Regional verankerte Firmen finden im Cluster den Erfolg
Regionale Power für den internationalen Wettbewerb: In Deutschland setzen Wirtschaft und Forschung immer mehr auf Cluster. Aber kein Cluster ist wie der andere. Einige Beispiele aus dem Südwesten der Republik.
Cluster boomen. Auch in Deutschland. Vom kleinen mittelständisch geprägten Zusammenschluss bis hin zum Spitzencluster gibt es sie in vielen verschiedenen Formen. Allen gemeinsam ist die regionale Netzwerkarbeit zwischen Forschung und Unternehmen. Sie soll zu mehr Innovationen und Kosteneffizienz und damit zu einer stärkeren Position im globalen Wettbewerb führen.
„Kein Cluster ist wie der andere“, erklärt Alexander Bode vom Lehrstuhl für Cluster & Wertschöpfungsmanagement der TU Darmstadt (TUD). Eine einheitliche Definition des Begriffes gibt es nach Auskunft des Experten nicht, ebenso wenig eine genaue Zahl, wie viele solcher Kompetenznetzwerke hierzulande in den letzten Jahren entstanden sind.
„Es geht darum, die Wissensbasis für Innovationen unter Einbeziehung aller Akteure zu verbreitern“, betont Bode. Sein Lehrstuhl, gestiftet vom Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie in Hessen, betreut eine vom Verband angestoßene Clusterinitiative, aus der drei kleinere Cluster mit den Schwerpunkten Automotive, Spritzguss und Aviation hervorgegangen sind. Alle drei sind geprägt durch mittelständische Betriebe, das Klima ist eher familiär.
Rund 2000 Mitarbeiter umfasst der Automotive-Cluster in Mittelhessen, ein Verbund aus Zuliefererfirmen für die Automobilindustrie, der sich vor allem beim Vertrieb und Einkauf Synergien zunutze macht, aber auch in Forschung und Entwicklung kooperiert. Nicht „Wachstum um jeden Preis“ steht nach den Worten von Thomas Weiershausen, Einkaufsleiter bei Linde+Wiemann, im Fokus, sondern Pflege und Weiterentwicklung des Clustergedankens.
Dessen Grundidee, Wissen, Erfahrungen und Technologien zu transferieren, bestimmt die Arbeit in Spitzenclustern wie der Software-Cluster-Region rund um die Zentren Darmstadt, Kaiserslautern, Karlsruhe, Saarbrücken und Walldorf. Sie zählt nach Angaben des Bundesministeriums für Forschung und Entwicklung (BMBF) zu den weltweit leistungsstärksten Netzwerken im Bereich der Informationstechnologie.
In der Welt der großen Cluster ist sie eine Art Prototyp: Die Partner bewegen sich in einem Aktionsradius von zwei Autostunden, große Flaggschiffe wie SAP oder die Software AG gehören dazu wie viele innovative Klein-und Mittelständler, vier Universitäten und sieben außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. „Dieser Cluster ist seit Jahren gewachsen“, berichtet Clustermanager Gino Brunetti vom Center for Advanced Security Research (CASED) an der TUD. „Es gibt kein Software-Thema, das hier nicht schon verankert gewesen wäre.“
Für ihre Vision, sich an die Bedürfnisse des Marktes dynamisch anpassende Softwarelösungen für das digitale Unternehmen der Zukunft zu entwickeln, erhielten die 39 Partner den Zuschlag im diesjährigen Spitzen-Cluster-Wettbewerb des BMBF. Für Norbert Eder, Kommunikationschef der Software AG, ist die räumliche Nähe von Forschung und Unternehmen entscheidend – vor allem in einer Branche, die so schnelllebig ist wie die Software-Industrie. Es gehe darum, die „Know-how-Träger“ aus der Industrie mit der universitären Forschung zu verknüpfen und „nicht am Bedarf vorbeizuforschen“.
Doch die Universitäten im Cluster sind nicht nur Partner für Innovationen: „Wir bilden auch die Leute aus, die die Industrie braucht“, erklärt Brunetti. Die ständige Interaktion mit der Industrie bringe auch für die Forschungsseite klare Vorteile. „Wir können unsere Ergebnisse schnell in die Anwendung bringen.“ Und wer als Hochschule oder Forschungsinstitut unter dem Label eines erfolgreichen Clusters auftrete, habe auch ein besseres Standing, wenn es um die Verteilung von Fördermitteln geht. „Das ist ein Gut, mit dem man arbeiten kann“, so der Clustermanager.
5000 Fachkräfte will der Cluster in den kommenden fünf Jahren ausbilden, 30 neue Firmen in seinem Kernbereich gründen und führende ausländische Unternehmen ansiedeln. 80 Mio. € stehen allein für die Forschung bereit, 50 % davon sind über den Spitzen-Cluster-Wettbewerb abgedeckt. Am Ende soll ein „Technologiezentrum von globaler Bedeutung“ entstanden sein.
Auf Expansion ausgerichtet ist auch der Biotech-Cluster Rhein-Main (BioRN), einer der Vorjahressieger im Spitzen-Cluster-Wettbewerb. Internationalisierung, das Anlocken von Talenten und Sichtbarkeit – so formuliert Clustermanager Christian Tidona die Ziele. Fünf Verbundprojekte will der Biotechnologie-Cluster mithilfe der BMBF-Förderung auf die Beine stellen. Eines ist das Stammzellnetzwerk, dem hochkarätige Partner wie das HI-STEM, das von der Dietmar-Hopp Stiftung unterstützte neue Stammzellinstitut im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg oder das Darmstädter Pharmaunternehmen Merck angehören.
Im Netzwerk erforschen die beteiligten Wissenschaftler unter anderem therapieresistente Krebszellen, die für die Entstehung und das Wiederauftreten von Tumoren und Metastasen verantwortlich sind. Die Ergebnisse sollen zeitnah zur Entwicklung von wirksameren Krebsmedikamenten genutzt werden.
Für HI-STEM-Geschäftsführer Andreas Trumpp bietet die Arbeit im Netzwerk „riesige Vorteile“. Er schätzt die kurzen Wege zur Heidelberger Universitätsklinik und die Zusammenarbeit mit den Unternehmen. Das Tumormaterial bekommen die Forscher aus ihren Partnerkliniken. Sie analysieren es im Labor und suchen mit Kollegen von Merck nach Substanzen, die die Tumorstammzellen hemmen oder ganz abtöten. „Die Vorteile dieser interdisziplinären Zusammenarbeit im Netzwerk liegen auf der Hand.“
Auch das BioRN hat sich mit der Vorgabe, bis 2013 unter anderem 70 Arzneimittel, Diagnostika und Technologieplattformen zu entwickeln, ehrgeizige Ziele gesetzt, an denen das Clustermanagement sich messen lassen will. „Wirtschaftliche Eigenständigkeit“ lautet der Anspruch – was am Ende zählt, auch im Sinne einer nachhaltigen Verwendung staatlicher Fördermittel. Alle Beteiligten, sagt Norbert Eder, hätten Rieseninteresse an einem Return of Investment: „Denn es geht hier nicht um irgendeine Marketingkampagne.“ JUTTA WITTE
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