Richtantenne gebaut: Schüler sprechen live mit ISS-Astronaut Gerst
Schüler aus Mecklenburg-Vorpommern haben live mit dem deutschen Astronauten Alexander Gerst auf der ISS gesprochen. Die Richtantenne für den Funkkontakt haben sie unter Anleitung selbst gebaut.
Es ist 14 Uhr am 3. Juli 2014: Totenstille, niemand sagt ein Wort. 20 Jungen und Mädchen sitzen im Saal des Schullabors vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern und lauschen konzentriert in die Stille. Dann ein leises Rauschen aus einem Funkgerät. „We are ready for take off“, sagt Wolfgang Andree. Der Amateurfunker stellt mit seinem Kollegen Dr. Ingo Goltz den Funkkontakt zur Internationalen Raumstation ISS her, zum dort lebenden deutschen Astronauten Alexander Gerst.
„Grüße nach Neustrelitz von der ISS“
Über eine Schaltstation stellt Amateurfunker Andree den Kontakt her. Es rauscht vernehmlich aus den Lautsprechern, Amateurfunker Goltz wählt mit dem Funkruf „DPOISS“ die Raumstation direkt an. Rauschen, keine Antwort. Vier, fünf Mal wiederholt der Funker die Anfrage. Dann, nach quälenden langen Minuten dröhnt Alexander Gersts Stimme aus den Lautsprechern: „Grüße nach Neustrelitz von der ISS.“ Die Anspannung legt sich, es kann losgehen.
„UFO – Unser Funkkontakt in den Orbit“, so der Titel des Projekts, mit dem das DLR zusammen mit der Europäischen Weltraumagentur ESA und der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA Schüler dazu aufgerufen hat, sich spannende Fragen auszudenken, die sie Gerst stellen können. „Die 20 Schüler mit den interessantesten Fragen haben wir ausgewählt, bei dem Funkkontakt dabei zu sein“, berichtet Dr. Albrecht Weidemann, Leiter des DLR-School-Labs.
Saskia Vogt eröffnet die Fragerunde: „Haben Sie Heimweh? Over“. „Klar“, kommt stark verrauscht die Antwort aus 400 Kilometern Höhe. „Aber ich kann jeden Tag telefonieren und einmal pro Woche haben wir eine Videokonferenz nach Hause.“ Es muss schnell gehen, damit möglichst viele der 20 aufgeregten Mädchen und Jungen ihre Fragen zur ISS funken können. Denn die Raumstation umkreist den Erdball einmal innerhalb von 90 Minuten, das Fenster für den Funkkontakt über Mecklenburg-Vorpommern ist daher nur zehn Minuten lang geöffnet.
Selbstgebaute Antenne mit Steuerung
Um dieses Zeitfenster möglichst groß zu machen, haben sich die Schüler im DLR-School-Labs Hilfe besorgt. „Wir haben eine so genannte Yagi-Antenne mit einem Motorsystem installiert, die die Flugbahn der ISS mitverfolgt“, erklärt der Leiter des Schülerlabors. „Die Steuerung haben wir zusammen mit Elftklässlern vom Neustrelitzer Gymnasium entwickelt.“ Bis auf ein Grad genau folgt die Yagi-Antenne nun der Flugbahn der ISS. Eigentlich heißt sie Yagi-Uda-Antenne, weil sie vor 90 Jahren von den Japanern Hidetsugu Yagi und Shintaro Uda entwickelt wurde. Da aber in den USA ein Artikel zur Antenne von Yagi allein erschien nennen die Grundpatente nur Yagi als Erfinder.
„Wie duscht man auf der ISS?“
Eine Yagi-Antenne ist eine Richtantenne zum Senden und Empfangen elektromagnetischer Wellen im Bereich von etwa 10 bis 2500 Megahertz. Sie besteht im Wesentlichen aus einem gespeisten Dipol, einer Reihe von Direktoren vor dem Dipol und zumeist einem Reflektor dahinter. Die Verstärkung und die Richtwirkung werden von der Gesamtlänge der Antenne bestimmt. Die von den Schülern gebaute Yagi-Antenne reicht offenbar für den Funkkontakt zur ISS aus. „Wie duscht man auf der ISS?“, fragt Paul in das Mikrofon der Antenne. „Gar nicht“, kommt prompt die lachende Antwort des 38-Jährigen deutschen Astronauten. „Im All habe ich keine Dusche. Wir haben hier nur mit Wasser vollgesaugte Handtücher.“
Nach Fußball-Wette Glatze geschnitten
Seit 36 Tagen schon umkreist Alexander Gerst auf der ISS die Erde, die er nur als kleinen blauen Punkt sehen kann. „Blue Dot“ hat er ihr zu Ehren seine persönliche ISS-Mission genannt. 36 Tage ohne Dusche, dafür muss man seinen Einsatzort schon sehr lieb haben. Jedenfalls hat sich die Crew lieb und wettet zur Fußball-WM auf den Sieg ihrer Teams.
Weil die deutsche Nationalelf in der Vorrunde die USA knapp mit 0:1 besiegten, durfte Alexander Gerst seinen Crewkollegen Steve Swanson und Reid Wiseman mit dem elektronischen Haarschneider der ISS eine formidable Glatze schneiden. Im umgekehrten Fall müsste Gerst jetzt mit einer auf seinen Schädel gemalten US-Flagge mit den Schülerinnen und Schülern aus Mecklenburg-Vorpommern sprechen.
„Träumt man im All anders?“ bleibt unbeantwortet
Was nicht schlimm wäre, denn der deutsche Geophysiker winkt ohnehin nur von einem Foto in den Saal. Denn für eine Videoverbindung ist die Amateurtechnik einfach zu schlecht. Ohnehin ist das Schülerprojekt anspruchsvoll. „Dafür muss absolute Ruhe herrschen, und die Disziplin muss stimmen“, sagt Albrecht Weidemann. „Das muss alles zügig gehen“, weiß Manuela Braun von der Redaktion Raumfahrt vom DLR. Denn die ISS ist ziemlich flott unterwegs und zieht mit 28.000 Stundenkilometer ihre Bahnen um die Erde. Immerhin 15 Schülerinnen und Schüler ab der 9. Klasse von fünf Schulen der Region kommen mit ihren Fragen zum Zuge. „Träumt man im All anders?“ „Ich kann euch nicht mehr hören, aber ich wünsche euch alles G…“ Knacken, Rauschen, Stille.
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