Stärkstes Magnetfeld des Universums ermöglicht Blick auf den Urknall
US-Physiker haben mit Teilchenbeschleuniger am Brookhaven National Laboratory des US-Energieministeriums (DOE) ein Magnetfeld erzeugt, das so stark ist, dass die Effekte einen Einblick in den Kosmos direkt nach dem Urknall geben.
US-Forschende haben durch Versuche mit einem Teilchenbeschleuniger und den Daten aus Schwerionenkollisionen neue Einblicke in die elektromagnetischen Eigenschaften des Quark-Gluon-Plasmas (QGP) gewonnen. Dabei haben sie für eine sehr, sehr kurze Zeit das vermutlich stärkste Magnetfeld des Universums erzeugt. Das Magnetfeld hatte dabei eine extrem hohe Feldstärke von 1018 Gauß = eine Trillion Gauß. Zum Vergleich: Kühlschrankmagnete erzeugen ein Feld von 100 Gauß und das unsere Erde schützende Magnetfeld einen Wert von 0,5 Gauß. Die dichtesten Objekte im Universum, die Neutronensternen, haben hingegen „lediglich“ eine Feldstärke von 1014 Gauß. Die bei den Experimenten zu beobachtenden Effekte zeigen, was beim Urknall passiert sein könnte.
Das hat es mit dem Quark-Gluon-Plasma auf sich
In der Einleitung ist der Begriff Quark-Gluon-Plasma gefallen, womit wahrscheinlich nicht jeder etwas anfangen kann. Wir möchten daher eine kurze Einführung geben, damit Sie verstehen, worum es bei der Forschung des Brookhaven National Laboratory geht und warum diese so wichtig ist.
Die uns umgebende Welt besteht im Wesentlichen aus Atomen, die ihrerseits aus einem Kern aus Neutronen und Protonen und um diese kreisenden Elektronen aufgebaut sind. Neutronen und Protonen wiederum bestehen aus Quarks, die von Gluonen, den Trägerteilchen der starken Kraft, zusammengehalten werden. Diese Bindung ist so stark, dass die Quarks nicht isoliert werden können. Unmittelbar nach dem Urknall war die Situation jedoch anders.
Kurz nach dem Urknall, in den ersten Millionstel Sekunden, war die Energiedichte so hoch, dass Quarks und Gluonen nicht aneinander gebunden waren, sondern frei in einem Zustand existierten, der als Quark-Gluon-Plasma bezeichnet wird. Diese Phase war jedoch nur von kurzer Dauer. Mit der Abkühlung des Universums kondensierten diese Teilchen zu Protonen und Neutronen, aus denen schließlich die uns bekannte Materie entstand. Dieser Übergang war entscheidend für die weitere Entwicklung des Universums.
Heute können wir ein Quark-Gluon-Plasma nicht mehr in der Natur beobachten, aber es kann kurzzeitig in Teilchenbeschleunigern erzeugt werden. Dazu werden Protonen oder schwere Ionen wie Blei auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt und zur Kollision gebracht. Dabei entsteht für kurze Zeit ein Quark-Gluon-Plasma, das schnell zerfällt und Teilchen freisetzt. Diese Teilchen geben den Forschenden Einblick in die Bedingungen, die im Quark-Gluon-Plasma herrschen – also auch darüber, wie es nach dem Urknall ausgesehen hat.
Das haben die Forschenden herausgefunden
Die neue Studie der STAR-Kollaboration am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC), einem Teilchenbeschleuniger am Brookhaven National Laboratory des US-Energieministeriums, hat den ersten direkten Nachweis für die Auswirkungen extrem starker Magnetfelder auf die atomare Materie erbracht. So konnte das Forschungsteam beobachten, wie sich positiv und negativ geladene Teilchen nach Kernkollisionen im RHIC unterschiedlich verhalten.
Die in der Fachzeitschrift Physical Review X veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die starken Magnetfelder, die bei asymmetrischen Kollisionen entstehen, in den freigesetzten Quarks und Gluonen – den Bausteinen von Protonen und Neutronen – einen elektrischen Strom induzieren können. Diese Entdeckung eröffnet den Forschenden neue Wege, um die elektrische Leitfähigkeit des so genannten Quark-Gluon-Plasmas zu untersuchen und tiefere Einblicke in die elementaren Bausteine der Atomkerne zu gewinnen.
„Dies ist die erste Messung, die die Wechselwirkung zwischen einem Magnetfeld und einem Quark-Gluon-Plasma nachweist“, erklärt Diyu Shen, Physiker im STAR-Team an der Fudan-Universität in China und Koautor der Studie. Die Untersuchung dieser Wechselwirkung liefert direkte Hinweise auf das Vorhandensein starker Magnetfelder.
Stärker als ein Neutronenstern
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben schon lange vermutet, dass exzentrische Kollisionen von schweren Atomkernen, wie zum Beispiel Gold, extrem starke Magnetfelder erzeugen. Dies beruht auf der Hypothese, dass die Bewegung einiger Protonen und Neutronen – der Bausteine der Kerne -, die nicht direkt kollidieren, bei den fast lichtschnellen Zusammenstößen der Ionen ein starkes Magnetfeld erzeugen könnte. „Die positiven Ladungen, die durch diese Kollisionen in Bewegung gesetzt werden, könnten ein Magnetfeld von bis zu 1018 Gauß erzeugen“, erklärt Gang Wang, Physiker im STAR-Projekt an der University of California, Los Angeles.
Allerdings sind diese Magnetfelder flüchtig und zerfallen in weniger als 10-23 Sekunden, was ihre direkte Beobachtung erschwert. Um dennoch die Existenz und die Eigenschaften dieser kurzlebigen Magnetfelder nachzuweisen, konzentrierten sich die Forscherinnen und Forscher des STAR-Projekts auf die Untersuchung der Auswirkungen dieser Felder auf die Teilchen, die aus den Kollisionen hervorgehen. „Unsere Untersuchungen konzentrierten sich auf die kollektive Bewegung der geladenen Teilchen“, erklärt Wang.
Auch im Quark-Gluon-Plasma gibt es ein elektromagnetisches Feld
Obwohl sich das starke Magnetfeld so schnell wieder verflüchtigte, gelang es den Physikern, den Effekt des ultrastarken Magnetfelds auf das Quark-Gluon-Plasma zu beobachten. „Dies ist die erste Messung, die zeigt, wie das Magnetfeld mit dem Quark-Gluon-Plasma wechselwirkt“, sagt Koautor Diyu Shen von der Fudan Universität in China. Das Team interessierte sich besonders dafür, ob ein Magnetfeld im Quark-Gluon-Plasma ein entsprechendes elektromagnetisches Feld erzeugen kann und wie stark dieses wäre.
Die Messungen zeigten deutlich, dass die Wirbelwolke aus freien Quarks und Gluonen stark auf das Magnetfeld reagiert. Aihong Tang vom Brookhaven National Laboratory erklärt: „Wir beobachten ein Muster ladungsabhängiger Ablenkung, das eindeutig auf die Wirkung eines elektromagnetischen Feldes im Quark-Gluon-Plasma zurückzuführen ist. Dies ist ein eindeutiger Beweis für das Phänomen der Faraday-Induktion“. Daraus lässt sich schließen, dass das Quark-Gluon-Plasma eine außergewöhnlich hohe elektrische Leitfähigkeit besitzt.
Was tun mit dem neuen Wissen?
Das Forschungsteam hat bewiesen, dass Magnetfelder ein elektromagnetisches Feld im Quark-Gluon-Plasma (QGP) induzieren können. Was tun mit diesem neuen Wissen? Das Team beantwortet dies folgendermaßen: Diese Entdeckung ermöglicht es, die elektrische Leitfähigkeit des QGP zu erforschen. „Diese Leitfähigkeit ist eine grundlegende Eigenschaft“, erklärt Shen. Durch die Analyse der kollektiven Bewegung von Teilchen im QGP können Forscher die elektrische Leitfähigkeit bestimmen. Die Ablenkung der Teilchen zeigt direkt die Stärke des elektromagnetischen Feldes und somit die Leitfähigkeit im QGP, die bislang noch ungemessen blieb.
Die Erforschung dieser elektromagnetischen Eigenschaften des QGP bietet wichtige Einblicke in fundamentale physikalische Fragen. Beispielsweise könnten die Magnetfelder, die elektromagnetische Effekte im QGP erzeugen, eine Rolle bei der Trennung der Teilchen nach ihrer Chiralität spielen. „Unsere Studie liefert starke Hinweise auf das Magnetfeld, welches eine Grundlage für den ‚chiralen magnetischen Effekt‘ darstellt“, so Shen. Zudem beeinflussen das Magnetfeld und die elektromagnetischen Eigenschaften des QGP, wie sich freie Quarks und Gluonen zu Hadronen, den Bausteinen von Protonen und Neutronen, zusammenfügen.
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