Eisenbahngeschichte 15.06.2012, 11:55 Uhr

Rhätische Bahn hat Graubünden nach vorne gebracht

Die Strecke zwischen Chur und Disentis im Schweizer Kanton Graubünden ist jetzt 100 Jahre alt. Der Abschnitt wird vom Glacier-Express befahren und gehört zur Rhätischen Bahn, die maßgeblich zum Aufschwung des Kantons beigetragen hat.

Der Handel über die Alpen war für den Schweizer Kanton Graubünden zumeist lukrativ. Seit dem Mittelalter funktionierten diese Wirtschaftsverbindungen hervorragend, ob über den Julier-, Septimer-, Splügen- oder Bernhardin-Pass. So lange, bis 1882 im Tessin die Gotthardbahn eröffnet wurde. Ab da hatten die Graubündner ein finanzielles Problem. Ausgerechnet einem holländischen Kapitän gelang es, die Situation zu verbessern. Willem Jan Holsboer, der wegen der Tuberkuloseerkrankung seiner Frau nach Davos gezogen war, rüttelte die Kantonbewohner auf und überzeugte sie vom Bau einer eigenen Zuglinie. Das war der Beginn der Rhätischen Bahn.

Die Rhätische Bahn schafft Steigungen bis zu 7 Promille

Damals wie heute rollen nun ihre roten Züge auf steilen Schienen die Berge hinauf und hinunter. Normalerweise werden bei extremen Steigungen Hilfsmittel eingesetzt, z. B. Zahnräder, Stangen oder Seile. Doch die Züge der Rhätischen Bahn wurden so konstruiert, dass sie ohne diese Hilfsmittel auskommen. Die Räder haften an den Schienen, als ob ein unsichtbares Klebemittel für Sicherheit sorgen würde. Mit einer Steigung von bis zu 7 Promille gilt die Rhätische Bahn als eine der steilsten Adhäsionsbahnen der Welt.

Tunnel, enge Kehren und Viadukte helfen sowohl beim Erklimmen der Höhen als auch beim steilen Abstieg ins Tal. Die Streckenführung macht den Weg flacher, z. B. der Kreisviadukt von Brusio. Auf engem Raum gewinnt die Bahn kurz vor der italienischen Grenze gleich 20 Höhenmeter. So verringert der Viadukt elegant die Steigung und verlängert den Weg um ein paar Schleifen.

Oder die Strecke zwischen Preda und Bergün. In der Luftlinie beträgt die Entfernung nur 5 km, aber für die Bahn sind es, wegen der vielen Tunnelkehren, zwölf geworden. Eine kostenintensive Bauweise, die sich heute auszahlt. Denn auf diese Weise können längere und schwerere Züge fahren. Ein Vorteil für den Personen- als auch für den Güterverkehr. Und für die Umwelt, denn die Rhätische Bahn erspart dem Kanton jedes Jahr Immissionen von weit mehr als 100 000 Lastwagenfahrten.

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Rhätische Bahn: „Eine echte Meisterleistung aus der Pionierzeit der Eisenbahn“

Wilde Natur mit tiefen Schluchten, hohen Bergen und Felsbarrieren machen die Schmalspur-Bahn zu einem spektakulären Erlebnis. „Eine echte Meisterleistung aus der Pionierzeit der Eisenbahn“, befanden die Experten der Unesco und stellten gleich zwei Parade-Abschnitte unter ihren kulturellen Schutz: Teile der Albula- und Teile der Bernina-Strecke. Zusammen genommen sind es 128 Bahn-Kilometer. Nach der Semmering-Bahn in Österreich und der indischen Darjeeling-Bahn ist die Rhätische Bahn die dritte Bahn weltweit, die diese begehrte Auszeichnung bekommen hat.

Die Rhätische Bahn hat die Entwicklung in Graubünden geprägt: räumlich, kulturell, wirtschaftlich und sozial. Und sie ist eine harmonische Symbiose mit der Natur eingegangen. Während man auf der Albula-Strecke von Thusis nach St. Moritz gelangt, führt der Bernina-Express von der Kantonhauptstadt Chur (585 m ü. M.) ins Oberengadin, weiter nach Ospizio, mit 2253 m der höchste Punkt. Ganz oben erheben sich majestätisch der Piz Bernina (4049 m) und der Piz Palü (3900 m) mit ihren eisblauen Gletschern, während der Bernina-Express die nächste Kurve Richtung Italien nimmt, vorbei an Poschiavo bis nach Tirano. Von den kühlen Hochalpen dem Frühsommer entgegen.  

Ein Beitrag von:

  • Andrea Tebart

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