Røros: Eine Bergwerkstadt entwickelt sich zur Filmdiva
Die Stadt Røros: Weltweit ist dieses Ensemble aus farbigen Holzhäusern einmalig. Normalerweise brannten solche Städte ab, Røros nicht. Die Unesco stellte die mittelnorwegische Stadt deshalb 1980 unter ihren kulturellen Schutz und läutete damit einen Strukturwandel ein, weg von der Industrie hin zu Film und Tourismus.
Røros lebte 330 Jahre vom Bergbau. Was genau abgebaut wurde, zeigt der Turm der Dorfkirche (1784), wo Schlägel und Eisen sich mit der Venus, dem Zeichen für Kupfer, treffen. Die Größe der Kirche mag heute überdimensioniert erscheinen. Sie ist aber nicht nur Ausdruck des einstigen Wohlstands, sondern zeigt auch die enge Verknüpfung zwischen Religion und Industrie. Denn es war die Idee des Minendirektors, dass alle 1600 Bewohner hineinpassen sollten.
Das Kupferbergwerk „Røros Kobberverk“ stellte 1977 den Betrieb ein. Wegen mangelnder Rentabilität, so hieß es. Mit der Schließung kam auch für die Kumpel das Aus. Einige von ihren Vorfahren hatten schon in fünfter Generation dort gearbeitet. Entweder unter Tage oder in der Schmelzhütte. Berufe, die vom Vater auf den Sohn vererbt worden waren.
Interessant aus deutscher Sicht: Einige von den ehemaligen Bergleuten haben deutsche Vorfahren. Am Ende des 17. Jahrhunderts waren diese als Experten gekommen. Vornehmlich aus dem Harz und dem Erzgebirge. Der dänische König, damals als Regent auch zuständig für Norwegen, hatte dazu aufgerufen.
Die deutschen Bergleute hinterließen einiges. Beispielsweise der norwegischen Sprache: Neben technischen Begriffen sind „Kumpel“ und „Glückauf“ geblieben. Selbst der Blick ins regionale Telefonbuch lohnt. Alte deutsche Nachnamen wie Hartz, Prösch oder Prytz sind durchaus keine Seltenheit. Und auch der Ort selbst hat profitiert. Denn Røros sieht zwar auf den ersten Blick sehr norwegisch aus, aber wer genauer hinschaut, wird eines Besseren belehrt. Die Struktur deutscher Zechensiedlungen ist durch die Immigranten nach Mittelnorwegen getragen worden. Farbenfrohe Holzhäuser gemischt mit kontinentaler Architektur.
Das Charakteristische am Ort ist, dass beide Straßenzüge miteinander verbunden sind. Jedes Haus hat einen Hinterhof, auf dem sich – wie bei den Zechenhäusern im Ruhrgebiet – Nebengebäude gruppieren: Scheunen, Stallungen, Waschküchen und Vorratsräume. Heute sind diese Innenhöfe idyllische Oasen, in denen, je nach Fläche, Handwerksbetriebe, Cafés oder originelle Ladengeschäfte untergebracht sind. Allein die Größe eines solchen Hofes lässt erkennen, in welcher Straße man gerade ist. Denn auf der schmalen Kirchstraße wohnten früher die Arbeiter und in der breiten Bergmannstraße der Direktor.
Auf diesen zwei wichtigsten Straßen, der Kjerkgata und der Bergmannsgata, reihen sich die Häuser im Wechsel der Farben aneinander: Ocker folgt auf Weiß und Naturholz auf Kupferrot. Nur wenn das Haus zur Blütezeit des Bergbaus eine besondere Bedeutung hatte, fällt schon einmal die Farbe aus dem Rahmen, wie das auffällige Pink an der Fassade der ehemaligen Bergwerksgesellschaft.
Ein Farbplan gehört dazu, den sich ein findiger Konservator in den 50er-Jahren ausgedacht hat. Mit dem erklärten Ziel, jedem Haus eine bestimmte Farbe zu geben. Die Eigentümer, die diesem Plan folgen, bekommen Pinsel und Farbtopf von der Stadtverwaltung bezahlt. Kein Wunder, dass Røros heute gerne als Filmkulisse genutzt wird. Ob die Winterszenen für „Pippi Langstrumpf“, „Nora und das Puppenheim“ oder das Weihnachtsprogramm von Walt Disney.
Der Strukturwandel hat auch die Quelle der einstigen Umweltverschmutzung nicht verschont. Die alte Schmelzhütte liegt nach wie vor mitten im Ort. Wo früher giftige Schwefelwolken den Himmel verdunkelten, dokumentiert das heutige Bergbaumuseum mit Modellen von Förderanlagen, Schaufelrädern, Hochöfen und Pferdetretmühlen, wie das Kupfererz in den verschiedenen Stufen der Industrialisierung verarbeitet worden ist.
13 km östlich von Røros liegt die alte Kupfermine. Drumherum findet sich eher untypisches Mittelnorwegen. Eine eigentümliche Mischung aus abgerodeten Flächen und bizarr-herber Schönheit. Alte Betriebsstätten aus Holz, die sich wie braune Scherenschnitte vom Horizont abheben. Und das alles wird durchschnitten von einer kilometerlangen, schmalen Piste, auf der schon von Weitem jedes Fahrzeug zu sehen ist. Die klare Gebirgsluft macht’s möglich.
Am Originalschauplatz der Mine selbst ist es feucht und düster. In 5 m Tiefe herrschen das ganze Jahr über gleichmäßige 5 °C. 500 m ist die Strecke lang, die für technisch Interessierte in der Olavsgrube präpariert wurde. Sie verbindet den alten mit dem neueren Teil.
Schon Mitte des 17. Jahrhunderts wurde im Nyberget Erz gefunden. Ein Stück tiefer, in der Olavsgrube, beförderte man vor 75 Jahren das erste Kupfererz mit modernen Methoden ans Tageslicht. Geblieben sind Gerätschaften, der minimalistische Pausenraum und riesige Säle, die an einen durchlöcherten Schweizer Käse erinnern. ANDREA TEBART
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