Phänomenen der Natur. Eine neue Studie zeigt, dass dieser Prozess auf der Zeitskala von Attosekunden abläuft.

Quantenverschränkung

Dies geschieht in Attosekunden: Bei der Quantenverschränkung wird ein Atom von einem Laserpuls getroffen, ein Elektron herausgeschlagen und ein anderes in einen Zustand höherer Energie versetzt.

Foto: TU Wien

Die Quantenphysik ist bekannt für Phänomene, die unser alltägliches Verständnis von Raum und Zeit übersteigen. Eines dieser Phänomene ist die Quantenverschränkung – ein Prozess, der in einer kaum vorstellbar kurzen Zeitspanne abläuft. In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie schnell Quantenverschränkung wirklich ist und wie sie untersucht wird. Neueste Forschungsergebnisse der TU Wien zeigen, dass die Entstehung dieses quantenmechanischen Effekts auf einer Attosekunden-Skala – also im Bereich von Milliardstel einer Milliardstelsekunde – liegt.

Was ist Quantenverschränkung?

Quantenverschränkung tritt auf, wenn zwei oder mehr Teilchen so miteinander verbunden sind, dass der Zustand des einen Teilchens untrennbar mit dem Zustand des anderen verknüpft ist. Selbst wenn die Teilchen über große Entfernungen voneinander getrennt sind, können Messungen an einem Teilchen unmittelbare Rückschlüsse auf den Zustand des anderen Teilchens geben. Wie Albert Einstein es nannte, handelt es sich um eine „spukhafte Fernwirkung“.

Das Besondere an der Quantenverschränkung ist, dass es unmöglich ist, die Teilchen als individuelle Einheiten zu betrachten. „Man könnte sagen: Die Teilchen haben keine individuellen Eigenschaften, sie haben nur gemeinsame Eigenschaften“, erklärt Prof. Joachim Burgdörfer von der TU Wien. „Sie gehören mathematisch gesehen fest zusammen, auch wenn sie sich an zwei völlig unterschiedlichen Orten befinden.“

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Die Rolle der Zeit in der Quantenverschränkung

Früher wurde angenommen, dass Quanteneffekte wie die Verschränkung sofort und augenblicklich ablaufen. Heute wissen wir, dass dieser Prozess zwar extrem schnell, aber nicht instantan ist. Mit hochpräzisen Messmethoden konnte die TU Wien gemeinsam mit chinesischen Forschenden nachweisen, dass sich die Verschränkung über eine Zeitspanne von Attosekunden entfaltet. Eine Attosekunde entspricht einem Milliardstel einer Milliardstelsekunde, wie bereits eingangs geschrieben – eine unvorstellbar kurze Zeit.

In der aktuellen Forschung wurde untersucht, wie sich die Quantenverschränkung entwickelt, wenn Atome von intensiven Laserimpulsen getroffen werden. Dabei wird ein Elektron aus dem Atom herausgelöst, während ein zweites Elektron zurückbleibt. Diese beiden Elektronen sind dann quantenverschränkt. Das Forschungsteam konnte zeigen, dass der Zeitpunkt, zu dem das Elektron das Atom verlässt, eng mit dem Zustand des verbleibenden Elektrons verknüpft ist.

Messung der ultrakurzen Zeitabstände

Die exakte Zeit, wann das Elektron aus dem Atom geschleudert wird, lässt sich nicht auf klassische Weise bestimmen. „Das Elektron weiß sozusagen selbst nicht, zu welchem Zeitpunkt es das Atom verlassen hat“, beschreibt es Prof. Burgdörfer. „Es befindet sich in einer quantenphysikalischen Kombination unterschiedlicher Zustände. Es hat das Atom sowohl zu einem früheren als auch zu einem späteren Zeitpunkt verlassen.“

Diese Unschärfe ist charakteristisch für die Quantenphysik. Entscheidend ist, dass sich diese minimalen Unterschiede – gemessen in Attosekunden – heute nicht nur berechnen, sondern auch experimentell messen lassen. So konnte die TU Wien zeigen, dass die Verschiebung im „Geburtszeitpunkt“ des herausgeschleuderten Elektrons durchschnittlich 232 Attosekunden beträgt.

Simulationen und Experimente auf Attosekunden-Ebene

Zur Untersuchung dieser ultraschnellen Prozesse nutzten die Forschenden der TU Wien hochentwickelte Computersimulationen. Diese Simulationen ermöglichten es, den zeitlichen Ablauf der Quantenverschränkung auf der Attosekunden-Skala sichtbar zu machen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht und gelten als Meilenstein in der Erforschung der Zeitdynamik quantenmechanischer Effekte.

„Wir stehen bereits in Kontakt mit Teams, die diese Verschränkungen im Experiment nachweisen wollen“, sagt Burgdörfer. Die Möglichkeit, diese ultrakurzen Zeitskalen experimentell zu untersuchen, eröffnet neue Wege für die Quantenforschung. Insbesondere für Quantencomputer und Quantenkryptographie, wo Verschränkung eine zentrale Rolle spielt, könnten diese Erkenntnisse wegweisend sein.

Das Zeitverständnis in der Quantenphysik

Die Forschungsergebnisse der TU Wien zeigen deutlich, dass das klassische Verständnis von Zeit nicht ausreicht, um Quanteneffekte vollständig zu beschreiben. Die Quantenverschränkung entwickelt sich in winzigen Zeitschritten, die für das menschliche Auge unvorstellbar sind. „Das Elektron springt nicht einfach aus dem Atom heraus. Es ist eine Welle, die gewissermaßen aus dem Atom herausschwappt – und das dauert eine gewisse Zeit“, erklärt Prof. Iva Březinová, eine der Hauptautorinnen der Studie.

Dieser Erkenntnisgewinn ist von fundamentaler Bedeutung für das Verständnis der Quantenphysik. Denn nur durch die Analyse solcher ultraschneller Prozesse kann man den Ursprung und die Dynamik der Quantenverschränkung aufdecken.

Quantenverschränkung und ihre Anwendungen

Die Quantenverschränkung ist nicht nur ein faszinierendes Phänomen der Grundlagenforschung, sondern auch von hoher praktischer Relevanz. In der Quantenkryptographie etwa ermöglicht die Verschränkung extrem sichere Kommunikationssysteme. Zudem sind verschränkte Teilchen ein wichtiger Bestandteil in der Entwicklung von Quantencomputern. Je besser wir die Dynamik dieser Prozesse verstehen, desto effektiver können wir sie in Technologien der Zukunft einsetzen.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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