„Technologie-Know-how muss in klare Marktziele überführt werden“
Unternehmen mit effektivem Engineering und dem Blick für Marktbedürfnisse sind gestärkt aus der zurückliegenden Krise hervorgangen, stellt das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart fest. Doch vor dem Markterfolg müssten oft Unternehmensstrukturen umgebaut und neu ausgerichtet werden, erläutert Hans-Joerg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, München.
VDI Nachrichten: Herr Bullinger, was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für technologieorientierte Unternehmen?
Bullinger: In unserer aktuellen Fraunhofer-Studie „Erfolgreiche Technologieentwicklung“, an der 135 Technologienunternehmen teilnahmen, haben wir unter anderem diese Fragestellung untersucht. Es hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die auf marktorientierte Technologieentwicklung und technologieorientierte Kompetenzvernetzung setzten, gestärkt aus der Krise kamen. Bei diesen Unternehmen wurde festgestellt, dass ihre Umsätze deutlich über Vorkrisenniveau lagen, im Unterschied zu den Unternehmen, die nicht darauf gesetzt haben.
Was zeichnet die besten Technologieunternehmen aus?
Exzellenz in der Technologieentwicklung bedeutet, in der Lage zu sein, technische Neuerungen mit deutlichem Produkt- bzw. Kundennutzen schnell und effizient umzusetzen. Die Technologieentwicklungen müssen sich einerseits an den Kundenwünschen orientieren und andererseits einer kontinuierlichen Weiterentwicklung genügen. Dazu ist es nötig, umfassende Kenntnisse über zukünftige Produktanforderungen zu erlangen. Für Technologieentwicklungsprojekte muss dieses Wissen in klare Ziele überführt werden. Kompetenzvielfalt ist entscheidend. Dafür bedarf es flexibler Organisationsstrukturen, damit sich schnell interdisziplinäre Teams bilden können, und Kompetenz, ein Gesamtsystem zu entwickeln, das die Kundenanforderungen erfüllt.
Wie kommt es zu neuen Technologieentwicklungen?
Häufigste Auslöser sind die Marktveränderungen bzw. die Veränderungen der Kundenbedürfnisse. Wenn dann noch neue technische Erkenntnisse von außerhalb des Unternehmens auf die Kreativität der Beschäftigten treffen oder die strategischen Marktwachstumsziele Neuerungen fordern, dann kommt es in den meisten Fällen zur Initiierung von Technologieentwicklungsprojekten.
Kann Technologieentwicklung quer durch das Unternehmen besser gefördert werden?
Ich erfahre häufig, dass mittelständische Firmen, die in den letzten Jahren stark gewachsen sind, ihre Aufbau- und Ablauforganisation nicht an diese gestiegene strukturelle Komplexität angepasst haben. Die Festlegung eines klaren Technologieentwicklungsprozesses und die Ausrichtung der Organisation darauf ist dann notwendige Voraussetzung für mehr Leistungsfähigkeit. Zudem spielen die Verzahnung mit dem Innovationsprozess und das Öffnen nach außen für neue Impulse und Kooperationen eine wichtige Rolle.
Wie sieht Technologieentwicklung morgen aus?
Wenn deutsche Technologieunternehmen auch in Zukunft bestehen wollen, müssen sie um das besser werden, was die anderen billiger sind. Und besser werden heißt, zu wissen, was die besten Unternehmen anders machen und wo diesbezüglich die eigenen Stärken und Schwächen liegen, um dann gezielt Verbesserungen umsetzen zu können. Die Systematik mit Benchmarkdaten existiert bereits heute mit dem Fraunhofer Inno Audit zur Steigerung der Innovationsfähigkeit und dem Tech Audit zur Verbesserung der Technologieentwicklungsfähigkeit. Die Technologieentwicklung der Zukunft ist sicherlich geprägt durch einen hohen Einsatz von ressourcenschonenden digitalen Systemen, die sowohl das Engineering als auch die verteilte Zusammenarbeit unterstützen und zwar an jedem Ort und zu jeder Zeit.
Wo sehen Sie international noch vielversprechende Erfolgsfelder für deutsche Unternehmen?
Das Wachstum in den BRIC-Staaten ist enorm – und wir sollten verstärkt daran teilhaben. Die Herausforderung ist dabei, schnell auf die raschen Marktveränderungen in diesen Staaten reagieren zu können. Wir müssen entsprechende Unternehmensstrukturen schaffen, die eine schnelle Umsetzung von Anforderungen in technische Lösungen ermöglichen werden und den spezifischen Bedürfnissen dieser Märkte entsprechen.
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