Roboter für den Kindergarten
Drei Bausteine miteinander verbunden – und schon bewegt sich das Ding. Ein paar runde, recht- oder dreieckige Teile noch, und es läuft auf vier Beinen, wedelt mit dem Schwanz und wackelt mit dem Kopf: ein Roboterhund. Man kann aber auch eine Ameise, Raupe, einen Bagger oder sonst was daraus machen: Der Roboter-Baukasten von Kinematics lässt Kindern viel Raum für Fantasie. Die Gründer sind jetzt auf der Suche nach Kooperationspartnern und Investoren.
„Aus aktiven Bewegungsmodulen und passiven Bausteinen können Kinder durch einfaches Kombinieren alles bauen, was sich bewegt“, erklärt Designer Christian Guder. „Das Prinzip ist: Zusammenstecken und Losspielen.“ Die aktiven Teile können rotieren oder haben Gelenke. Die Steckverbindung sorgt für die Festigkeit der Modelle: Kriecht die Schlange über den Boden, darf sie sich nicht in ihre Bestandteile auflösen. Ein roter Klotz namens Power Brain beinhaltet den Akku und das Controllerboard, das alles synchronisiert. Strom und Daten werden über die Steckverbindung übertragen: Die Roboter sind kabellos, anders als bei Wettbewerbern wie Lego und qfix.
Diese Einfachheit macht Roboterbau nicht erst im Gymnasium und Studium, sondern schon im Kindergarten möglich. „Wir haben unseren Prototyp mit Kindern ab fünf Jahren getestet. Die gehen völlig furchtlos an die Sache heran. Sie haben keinen großen Plan, was sie damit spielen wollen, sondern stecken einfach die Bausteine zusammen und sehen in diesen einfachen Modellen alles Mögliche“, erzählt der Designer. Ein Vogel müsse nicht zwei Beine, einen Kopf und einen Körper haben: Es reiche, wenn die Bewegung an einen Flügelschlag erinnere. Und während Jungs immer einen Bagger oder ein Auto bauen wollten, gingen Mädchen da viel freier heran. „Die Mädchen machen aus vier Bausteinen einen Vogel und beschäftigen sich den ganzen Vormittag damit. Am nächsten Tag stecken sie die Bausteine um und es wird eine Schlange.“
Mit Roboter-Bausätzen wie mit Modelleisenbahnen spielen bekanntlich nicht nur Kinder. Den Großen dürfte der Baukasten auch nicht zu primitiv sein: Bewegungsabläufe lassen sich einprogrammieren. So ist es möglich, Fahrzeuge zu beschleunigen, anzuhalten, um Kurven zu fahren oder Tiere krabbeln zu lassen. Programmiersprachen muss man dafür nicht beherrschen: „Derzeit arbeiten wir an einer intuitiven Benutzerschnittstelle für die Steuerung. Die Bewegungsmodule selbst werden als Eingabegerät fungieren“, erklärt Guder. Für feinere Einstellungen kann man aber auch den Computer verwenden.
Kinematics Erfinder und Mitgründer Leonhard Oschütz hatte die Idee bei einem Semesterprojekt an der Bauhaus Universität Weimar. Die Aufgabe war, eine Wunschmaschine zu konstruieren. Für den begeisterten Lego-Spieler war klar, dass es ein Baukasten rund um Robotik und Elektronik sein muss. Mehrere Semester hat er daran gebastelt, in der Diplomarbeit kam das Thema Sensorik dazu. Damit hat Oschütz unter anderem die Goldmedaille der Erfindermesse 2010 in Genf gewonnen.
Die Thüringer Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung (Stift) wurde auf den angehenden Designer aufmerksam und stellte Mittel zur Verfügung, um an der Fachhochschule Jena einen Prototyp bauen zu lassen. Seit März 2012 bereiten Oschütz und Guder sowie der Wirtschaftswissenschaftler Matthias Bürger mit Exist-Stipendien ihre Ausgründung vor. „Gerade arbeiten wir an der Realisierung einer Kleinserie von 1000 Stück“, erzählt Guder.
Neben der Fertigung und Vermarktung in Eigenregie will das Trio allerdings auch andere Möglichkeiten ausloten. Denkbar wäre, dass Lizenznehmer den patentierten Baukasten produzieren und vertreiben: „Wir sind in Gesprächen mit Spielzeug-Herstellern“, erzählt Guder. Mit der Kleinserie wollen er und seine Mitstreiter jedoch das Konzept selbst in der Praxis testen und dadurch ihre Verhandlungsposition gegenüber potenziellen Lizenznehmern und Investoren stärken.
Bei der Präsentation auf Messen und Konferenzen zog der Baukasten nicht nur Kinder und Eltern an. Auch Lehrer, Nerds und Naturwissenschaftler zeigten sich angetan, erzählt Guder. Da mehrere Bundesländer sich anschicken, Robotik auf den Lehrplan zu setzen, ist Kinematics sehr an Pädagogen-Feedback interessiert. Die Jungunternehmer sind fest überzeugt, dass es sich um didaktisch wertvolles Spielzeug handelt: „Was wir immer hervorheben, ist das Trial-and-error-Prinzip. Das ist wichtig für Jugendliche: alles ausprobieren, Fehler machen und aus denen lernen.“ Initiativen, die den Nachwuchs so früh wie möglich für MINT-Fächer begeistern wollen, sind ebenfalls ein denkbarer Absatzmarkt. „Mit dem VDIni-Club in Jena haben wir schon eine gemeinsame Veranstaltung durchgeführt“, so Guder.
Kooperationspartner aus der Wissenschaft und Industrierobotik sind auch willkommen. Vielleicht steuert ein Privatinvestor den als Startkapital noch benötigten sechsstelligen Betrag bei: Die Verhandlungen laufen bereits. Der offizielle Start ist für den Sommer 2013 geplant. Und möglicherweise liegt der Baukasten schon im nächsten Jahr unterm Weihnachtsbaum.
In der Pipeline hat Kinematics weitere Ideen für Zusatzbausteine. Gedacht ist etwa an Sensoren, damit die Roboter auf verschiedene Reize reagieren können. Details wollen die Jungunternehmer aus Angst vor Nachahmern nicht verraten, aber es würden sich neue Spielmöglichkeiten ergeben.
Eine andere Erweiterungsoption ist das „Kinematics Kraftwerk“. Solarzellen und Windräder im Spielzeug-Maßstab versorgen die Maschinchen mit selbst erzeugtem grünem Strom. Guder: „Somit kann man den Kindern und Jugendlichen nahe bringen: Wenn ich Energie verbrauche, muss ich irgendwie auch Energie reinstecken.“ MATILDA JORDANOVA-DUDA
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