Schallwellen aus der Tiefsee können Tsunamis vorhersagen
Amerikanische Wissenschaftler haben einen bisher nicht vermuteten Zusammenhang zwischen Oberflächen- und Tiefseewellen entdeckt. Diesen wollen sie nutzen, um mit Hilfe von Schallwellen aus der Tiefsee Tsunamis frühzeitig erkennen zu können.
Die akustischen Gravitationswellen, um die es hier geht, sind nicht wie bei den kürzlich nachgewiesenen Einstein‘schen Gravitationswellen im All, sondern im Meer zu finden. Ausgelöst werden sie meist durch gewaltige Ereignisse in den Ozeanen wie Unterwasserbeben, Explosionen, Erdrutsche oder sogar Meteoriteneinschläge. Dann wandern die entstandenen Wellen mit Schallgeschwindigkeit um die Erde und wirbeln dabei auch das Wasser inklusive Nährstoffe, Salze und andere Partikel durcheinander.
Bisher glaubte man, dass solche Gravitationswellen in der Tiefsee mit den Oberflächenwellen, die wir etwa von einem Strand oder Schiff aus sehen können, in keinerlei Verbindung stehen.
Oberflächenwellen können tiefer liegende Schallwellen auslösen
Wissenschaftler am Mathematischen Institut des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben diese Annahme jetzt widerlegt. Das Team um Assistenzprofessor Usama Kadri hat die wesentlich langsameren Oberflächenwellen als weiteren möglichen Auslöser für die schnellen Akustikwellen in der Tiefsee erkannt und ihre Entdeckung im Journal of Fluid Mechanics veröffentlicht.
Nach der neuen Theorie können zwei Oberflächenwellen, die sich mit ähnlicher Frequenz aufeinander zubewegen, bis zu 95 Prozent ihrer ursprünglichen Energie an eine Schallwelle weitergeben, die sich weitaus schneller und tiefer bewegt. Diese Interaktion zwischen den verschiedenen Wellenarten würde man etwa an Kontinentalplatten erwarten, wo Tiefsee und flache Küste aufeinandertreffen und sich die Oberflächen-Wellen an den Platten brechen. Diese Kraft, glaubt Professor Kadri, könne eine wichtige Rolle für marine Lebensformen spielen, denn so würden Wassermassen umgewälzt und beispielsweise Temperaturunterschiede ausgeglichen.
An der Oberfläche spielt Gravitation eine Rolle, in der Tiefsee Kompression
Bisher sei man deshalb nicht auf die Idee gekommen, dass es eine Beziehung zwischen Oberflächenwellen und Schallwellen in der Tiefsee geben könne, weil die beiden Wellenarten sehr unterschiedliche Eigenschaften besitzen, sagt Kadri. Für eine Oberflächenwelle ist die Gravitation die entscheidende Kraft, während dies für eine Schallwelle kaum eine Rolle spielt.
Die akustische Welle, die eine Druckwelle ist, wandert durch das Wasser, indem dieses leicht komprimiert wird. Die beiden bisher vernachlässigten Komponenten der Schwerkraft und der Verdichtung haben die MIT-Wissenschaftler nun in ihre neue Wellenformel einbezogen.
„Die Theorie besagt bisher, dass zwei Oberflächenwellen, die sich aufeinander zubewegen und einander passieren, keinerlei Form von Energie austauschen“, sagt Kadri. Die Realität sei jedoch deutlich komplexer. Tatsächlich finde ein Energieaustausch statt, so dass durch die Interaktion der Oberflächenwellen eine akustische Welle, die völlig andere Eigenschaften habe, in der Tiefsee ausgelöst werden könne. „Das bedeutet auch, dass einiges von der Energie der Atmosphäre, etwa vom Wind und von der Sonne, in Form von Schallwellen durch die Ozeane wandert.“
Ein Tsunami-Frühwarnsystem soll entwickelt werden
Dieses neue Verständnis der Zusammenhänge will Kadri nun für die frühe Erkennung von Tsunamis anwenden. Gemeinsam mit dem Ozeanografischen Institut in Woods Hole in Massachusetts soll ein System entwickelt werden, dass die akustischen Gravitationswellen, die einem Tsunami vorauseilen und zehn Mal so schnell sind wie die eigentliche Welle selbst, rechtzeitig erkennt.
Mit einer ganz anderen Technik haben deutsche Ingenieure ein Frühwarnsystem für Tsunamis entwickelt. Es arbeitet bereits in Indonesien.
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