Smartphones können frühzeitig vor Erdbeben warnen
Dass die GPS-Empfänger in Smartphones Verschiebungen im Erduntergrund spüren können, haben sich amerikanische Erdbebenforscher zunutze gemacht. Sie haben eine App entwickelt, mit der ein nahendes Erdbeben frühzeitig festgestellt werden kann.
Smartphones und andere elektronische Geräte mit GPS-Empfänger könnten dabei helfen, herannahende Erdbeben vorherzusehen und entsprechende Warnungen abzugeben. Das ist vor allem für ärmere und weniger entwickelte Länder und Gebiete interessant, die sich keine kostspieligen Erdbeben-Frühwarnsysteme leisten können. Die einzige Voraussetzung für die Zuverlässigkeit des „ShakeAlert“ ist, dass die Handymessungen in einem Schwarm zusammenkommen.
Die Smartphones arbeiten im Schwarm
Während manche erdbebengefährdete Länder wie Japan oder die Westküste der USA äußerst aufwendige Frühwarnsysteme installiert haben, fehlen dazu vielen ärmeren Ländern häufig die finanziellen Mittel. Für sie könnte es in Zukunft eine Alternative geben. Die US-Behörde United States Geological Survey (USGS), die unter anderem Naturkatastrophen erforscht, hat gemeinsam mit einer Reihe amerikanischer Wissenschaftsinstitute in einer Studie eine Erdbeben-Frühwarnsystem entwickelt, in der Smartphones die zentrale Rolle spielen.
Die Idee dahinter ist, dass ein Netzwerk von Smartphones in einem Gebiet genügend Daten über Stärke und Ausbreitung eines herannahenden Erdbebens liefern kann. Die GPS-Empfänger sind nämlich in der Lage, die Bewegungen der sich im Untergrund verschiebenden Erde ab einer gewissen Stärke zu erkennen.
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass knapp 5000 freiwillige Teilnehmer in diesem Frühwarnsystem innerhalb einer Stadt ausreichen, um ein Erdbeben zumindest so frühzeitig zu erkennen, dass die Zeit ausreicht, um sich in Sicherheit zu bringen.
Das System misst die ersten Wellen eines Erdbebens
Tatsächlich kann das neue ShakeAlert nicht die hochentwickelten wissenschaftlichen Frühwarnsysteme für Erdbeben ersetzen, aber der Trick für die Funktionalität des Systems liegt in der Schwarmintelligenz. „Die Flotte der Mobiltelefone funktioniert wie eine Sensoren-Netzwerk“, sagt Bob Iannucci, einer der beteiligten Wissenschaftler der Carnegie Mellon Universität. „Viele unpräzise Instrumente können im Zusammenschluss eine präzisere Messung zustande bringen. Die Anwendung des ShakeAlert hat großes Potenzial, vor allem in Gegenden, in denen es kein Netzwerk an wissenschaftlichen Instrumenten gibt.“
Getestet haben die Autoren der Studie ihr Frühwarnsystem mit Daten des Erdbebens im japanischen Tohoku-oki mit der Stärke 9 und mit simulierten Daten für ein Erdbeben der Stärke 7. Dabei misst das System die sogenannten Primärwellen. Diese Wellen sind Verdichtungswellen, die sich bei einem Erdbeben als erstes ausbreiten. Die Teilchen im Boden werden geschoben oder gezogen und bewegen sich in der Ausbreitungsrichtung der Welle.
Das Frühwarnsystem per Smartphone springt erst ab Erdbebenstärke 7 an
Bei Stärke 7 liege auch ungefähr die Grenze, bei der die GPS Empfänger die Erdbewegungen registrieren können, sagen die Autoren der Studie. Zwar können auch Erdbeben mit geringerer Stärke potenziell großen Schaden anrichten, und das neue Frühwarnsystem würde im besten Fall eine Vorwarnzeit von wenigen Minuten geben. „Aber selbst eine Warnung von wenigen Sekunden kann helfen“, so die USGS. Etwa um eine schützende Ecke aufzusuchen, den Herd abzuschalten, Aufzugtüren zu öffnen oder schwierige Operationen zu unterbrechen. Weil die Geschwindigkeit des elektronischen Warnsystems schneller ist als das Erdbeben, können auch Gebiete, die außerhalb des Epizentrums liegen, gewarnt werden.
Falls eine Warnung auf dem Smartphone eintrifft, wäre dort auf einer Karte zu sehen, wo das Epizentrum liegt, wie hoch die Stärke des Erdbebens ist und wie viele Sekunden es dauert, bis das Beben am eigenen Standort eintrifft.
Das neue ShakeAlert soll an der Küste Chiles getestet werden
„Vor 30 Jahren brauchte es Monate, um ein grobes Bild von den Deformationen eines Erdbebens zusammenzustellen“, sagt der Seismologe und Mitautor der Studie Thomas Heaton. „Die neue Technologie verspricht, ein fast verzögerungsfreies Bild zu liefern mit einer wesentlich höheren Auflösung.“ Die amerikanische Agentur für Internationale Entwicklung will nun ein Pilotprojekt finanzieren, in dem ShakeAlert zeitgleich mit wissenschaftlichen Sensoren an der Küste Chiles getestet wird.
Ein Frühwarnsystem, das 30 Sekunden vor dem eigentlichen Beben anschlägt, hat auch der deutsche Ingenieur Jürgen Przybylak entwickelt. Es stellt im Boden die ersten Wellen fest und verschließt sofort Versorgungsnetze, um größere Schäden etwa durch austretendes Gas zu verhindern.
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