Wissenschaft 14.10.2011, 12:06 Uhr

Thinktanks zwischen Unabhängigkeit und Lobbyismus

Thinktanks, sogenannte Denkfabriken, sind zum festen Bestandteil der Forschungslandschaft geworden. Oft ist aber unklar, welche Interessen hinter einem Institut stecken.

Im Frühsommer 2010 machten die Ergebnisse einer Studie eines renommierten Wirtschaftsforschungsinstituts eine beachtliche Medienkarriere. Der Ausbau der erneuerbaren Energien, so die These der Untersuchung, würde hierzulande auf lange Sicht die Strompreise massiv in die Höhe treiben. Viele Medien griffen das Thema auf. „Solarstrom – teuer und ineffizient“, titelte eine angesehene Tageszeitung.

Das ARD-Politikmagazin „Monitor“ leuchtete deshalb die Hintergründe der Studie aus – mit erstaunlichen Ergebnissen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hatte sich die Studie von einem US-amerikanischen Thinktank sponsern lassen, dem in Houston (Texas) ansässigen Institute of Energy Research. Nicht nur der Sitz des Instituts im Herzen der US-Ölindustrie hätte stutzig machen sollen, sondern auch die Finanzierung dieses Instituts. Zu den großen Geldgebern zählte lange Jahre der Ölkonzern Exxon Mobil. Und der CEO des Instituts, Robert L. Bradley, hat eine Vergangenheit beim skandalumwobenen Mischkonzern Enron, der unter anderem in der Erdgasförderung aktiv war.

Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) nimmt Thinktanks genauer unter die Lupe

Bei Thinktanks lohnt es sich also, genauer hinzuschauen. Das macht nun das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Es baut unter der Federführung des Politikwissenschaftlers Dieter Plehwe eine Datenbank über Thinktanks in aller Welt auf, die im Internet Forschern, Journalisten und anderen Interessierten umfangreiche Informationen über diese neuen Forschungseinrichtungen anbietet. In einem Blog werden zudem aktuelle Fragen zu Thinktanks diskutiert – und auch der Missbrauch von Wissenschaft zu Lobbyzwecken aufgedeckt, wie im Falle des zitierten Energieberichts.

Rund 6300 Denkfabriken oder Thinktanks gibt es derzeit in aller Welt, wie der US-amerikanische Politikwissenschaftler James McGann erfasst hat, etwa 2000 davon befinden sich in Europa. Dieter Plehwe unterscheidet zwei Typen von Thinktanks – die „advokatorischen“ und die „akademischen“. Während die akademischen Denkfabriken Grundlagenforschung auf Feldern vornehmen, die von den etablierten Hochschulen und Forschungseinrichtungen wenig berücksichtigt oder sogar vernachlässigt werden, haben die advokatorischen Thinktanks einen ausdrücklich parteiischen Ansatz. „Ihnen geht es um mit wissenschaftlichen Argumenten gestützte politische Interventionen“, sagt Plehwe. „Das sind häufig Organisationen, die von Lobbyverbänden nur schwer abzugrenzen sind.“

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Nicht selten: Thinktanks als Argumentationslieferanten für die Politik

Besonders aktiv sind in den vergangenen Jahrzehnten Denkfabriken gewesen, die der Politik Argumentationshilfen im Sinne neoliberaler Marktideologie geleistet haben. Viele von ihnen sind im Atlas-Netzwerk miteinander verknüpft, das die Atlas Economic Research Foundation in Washington gegründet hat und das nach eigener Aussage „eine friedliche und prosperierende Gesellschaft von freien und selbstverantwortlichen Individuen“ auf der Basis des „freien Marktes“ anstrebt. Auch die sogenannten Klimaskeptiker, die mit wissenschaftlichen Mitteln das Vorhandensein des Klimawandels zu widerlegen versuchen, stützen sich auf Denkfabriken, die miteinander vernetzt sind.

Häufig sind es wissenschaftliche Positionen, die im akademischen Mainstream nicht vertreten sind und deshalb zur Gründung eigener Stiftungen oder Forschungsinstitute führen. Das kann in die sektiererische Sackgasse führen, im günstigen Fall aber auch Perspektiven für völlig neue wissenschaftliche Forschungsfelder und Disziplinen eröffnen.

„Leider wird in der öffentlichen Diskussion viel zu selten gefragt, wer der Auftraggeber und was das erkenntnisleitende Interesse von bestimmten Studien ist“, bemerkt Dieter Plehwe vom WZB. „Das beeinträchtigt den Umgang mit Studien in Medien und öffentlichen Debatten.“ Wichtig sei, dass Thinktanks sich untereinander vernetzen, um die Wirkung ihrer Erkenntnisse und Studien zu fördern und auch um schließlich Kontakte zu Entscheidungsträgern herzustellen. Offensichtlich waren hierbei in den vergangenen Jahren vor allem die neoliberalen Thinktanks erfolgreich.

Unabhängige Thinktanks betreiben ergebnisoffene Forschung

Wie erkennt man nun, ob eine Denkfabrik tatsächlich der unabhängigen Forschung verpflichtet ist oder aber interessegeleitet vorgegebene Positionen zu befördern trachtet?

Udo Ernst Simonis, emeritierter Professor am WZB und Kurator am Freiburger Öko-Institut, einer Denkfabrik für Umweltfragen, nennt eine einfache Faustformel: „Man muss sich das Institut daraufhin anschauen, ob es eine fragende Forschung betreibt, also ergebnisoffen forscht. Oder ob es Leute sind, die nur Antworten präsentieren.“

Ein Beitrag von:

  • Johannes Wendland

    Johannes Wendland ist freier Journalist und schreibt für überregionale Magazine, Zeitungen und Online-Medien u.a. über Wirtschaftsthemen, Raumfahrt und IT-Themen.

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