Raupen produzieren mit Nano-Nahrung Super-Seide
Die Seidenfaser der Raupe des Seiden- oder Maulbeerspinners ist der einzig natürlich vorkommende textile Endlos-Faden. Chinesische Forscher haben die Zugfestigkeit der ohnehin schon sehr reißfesten Faser nun fast verdoppelt, indem sie den Raupen Nano-Materialien zu fressen gaben. Der neue Faden lässt sich vielseitig anwenden.
Die feinen Seidenfasern aus der Bombyx Mori ihre Kokons spinnt, wurden bereits vor über 5.000 Jahren im Indus-Gebiet und dem alten China zur Gewebeherstellung verwendet. Auch ohne jeden Zusatz ist diese Seide ein äußerst vielseitiges und widerstandsfähiges Material. Schon seit langem experimentieren Forscherteams rund um den Globus deshalb an Techniken, diesen Seidenfaden zu verbessern. In der Regel setzen die Experimente allerdings am von der Raupe hergestellten fertigen Seidenfaden an.
Mit Ernährung experimentiert
Nun haben chinesische Wissenschaftler einen anderen Weg gefunden, diesen Seidenfaden von Bombyx Mori noch einmal deutlich in seinen mechanischen Eigenschaften zu verbessern, indem sie mit der Ernährung der fleißigen Seidenraupe experimentierten. „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“, formulierte 1984 Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl. Getreu diesem Motto ernährte ein Team um Yingying Zhang von der Tsinghua-Universität in Peking Labor-Seidenraupen mit Maulbeerbaumblättern, die sie zuvor mit Lösungen von Kohlenstoff-Nanoröhren oder Graphen besprüht hatten. Konkret verfütterten die Forscher an ihre Raupen Maulbeerblätter, die sie mit einem 0,2-prozentigen Wasser-Kohlenstoffnanoröhrchen- oder alternativ mit einem 0,2-prozentigen Wasser-Graphen-Gemisch besprühten.
Selbst unter Elektronenmikroskop keine Unterschiede zu erkennen
Ihre Versuchsergebnisse haben die Wissenschaftler um Zhang jetzt im Fachblatt Nano-Letters veröffentlicht. Die Zugfestigkeit der von den Raupen hergestellten Nano-Seide war um das 1,6-fache höher, als die Seide der Vergleichsraupengruppe, die keine Nanoröhren oder Graphen zu naschen bekamen. Erstaunlicherweise unterschieden sich die Kokons aus Nano-Seide äußerlich nicht von denen der Vergleichsgruppe. Selbst unter dem Elektronenmikroskop konnten die Forscher keine auffälligen Unterschiede erkennen.
Nachweis durch spektroskopische Analysen
Spektroskopische Analysen zeigen allerdings, dass sich die verfütterten Nanomaterialien in den von den Raupen versponnen Seidenfasern nachweisen lassen. Allerdings nur zum Teil, denn auch in den Ausscheidungen der Raupen fanden die Wissenschaftler die auf die Maulbeerblätter aufgesprühten Nano-Materialien. Längst nicht jede Nanoröhre und nicht jedes Graphenteilchen wird also von den Raupen auch in die Seide hineingesponnen. Die Forscher konnten den Anteil der aufgenommenen Nanopartikel, die es tatsächlich bis in die Faser schaffen, bisher nicht quantifizieren.
Die Dosis ist entscheidend
Es scheint aber wie so oft sehr auf die richtige Dosis anzukommen. Eine zu große Menge der Kohlenstoff-Materialien in der Seide macht die Faser nämlich wieder instabiler. Die Forscher vermuten, dass die Kohlenstoff-Materialien sich in die Struktur der Seidenfasern einlagern und sie verstärken, ganz ähnlich, wie bei einem Verbundwerkstoff. Doch lagern die Raupen zu viel von ihrem Nano-Zusatzfutter in die Seidenfäden ein, so bilden sich Häufungen der Röhren oder Plättchen im Seidenprotein, wodurch sich der verstärkende Effekt wieder umkehrt.
Vielfältige Anwendungen denkbar
Sicher ist allerdings: Die ein bis zwei Nanometer dünnen Kohlenstoff-Nanoröhrchen liefern gegenüber dem Graphen die besseren Ergebnisse. Noch besser wurden die Ergebnisse, wenn die Forscher diesen Seidenfaden aus Protein unter Schutzgas auf 1050 °C erhitzten, ihn somit verkohlten. Es entstand ein völlig neuartiges, graphit-ähnliches Material, das elektrisch leitfähig ist. Studienleiter Zhang ist sicher, dass diese leitfähige Spezialseide künftig etwa für abbaubare medizinische Implantate, für tragbare Elektronik oder für haltbares Schutzgewebe eingesetzt werden kann.
Übrigens ist Spinnenseide ein ideales Material zur Herstellung von Biotinte. Diese benötigen Forscher für den 3D-Druck von Herzmuskelgewebe. Die Seide löst keine Immunreaktionen aus und hat keine zelltoxischen Wirkungen. Mehr dazu finden Sie hier. Zudem ist es Bayreuther Wissenschaftlern gelungen, eine künstliche biotechnologische Faser herzustellen, die genauso belastbar ist, wie die echte Seide der Spinnen. Zudem haben sie den Prozess entschlüsselt, der für die große Belastbarkeit der Spinnenseide sorgt. Wenn Sie mehr darüber lesen möchten, klicken Sie hier. Einen Parka aus synthetischer Spinnenseide, der auch extremen Minus-Temperaturen gewachsen ist hat der Outdoor-Bekleidungshersteller North Face präsentiert.
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