So kann man Offshore-Windkraftanlagen lautlos im Meer verankern
Windräder drehen sich auf hoher See fast lautlos im Wind. Ein Höllenlärm entsteht allerdings, wenn die Fundamente in den Meeresboden gerammt werden. Jeder Rammstoß ist mindestens 225 Dezibel laut und im Meer kilometerweit zu hören. Das ist vor allem für die lärmsensiblen Schweinswale eine Qual. Abhilfe schaffen kann ein neues Gründungsverfahren, bei dem die Fundamente mittels Unterdruck in den Meeresboden hineingesaugt werden.
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme (IWES) in Hannover haben eine Gründungsmethode erfolgreich getestet, bei der die Fundamente flüsterleise in den Meeresboden gesaugt werden. Rammschall entsteht bei dieser Gründung nicht. „Suction Bucket“, also „gesaugter Eimer“, wird die hohle, oben geschlossene Stahlkonstruktion genannt, weil sie mittels Unterdruck in den Baugrund gesaugt wird.
Das Prinzip ist einfach: Der „Eimer“ wird mit der offenen Seite auf den Meeresboden aufgesetzt und leergepumpt. Der auf dem Eimer lastende hydrostatische Druck presst das Bucket in den Meeresboden, wobei das Bodenmaterial im Eimer das Fundament stützt und es im Meeresboden verankert.
Und das geht schnell: Beim jetzt erfolgten Test in der Grundbauversuchsgrube der Leibniz-Universität Hannover war der unten offene Stahlkörper mit einem Durchmesser von 1,4 Meter innerhalb von einer Stunde im Boden verschwunden.
Offshore-Fundamente haben Durchmesser bis zu 15 Meter
Echte Offshore-Fundamente erreichen allerdings Durchmesser von 6 bis 15 Metern. Die Fundamentgründung mit Suction Buckets eignet sich ab einer Wassertiefe von 30 Metern, weil ab dieser Wassertiefe der Wasserdruck hoch genug ist. Generell funktioniert diese Methode nur in Sedimentböden.
Die Einsaugmethode wird in der Offshore-Praxis bereits eingesetzt. 2002 wurde ein Windrad auf einem so gegründeten Fundament im Hafen von Frederikshavn an der Norspitze Jütlands errichtet. Im Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 2 sollen 20 der 56 Windräder an Standorten mit größerer Wassertiefe mit Suction Buckets gegründet werden.
Das jetzt gestartete Demonstrationsprojekt dient den IWES-Forschern vor allem zur Kompetenzausweitung. Die Grube in Hannover ist 14 Meter lang, 9 Meter breit und 10 Meter tief. Sie ist für solche großmaßstäblichen Modellversuche hervorragend geeignet, denn sie bietet homogene Testbedingungen sowie einen für den typischen Nordseeboden repräsentativen sandigen Modellbaugrund.
Jeder Rammstoß lärmt mit mindestens 225 Dezibel
Die Fundamente von Offshore-Windkraftanlagen bestehen aus bis zu drei Pfeilern, die normalerweise einfach in den Meeresboden gerammt werden. Je nach Konstruktionstyp werden diese Pfeiler von mächtigen hydraulischen Rammen mit bis zu 3000 Schlägen in den Boden getrieben, damit ein Windrad mit einer Nabenhöhe von 80 Metern auch jederzeit sicher steht.
Jeder einzelne Rammstoß ist dabei mindestens 225 Dezibel laut und setzt sich als Schallwelle kilometerweit fort. Für die lärmsensiblen Schweinswale ist das unerträglich. Ihr Gehör wird ab einer Lautstärke von 200 Dezibel schwer beeinträchtigt. Zum Vergleich: Ein startender Düsenjet verursacht einen Lärm von 150 Dezibel.
160 Dezibel als Grenzwert für Unterwasser-Baustellenlärm definiert
„Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale können von dem enormen Schalldruck irreversible Gehörschäden davontragen“, sagt die Meeresbiologin Nadja Ziebahrt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Das ist deshalb fatal, weil für Schweinswale das Gehör der wichtigste Sinn ist. Sie kommunizieren per Schallwellen mit ihren Artgenossen, sie orten so ihre Beute und orientieren sich darüber in ihrer Umgebung.
Seit 2010 hat die Bundesregierung deshalb einen Grenzwert für Unterwasser-Baustellenlärm definiert. In einer Entfernung von 750 Meter von der Pfahlgründung darf ein Lärmwert von 160 Dezibel nicht überschritten werden. Und so testet die Offshore-Branche seitdem verschiedene lärmmindernde Verfahren. Ingenieure und Akustiker experimentieren beispielsweise mit Blasenschleiersystemen, die einen Vorhang aus aufsteigenden Luftblasen in der Wassersäule erzeugen, der die Baustelle umgibt und so abschirmt.
Fundament kann an einen Tag errichtet werden
Die Gründung mit Suction Buckets ist wesentlich eleganter, weil eben überhaupt kein Rammschall mehr entsteht, der aufwändig abgeschirmt werden muss. Zudem kann nach Ablauf der Lebensdauer des Windrades der „Eimer“ einfach entfernt werden, indem er wieder mit Luft gefüllt wird, damit er sich wieder aus dem Boden hebt. Ein weiterer Vorteil: Es muss kein schweres Installationsgerät aufs weite Meer hinaus geschleppt werden.
Zudem ist ein Fundament nach dem Suction Bucket Prinzip sehr rasch installiert. Eine vorbereite Tragstruktur mit den Buckets lässt sich an einem Tag errichten. Die große Herausforderung bei der Technologie ist die genaue Dimensionierung und Verteilung des Drucks. Auch eine Schiefstellung der Buckets muss unbedingt unterbleiben. „Es ist extrem wichtig, den Unterdruck genau zu überwachen, um Bodenschäden und eine Schiefstellung des Buckets zu vermeiden. Bei Offshore-Installationen wird daher mit vier getrennten Kammern im Bucket gearbeitet, um den Druck auszugleichen“, erklärt Projektleiter Tulio Quiroz vom IWES.
Zugbelastungstests stellen Einfluss extremer Wellen nach
Nun beginnen in Hannover die Zugbelastungstests. Mit diesen werden die Einwirkung extremer Wellen auf das Bucket nachgestellt. Es werden auch die Interaktion zwischen Meeresboden und der Stahlstruktur und der Einfluss des Installationsverfahrens auf die spätere Standsicherheit untersucht. Denn ganz egal, ob ein Fundament für eine Windkraftanlage auf dem Meer unter mächtigen Getöse in den Boden gerammt oder flüsterleise gesaugt wird: Ein sicherer Stand auch bei extremen Windverhältnissen muss bei jedem Windrad in einem Offshore-Windpark stets gewährleistet sein.
Ein Beitrag von: