Start ins mobile Leben mit 1,4 PS
Das Museum Sinsheim feiert den 60. Geburtstag der NSU Quickly. Mit dem Kultmoped erfüllten sich viele in der Ära des Wirtschaftswunders den Traum vom motorisierten Leben. Der Zweitakter hatte zudem einen großen Vorteil: Er konnte von jedem, der nicht gerade zwei linke Hände hatte, selbst repariert werden. Auch Polizei und Post waren mit dem knatternden Moped ausgerüstet.
Zu einem Familientreffen der besonderen Art haben sich im Auto- und Technik-Museum Sinsheim knapp fünfzig NSU Quickly aller Baujahre und Modellvarianten versammelt. Anlass ist der sechzigste Geburtstag des deutschen Kultmopeds, das 1953 auf der Internationalen Fahrrad- und Motorrad-Ausstellung sein Debüt gab. Die ersten Exemplare waren kaum mehr als bessere Fahrräder mit Hilfsmotor.
Dass sie dem Hersteller NSU, damals größte Motorradfabrik der Welt, dennoch regelrecht von den Bändern gerissen wurden, kann heute vermutlich nur noch die Rentnergeneration nachvollziehen. So mancher von ihnen erfüllte sich in der heraufziehenden Wirtschaftswunder-Ära mit der Quickly oder einem anderen Kleinmotorrad erstmals seinen Traum vom motorisierten Leben.
Die Quickly lief bis 1969 1,5 Millionen mal vom Band
Mit einem 1,4 PS (1 kW) starken 49-cm³-Einzylinder-Zweitakter, der über ein Zweiganggetriebe das Hinterrad antrieb, erreichte die Quickly rund 40 km/h Höchstgeschwindigkeit. Ihr 3,1 l großer Tank reichte bei einem Verbrauch von 1,5 l bis 2 l Zweitaktgemisch auf 100 km nicht nur für die tägliche Fahrt in Schule oder Büro, sondern auch noch für Sonntagsausflüge in die nähere Umgebung. Schon ein Jahr nach ihrer Premiere lief in Neckarsulm die hunderttausendste Quickly vom Band. Bis zum Produktionsende wurden es rund 1,5 Mio. Exemplare, das letzte fand 1969 seinen Käufer.
Beflügelt wurde der Verkaufserfolg der Quickly – und ihrer diversen Mitbewerber – durch neue Zulassungsvorschriften, die 1953 in Kraft getreten waren. Mopeds wie die Quickly mit maximal 50 cm³ Hubraum und 30 kg Eigengewicht (plus 10 % Toleranz) galten als Motorfahrräder. Sie waren nicht nur steuer- und zulassungsfrei, sondern erforderten bis 1961 noch nicht einmal einen Führerschein. Gas geben durfte jeder, der das sechzehnte Lebensjahr erreicht hatte. Dank der simplen Technik konnten kleinere Defekte von jedem selbst repariert werden, der nicht zwei linke Hände hatte. Für größere Reparaturen stand ein nach heutigen Maßstäben unglaublich dichtes Händlernetz von rund 7000 NSU-Betrieben allein in Deutschland bereit.
Ein Facharbeiter musste zwei Monate für eine Quickly arbeiten
Im Laufe ihres langen Lebens wurde die Quickly stetig weiterentwickelt und verfeinert. Zur Quickly N („Normal“) gesellte sich bereits 1955 die Quickly S („Spezial“) mit zusätzlicher Seitenstütze, Tachometer im Scheinwerfer, Chromfelgen und größerem 4,5-Liter-Tank. Mit 515 DM (263 €) kostete sie 50 DM mehr als das Basismodell. Bei einem Durchschnittsbruttolohn von 1,80 DM (0,92 € ) pro Stunde musste ein Facharbeiter gut zwei Monate lang schuften, um sich seinen Traum von individueller Mobilität zu erfüllen.
Wie ein geschrumpftes italienisches Sportmotorrad sah die Quickly-Version „Cavallino“ aus, die 1957 mit einem Dreiganggetriebe auf den Markt kam. Zwei Jahre später folgte die Quickly TT, eine modernisierte Cavallino mit 1,7 PS (1,25 kW). Ihre Modellbezeichnung „TT“ war eine Reminiszenz an die legendäre Tourist Trophy, das seit 1907 auf der Isle of Man ausgetragene Motorradrennen. 1960 löste die Quickly TTK, das erste Modell mit Kickstarter statt Pedalen, die Cavallino ab. Der Ende der sechziger Jahre abflauende Motorradboom brachte auch für die Quickly das Aus, nicht jedoch für ihr robustes Zweitakt-Herz. Das schlug noch viele Jahre lang in Gartenfräsen und Motorhacken der Firma Agria weiter.
„Wohl dem, der eine Quickly fährt!“
Kultstatus erreichten schon zu Lebzeiten der Quickly die witzigen Werbeslogans, die der kreative Werbe- und Pressechef von NSU, Arthur Westrup, höchstselbst dichtete und mit Illustrationen des kongenialen Grafikers Rudolf Griffel garnierte. Beispiel gefällig? „Viel‘ Sorgen auf den Käufer häuft / Ein Wagen, der auf Wechseln läuft / So mancher setzt aufs falsche Pferd / Wohl dem, der eine Quickly fährt!“
In der liebevoll gestalteten Sonderausstellung zeigt das Sinsheimer Museum nicht nur das gesamte Typenprogramm serienmäßiger Quickly, sondern auch Sondermodelle und skurrile Eigenbauten. So staunt der Besucher beispielsweise über zwei moosgrüne Dienst-Quickly, die 1958 an die Polizeidirektion Stuttgart ausgeliefert worden waren, oder eine gelbe Quickly mit gleichfarbigem Lastenanhänger für Zusteller der Deutschen Bundespost. Bastler mit Familienanhang waren damals selbst vor Seitenwagen-Anbauten nicht zurückgeschreckt.
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