Schweizer Forscher entwickeln Batterien aus recycelten Rohstoffen
Mit mineralischen Abfällen und Schrott wollen Schweizer Forscher das Rohstoff-Dilemma der Lithium-Ionen-Batterien lösen.
Der große Erfolg der Lithium-Ionen-Akkus in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass die Nachfrage nach den Rohmaterialien, die für den Bau der Akkus erforderlich sind, stark zugenommen hat. Kobalt und Graphit, beides wichtige Rohstoffe für Lithium-Ionen-Akkus, sind jedoch nur begrenzt verfügbar. Die Europäische Kommission hat sie bereits im Jahr 2011 als kritische mineralische Rohstoffe eingestuft.
Die Endlichkeit von Kobalt und Graphit
Das Problem, dem Batterieentwickler weltweit gegenüberstehen ist, dass Kobalt nicht leicht zu ersetzen ist. Kobalt hat eine hohe Ladungsdichte, kann also im Vergleich zu anderen Materialien viel Energie auf wenig Raum speichern und bietet eine hohe Ladungszyklenstabilität. Da sich Batterien für Elektroautos, Tablets und Smartphones sehr ähnlich sind, dürfte die Nachfrage nach Kobalt und Graphit in den nächsten Jahren weiter zunehmen.
Deshalb läuft weltweit seit geraumer Zeit die Suche nach Ersatzmaterialien, die kostengünstig und gut verfügbar sind und keine technischen Nachteile beim Bau von Akkus mit sich bringen. Eine Forschergruppe der ETH Zürich und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) hat jetzt vielleicht eine Lösung für dieses Problem gefunden. Und das quasi direkt vor der Haustür. Die Forscher arbeiten intensiv an neuen Akkus, die aus Abfall-Graphit und Schrott-Metallen hergestellt werden sollen.
Die neue Batterie: Sicher trotz metallsicher Anode
Die Forschungsgruppe für funktionelle anorganische Materialien unter der Leitung von Maksym Kovalenko hat es sich zum Ziel gesetzt, Akkus zu entwickeln, die aus den häufigsten in der Erdkruste vorkommenden Elementen aufgebaut werden können. Dazu zählen beispielsweise Magnesium oder Aluminium. Beide Metalle bieten, so der Wissenschaftler Kostiantyn Kravchy, auch dann eine hohe Sicherheit, wenn die Anode aus reinem Metall hergestellt wird. Bei einem Lithium-Ionen-Akku wäre eine rein metallische Anode viel zu gefährlich.
Wie funktionieren Lithium-Ionen-Batterien überhaupt?
Herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus haben deshalb eine Anode aus Graphit und eine Kathode aus Kobaltoxid. Das sind die beiden Pole der Batterie. Zwischen der Anode als Minuspol und der Kathode als Pluspol sorgt ein flüssiges Elektrolyt dafür, dass die Lithium-Ionen im Inneren des Akkus zwischen den Polen hin- und herwandern können. Der Elektrolyt besteht aus Fluorphosphatsalzen, die in einem wasserfreien organischen Lösungsmittel, zum Beispiel Kohlensäuredimethylester, gelöst sind. Diese Elektrolyte sind brennbar.
Bei einem geladenen Akku sitzen die Lithium-Ionen zwischen den Graphitschichten der Anode. Sobald der Akku Elektrizität liefert, wandern die Lithium-Ionen durch den Elektrolyten zur Kathode und lagern sich dort in den Lücken des Kobaltoxidkristallgitters an. Ist der Akku entladen, befinden sich sämtliche Lithium-Ionen im Kobaltoxid der Kathode. Wird der Akku wieder aufgeladen, bewirkt der Ladestrom, dass Lithium-Ionen wieder zurück ins Graphit wandern.
So funktioniert die Schweizer Abfallbatterie
Damit eine Batterie aus Graphit und Metall funktioniert, muss die Elektrolytflüssigkeit auf das Metall abgestimmte Ionen enthalten. Es muss sichergestellt sein, dass sie bei Raumtemperatur nicht kristallisieren, also fest werden. In der sogenannten kühlen Schmelze können die Metallionen, eingehüllt in einer dicken Schicht aus Chloridionen, zwischen der Kathode und der Anode der Batterie hin- und herwandern.
Auch große Ionen aus organischen Chemikalien sind denkbar. Dadurch entsteht jedoch ein neues Problem. Die kleinen Lithium-Ionen eines Lithium-Ionen-Akkus passen problemlos in das Gitter des Metalloxids der Kathode. Bei großen Ionen ist das aber nicht möglich. Hinzu kommt, dass die Ionen negativ geladen sind, also die entgegengesetzte Ladung von Lithium-Ionen aufweisen. Die Lösung des Problems ist ein im Grunde simpler Trick: Die Forscher um Kovalenko haben das Prinzip des Lithium-Ionen-Akkus mit einer Anode aus Graphit und einer Kathode aus Metalloxid einfach umgekehrt. Bei der neuen Batterie bestehen die Kathode aus Graphit und die Anode aus Metall. In den Zwischenräumen des Graphits können sich die dicken Anionen problemlos einlagern.
Geringere Kosten dank Recycling von Industrieabfällen
Bei der Suche nach geeigneten Rohstoffen für die neuen Batterien ist das Forscherteam eher zufällig auf den bei der Stahlherstellung als Abfall anfallenden Graphit gestoßen. Der sogenannte Kish-Graphit eignet sich aufgrund seiner groben Struktur sehr gut als Kathodenmaterial. Abfall Graphit besteht aus Flakes, bei denen die Bruchkanten offen liegen. Kravchyk vergleicht dazu die Graphitschichten mit einem Stapel Papier. An den Kanten können die vergleichsweise dicken Metall-Ionen in das Graphit hineinwandern. Bei fein vermahlen Graphit ist dies nur sehr eingeschränkt möglich. Insofern eignet sich auch natürlich gewonnener Graphit, wenn er nicht zu fein vermahlen wird. Der Abfallgraphit ist jedoch wesentlich günstiger. Die Graphit-Kathoden-Batterie, zusammengesetzt aus Abfallstoffen hat also das Potenzial, wirklich preisgünstig zu sein.
Marktpotenzial der Graphit-Kathoden-Batterie
Sicher wird es noch einige Jahre Forschungsarbeit erfordern, bis die Graphit-Kathoden-Batterien marktreif sind. Dass sie aller Voraussicht nach langlebig sein werden, haben sie im Labor bereits unter Beweise gestellt. Ein Testsystem hat in einem ersten Langzeitexperiment tausende von Lade- und Entladezyklen ohne Problem überstanden. Kravchyk ist daher zuversichtlich, dass die Graphit-Kathoden-Batterie eines Tages jahrzehntelang im Haushalt funktionieren wird.
Doch Erfolgsmeldungen aus der Batterieforschung gibt es viele. Ob ein Hybrid aus Batterie und Superkondensator, eine umweltfreundliche Redox-Flow-Batterie als günstiger Speicher, Bakterien als Energiequelle oder eine Batterie, die dehnbar ist und damit in Textilien eingearbeitet werden könnte – wir haben schon einiges gehört und geschrieben und sind gespannt, welche der vorgestellten Forschungsergebnisse tatsächlich eines Tages auf den Markt kommen werden.
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