Tendenz zur Globalisierung von Forschung setzt sich fort
Seit Jahren gibt es einen starken Trend zur internationalen Arbeitsteilung bei Forschung und Entwicklung. Deutschland tauscht sich bisher hauptsächlich mit dem Westen aus. Doch die aufstrebenden Schwellenländer stellen interessante neue Absatzmärkte dar, in denen zu forschen sich lohnt.
Der Kampf um die Märkte der bevölkerungsreichen Entwicklungs- und Schwellenländer nimmt immer mehr Fahrt auf.
Nach Auffassung von Continental-Vorstandschef Elmar Degenhardt wird „China der Markt für Elektromobilität schlechthin sein“ – und nicht etwa die USA oder Deutschland. Deshalb würde die Technik für die chinesischen Konsumenten auch vor Ort entwickelt (VDI nachrichten 2/2011).
Tatsächlich lässt sich mit Zahlen belegen, dass Deutschland zusehends Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen aus dem Ausland importiert. Zugleich steigt aber auch die FuE-Ausfuhr der Bundesrepublik in andere Länder.
Die Einfuhr von FuE-Leistungen hat in den vergangenen Jahren um durchschnittlich 9 % zugelegt, wie eine Studie von Deutsche Bank Research, die sich unter anderem auf Untersuchungen der Bundesbank und der europäischen Statistikbehörde Eurostat stützt, zeigt.
Das Gesamtaufkommen an FuE-Leistungen der in Deutschland forschenden Unternehmen betrug im Jahr 2008 nach Angaben des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft etwa 57,3 Mrd. €.
Die Bundesrepublik importierte FuE-Leistungen für 5,3 Mrd. €, vorwiegend aus der EU (55 %) und den USA (24 %).
Allerdings exportierte Deutschland auch FuE-Leistungen in Höhe von 8,1 Mrd. €. Das bedeutet einen FuE-Überschuss von 2,8 Mrd. €. Vom gesamten FuE-Export gingen etwa 36 % in die USA, 35 % in die EU, 16 % nach Asien und 13 % in die restlichen Länder der Erde.
Darüber hinaus lässt sich an der Zahl der gehandelten Patente und Lizenzen die Entwicklung zur internationalen Verzahnung von FuE verfolgen. Sie schützen zumeist begehrte, produktionsreife Technologien. Ausgenommen bleiben dabei jene Patente, die nur beantragt werden, um Konkurrenten zu blockieren. Bei Wachstumsraten von 6 % in den vergangenen Jahren importierte Deutschland 2008 Patente und Lizenzen im Wert von 8,2 Mrd. €. Fast die Hälfte der Summe entfiel auf Einfuhren aus den USA, darunter auch Lizenzen für Computer-Software, Filme und Musik.
Der Großteil der exportierten Patente im Wert von 6 Mrd. € geht in andere Länder der EU (2,5 Mrd. € oder 42 %), gefolgt von den USA (22 %).
Gegenüber den Vereinigten Staaten besteht somit ein erhebliches Defizit von 2,6 Mrd. € im Patenthandel.
Um ihre Rolle als Spitzenreiter bei Patenten und Lizenzen zu halten, sind die USA jedoch auf Unterstützung ihrer ausländischen Partner bei Forschung und Entwicklung angewiesen: Deutschland behauptet gegenüber den USA einen FuE-Überschuss von 1,7 Mrd. €.
Das enorme Wachstum der Im- und Exporte von FuE, Patenten und Lizenzen steht für ein hohes Maß an internationaler Integration im Bereich der Innovationen. Diesen sich verdichtenden Handelsströmen konnte auch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise nicht ernstlich etwas anhaben.
Besondere Dynamik offenbaren bei der Globalisierung von Forschung und Entwicklung die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Erde. Die FuE-Exporte Indiens und Chinas in die Europäische Union haben sich seit 2004 etwa verdreifacht. Das Reich der Mitte war 2008 bereits Netto-Exporteur von Forschung in die EU.
Während früher FuE in den Schwellenländern überwiegend dazu diente, für den westlichen und japanischen Markt entworfene, hochentwickelte Produkte lediglich an die Bedürfnisse der aufstrebenden Entwicklungsländer anzupassen, spielen die vielköpfigen Bevölkerungen einiger aufstrebender Volkswirtschaften mit wachsendem Wohlstand und besserer Bildung auch eine immer wichtigere Rolle als Abnehmer und Entwickler von Hightech-Gütern.
So ist die globale Hierarchie in Sachen Forschung und Entwicklung bereits heute auf dem Weg sich umzukehren: Der chinesische und der indische Markt werden zunehmend Taktgeber für Innovationen.
Fachleute sehen die E-Mobilität als erstes größeres Beispiel für diese Entwicklung. Sie erwarten, dass schon hier Know-how aus der Forschung für den chinesischen Markt in die Entwicklung von Fahrzeugen für die Kunden in Europa, Japan und in den USA einfließt.
Eine akute Gefahr für die deutsche und europäische Forschung sieht Thomas Meyer, einer der Autoren der Studie von Deutsche Bank Research aber nicht. „Die Forschung in den Schwellenländern ist hauptsächlich als Ausdruck des Expansionswillens der Unternehmen zu verstehen. Eine Abwanderung der Forschung aus Deutschland befürchte ich im Moment kaum.“ PHILIPP HUMMEL
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