BER, Elbphilharmonie & Co. 20.05.2015, 13:49 Uhr

Studie: Öffentliche Großprojekte im Schnitt 73 % teurer als geplant

Der negative Ruf öffentlicher Großprojekte wie dem Berliner Flughafen BER und der Elbphilharmonie kommt nicht von ungefähr: Nach einer Studie der Hertie School of Governance werden sie in der Regel sehr viel teurer und dauern erheblich länger als geplant: 170 Vorhaben seit 1960 hat die private Hochschule untersucht. Das Ergebnis: Die Diskrepanz zwischen Plan- und Mehrkosten liegt bei durchschnittlich 73 Prozent. 

Immer noch eine Baustelle: die rechts im Bild zu sehende Elbphilharmonie: Anfang Januar 2017 soll sie eröffnet werden – sieben Jahre später als zunächst errechnet. 

Immer noch eine Baustelle: die rechts im Bild zu sehende Elbphilharmonie: Anfang Januar 2017 soll sie eröffnet werden – sieben Jahre später als zunächst errechnet. 

Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Der Flughafen BER, die Bischofsresidenz in Limburg an der Lahn, die Elbphilharmonie und der Kühlturm des ehemaligen Kernkraftwerks Schneller Brüter in Kalkar sind nur einige Beispiele für öffentliche Großprojekte, deren Kosten völlig außer Kontrolle geraten sind. Kein Wunder, dass öffentlich finanzierte Projekte in Deutschland keinen guten Ruf genießen.

„Großprojekte in Deutschland – Zwischen Ambition und Realität“ lautet bezeichnenderweise der Titel der Studie. Die Berliner Hertie School of Governance hat dafür die Kostenentwicklung von 170 Großprojekten untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass die Fehlkalkulationen massiv sind und erhebliche Fehler bereits in der Planungsphase gemacht werden. 119 dieser Großprojekte wurden zwischenzeitlich fertiggestellt – mit Mehrkosten von 59 Milliarden Euro.

Berliner Flughafen BER: Fehler gleich zu Beginn

Als eines der Paradebeispiele gilt der Berliner Flughafen BER, der eine Kostenüberschreitung von 125 % erreicht hat. Ursachen für massive Kostenexplosionen sind nach der Hertie Studie oftmals eine falsche Projektorganisation sowie Fehler bei der Umsetzung.

Mangelndes Fachwissen des verantwortlichen Aufsichtsrates, ein fehlendes externes und unabhängiges Controlling sowie ein Verzicht auf ein Generalunternehmen führten beim BER dazu, dass der Steuerzahler für ungeheure Mehrkosten aufkommen muss. Durch externen Sachverstand, eine ausreichende Vorbereitungsphase und die Einplanung von unvorhersehbaren Pannen hätten Fehler vermieden werden können, heißt es in der Studie.

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BER: Der neue Berliner Flughafen gilt als Paradebeispiel für dumm gelaufene öffentliche Großprojekte: Der Bau dauert dreimal solange wie ursprünglich vorgesehen und die Kosten werden zu 125 % überschritten. 

BER: Der neue Berliner Flughafen gilt als Paradebeispiel für dumm gelaufene öffentliche Großprojekte: Der Bau dauert dreimal solange wie ursprünglich vorgesehen und die Kosten werden zu 125 % überschritten.

Quelle: Patrick Pleul/dpa

Ständige Planänderungen und Koordinierungsprobleme führten zu einem Kostenanstieg von 2,5 Mrd. Euro auf derzeit 5,4 Mrd. Euro. Auch der Zeitplan ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Statt der ursprünglichen zweieinhalb Jahre sind jetzt siebeneinhalb Jahre eingeplant.

Hamburger Elbphilharmonie: Kosten um 146 % gestiegen

Ein ebenfalls bekanntes Großprojekt mit Kostenexplosionen und Planungsproblemen ist die Konzerthalle Elbphilharmonie in Hamburg. Die Kostensteigerung liegt hier inzwischen bei 146 %. Die Konzerthalle wird anstatt der geplanten 352 Millionen Euro etwa 865 Millionen Euro kosten. Auch bei diesem Projekt fehlt ein unabhängiges Controlling.

„Die Elbphilharmonie ist kein Standard-Projekt, sondern zählt durch die aufwändige Architektur zu den generell risikoreicheren sogenannten Signature-Projekten. Planung und Organisation wurden diesem Anspruch aber in keiner Weise gerecht. Die Fehlerspirale wurde in erster Linie durch Selbstüberschätzung der Verantwortlichen und entsprechend überambitionierte Zielvorstellungen in Gang gesetzt“, urteilen die Autoren der Fallstudie Jobst Fiedler und Sascha Schuster.

Die Elbphilharmonie in Hamburg musste schon für zahlreiche Superlative herhalten. Nach Angaben des Hamburger Immobiliendienstleister Emporis belegt das Konzerthaus, dessen Baukosten mittlerweile bei 865 Millionen Euro liegen, Rang acht unter den zehn teuersten Wolkenkratzer der Welt. Eigentlich sollte es für 352 Millionen gebaut werden.  

Die Elbphilharmonie in Hamburg musste schon für zahlreiche Superlative herhalten. Nach Angaben des Hamburger Immobiliendienstleister Emporis belegt das Konzerthaus, dessen Baukosten mittlerweile bei 865 Millionen Euro liegen, Rang acht unter den zehn teuersten Wolkenkratzer der Welt. Eigentlich sollte es für 352 Millionen gebaut werden.

Quelle: Axel Heimken/dpa

Mit siebenjähriger Verspätung wurde jetzt der Eröffnungstermin bekannt gegeben. „Der Plan ist, dass dies am 11. Januar des Jahres 2017 geschehen soll“, sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bei einer ersten Besichtigung des Großen Saals.

Frühe Planungsfehler setzen Kostenspirale in Gang

Die Fallstudien zum BER und zur Elbphilharmonie haben gezeigt, dass hier von Anfang an etwas schief gelaufen ist. Frühe Planungsfehler setzen die Kostenspirale in Gang: „In beiden Fällen hätte ein Großteil der Kostenüberschreitungen nicht mehr verhindert werden können, nachdem die Projektorganisation falsch aufgesetzt und Verträge auf unzureichender  Planungsbasis geschlossen waren“, erklärt Autor Prof. Dr. Jobst Fiedler.

Elektronische Gesundheitskarte: Neun Jahre später

Doch nicht nur bei Großbauten läuft ganz erheblich etwas schief: Mit neun Jahren Verspätung ist die elektronische Gesundheitskarte erst seit 2015 im Einsatz. Und die Umsetzung hat Mehrkosten von 3,4 Milliarden Euro mit sich gebracht. Das entspricht einer Kostensteigerung von satten 208 %.

Schneller Brüter in Kalkar: 494 % Mehrkosten

Von wegen früher war alles besser: 471 Millionen Euro waren für den Kühlturm des ehemaligen Kernkraftwerkes in Kalkar geplant gewesen. Die Kosten stiegen auf 2,8 Milliarden Euro an – 494 % Mehrkosten. 1985 wurde der schnelle Brüter fertiggestellt, ging aber nie in Betrieb. Er gilt als eine der größten Investitionsruinen Deutschlands.

Offshore-Windparks: Kosten bleiben halbwegs im Rahmen

Dass es auch anders gehen kann, zeigen laut Studie die großen Offshore-Windparks. Mit nur 20 % Kostenüberschreitung stehen sie vergleichsweise gut da. Laut Hertie School of Governance ließ sich bei der Untersuchung von acht Offshore-Windparks belegen, dass es bei diesen Großprojekten zu einem deutlichen Lerneffekt in der Planungsphase von Bau und Installation kam.

Bringen eine frische Brise ins Bau-Elend: Offshore-Windparks werden zwar auch teurer als ursprünglich geplant, aber im Schnitt nur um 20 Prozent. Laut Studie kosten andere öffentliche Großprojekte 73 % mehr als anfangs vorgesehen.

Bringen eine frische Brise ins Bau-Elend: Offshore-Windparks werden zwar auch teurer als ursprünglich geplant, aber im Schnitt nur um 20 Prozent. Laut Studie kosten andere öffentliche Großprojekte 73 % mehr als anfangs vorgesehen.

Quelle: Ingo Wagner/dpa

„Mit einer mittlerweile vergleichsweise standardisierten Technologie und kürzeren Bau- und Installationszeiten sind die Windparks klar besser planbar“, so Niklas Anzinger, Autor der Teilstudie zum Offshore-Ausbau. Und der Leiter der Studie Prof. Dr. Genia Kostka zieht das Fazit: „Durch Großprojekte mit explodierenden Kosten droht die Politik an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Unsere Forschungen zeigen, dass man wirksam gegensteuern kann.“

 

Ein Beitrag von:

  • Petra Funk

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