Seefahrt der alten Römer: „Bissula“ zeigt, wie antike Schiffe segelten
Forschende haben viele Daten mit einem nachgebauten römischen Handelsschiff gesammelt. Diese Informationen werden nun genutzt, um einen digitalen Routen-Atlas zu erstellen. Dieser Atlas wird es ermöglichen, die legendären Handelswege der Römer zu erkunden.
In einem Projekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, untersuchen die Trierer Forschende, wie der römische Seehandel funktionierte und wie leistungsfähig ein nachgebautes römisches Handelsschiff ist.
Auf den Spuren der alten Römer mit einem Digitalen Interaktiven Maritimen Atlas
Bald wird eine erste Version eines „Digitalen Interaktiven Maritimen Atlas“ veröffentlicht, der die Seerouten des damaligen Handelsschiffs simulieren wird. Das erklärte Christoph Schäfer, Althistoriker und Leiter des Forschungsprojekts, der Deutschen Presse-Agentur. Die Grundlage für diesen Atlas bilden die Daten, die das Team bei Testfahrten mit dem originalgetreu nachgebauten römischen Schiff vor etwa einem Jahr im Mittelmeer gesammelt hat.
Mit dem Nachbau erleben Forscher jetzt die spannende Welt eines römischen Handelsschiffes hautnah. Im Experiment testen sie, wie sich das Schiff unter verschiedenen Seebedingungen verhält und welche Winde es bei voller Ladung bewältigen kann. Wie gefährlich wird die Fahrt bei unterschiedlichen Winden? Wie verändert sich die Leistung des Schiffs je nach Beladung? Und wie viele Besatzungsmitglieder sind nötig, um das Schiff effizient zu betreiben?
Wie wurde das Schiff nachgebaut?
Für den Nachbau von Laurons 2 wurde das am besten erhaltene Wrack eines römischen Handelsschiffs ausgewählt. Dieses Schiff sank vermutlich gegen Ende des 3. Jahrhunderts nach Christus in der Bucht von Laurons nach einem Sturm. Der außergewöhnliche Erhaltungszustand des Wracks, vom Kiel bis zum Deck, ist im gesamten Mittelmeerraum einzigartig.
Für die Rekonstruktion sind Bilder und Texte meist nicht hilfreich genug, weil sie nicht detailliert genug sind. Für detailgetreue Nachbauten eignen sich Schiffswracks besser. Eine Ausnahme ist, wie bereits erwähnt, das Wrack „Laurons II“, dessen linke Seite fast vollständig erhalten ist. Wegen seines guten Zustands und seiner relativ kleinen Größe war es besonders geeignet für eine genaue Rekonstruktion. Wie auf der Seite der Universität erklärt wird: „Die Grundlage des Nachbaus bildet weitgehend die Publikation des Wracks von J.-M. Gassend et al. aus dem Jahre 1984, in welcher die Konstruktion mitsamt Maßen detailliert beschrieben und graphisch umgesetzt sind. Zur Klärung offener Fragen wurden Vergleiche mit anderen Schiffswracks angestellt.“
Die Rekonstruktion wurde nach der Shell-first- oder Mallenbauweise durchgeführt. Bei diesem Verfahren werden Schablonen (Mallen) in regelmäßigen Abständen auf dem Kiel angebracht, um die Innenlinie des Schiffskörpers zu bestimmen. Die Planken werden zunächst nur vorläufig angebracht. Um die bis zu 17 Meter langen Planken flexibel zu machen und der gewölbten Rumpfform anzupassen, werden sie vorher eingeweicht. Nachdem der Rumpf weitgehend mit Planken versehen ist, wird ein inneres Gerüst aus starken Eichenhölzern (Wrangen und Spanten) eingebaut, das die Mallen ersetzt. Die Planken sind durch falsche Federn und Holznägel am Spantsystem befestigt, was dem Rumpf Stabilität verleiht und Verformungen verhindert.
Für die Rekonstruktion wurden Holz von 10 Eichen, 13 Kiefern und zwei Weißtannen verwendet, die alle aus dem Waldbestand der Stadt Trier stammen, einschließlich des Holzes für Mast und Rah.
Vor fünf Jahren wurde das fertige Schiff von der damaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin feierlich auf den Namen „Bissula“ getauft.
Schwimmende Forschungsstation
Das 16 Meter lange Schiff ist nun eine schwimmende Forschungsstation und ermöglicht den Vergleich von Computersimulationen und realen Messfahrten.
„Wir können die Verläufe der Routen unter realistischen Bedingungen für die Kaiserzeit darstellen“, sagte der Forscher. Christoph Schäfer erklärte, dass für den digitalen Atlas 20 Jahre Wetterdaten aus den 1990er- und 2000er-Jahren verwendet werden. Diese Daten würden laut Klimaforschern den Verhältnissen der römischen Kaiserzeit entsprechen. So sei es möglich, die Fahrzeiten nahezu tagesgenau zu berechnen.
Der Forscher berichtete, dass man bei den mehrwöchigen Testfahrten mit dem Nachbau des Segelschiffs in der Bucht vor Cannes in Südfrankreich wichtige Daten zur Leistung des Schiffs gesammelt hat. Die „Bissula“ liege „erstaunlich stabil in der See“ und habe hohen Seegang gut überstanden, erzählte Schäfer. Früher hätten Studien lediglich nur Vermutungen darüber angestellt, wie römische Schiffe möglicherweise gefahren sein könnten.
„Bissula“ liefert Aufschlüsse über den römischen Seehandel
Nun soll die „Bissula“ dabei helfen, mehr über die Wirtschaft der römischen Kaiserzeit zu erfahren. Schließlich war der römische Handel ohne den Seehandel nicht möglich, da Güter wie Getreide, Olivenöl und Wein über weite Strecken im Mittelmeer, Atlantik oder der Nordsee transportiert werden mussten, um die Bevölkerung zu versorgen. Historiker haben nur wenige Informationen über diesen Seehandel. Durch die Messungen und Datenerhebungen mit der „Bissula“ sollen daher genaue Erkenntnisse über das Potenzial und die Intensität des römischen Seehandels gewonnen werden.
„Was wir nun berechnen, sind die optimalen Kurse, die antike Kapitäne mit diesem Schiffstyp erreichen konnten“, zitiert die dpa Worte des Historikers. So haben die Forschenden u.a. herausgefunden, dass eine Fahrt mit der „Bissula“ von Karthago in Nordafrika nach Rom in drei Tagen realistisch sei. Die Strecke von Rom zur ägyptischen Hafenstadt Alexandria habe hingegen neun oder zehn Tage in Anspruch genommen.
Weiterhin erklärten die Forschenden, dass der Schiffstyp „Bissula“ typisch für die römische Kaiserzeit gewesen sei und „sicher in großen Stückzahlen“ genutzt worden sei. Auf diesen Schiffen sei Getreide von Afrika nach Rom transportiert worden, während Olivenöl aus Spanien nach Rom gelangt sei. Im Wrack, das in den 1980er-Jahren bei Marseille entdeckt wurde und den Bau der „Bissula“ ermöglichte, seien zudem Amphoren für Wein gefunden worden.
„Bissula“ ist nur der erste Schritt
Der Wissenschaftler erklärte, dass die virtuellen Simulationen der „Bissula“ der erste Schritt von vielen seien. „Wir wollen auch andere Schiffstypen hinterlegen“, sagte Christoph Schäfer. Das bedeute jedoch nicht, dass weitere antike Schiffe in Originalgröße nachgebaut werden, da dies zu aufwendig sei. Stattdessen arbeite man jetzt mit Großmodellen, die im Verhältnis eins zu drei nachgebaut werden.
Um mögliche Abweichungen zu berücksichtigen, wurde auch ein Modell der „Bissula“ im Maßstab eins zu drei gebaut. Die Messdaten dieses Modells, die unter anderem auf der Mosel und auf dem Bostalsee im Saarland gesammelt wurden, sollen mit den Daten des Originalmodells verglichen werden. Auf Grundlage dieser Ergebnisse könnten in Zukunft auch 1:3-Modelle anderer Schiffstypen für Simulationen verwendet werden.
„So können wir dann den römischen Seeverkehr immer differenzierter erfassen“, resümiert Schäfer.
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