Trampolineffekt lässt Wasser von Flugzeugen abperlen
Schweizer Wissenschaftler haben in einem ungewöhnlichen Experiment herausgefunden, wie Oberflächen strukturiert werden müssen, damit sie Wasser aktiv abstoßen. Das könnte Hochspannungsleitungen und Flugzeuge vor Vereisung schützen. Bisher klappt das allerdings nur bei Unterdruck.
Das ist ja wie Zauberei, könnte man denken. In den Labors der ETH Zürich lassen sich Wassertropfen beobachten, die plötzlich den starren Untergrund aus Silizium verlassen und in die Höhe springen. Wenn sie erneut auf die Platte treffen, machen sie einen weiteren Satz und springen noch höher. Das geht so, bis die Tropfen verdampft sind.
Dampfantrieb für Wassertropfen
Verdampft. Das ist die Lösung. Dimos Poulikakos, Professor an der ETH Zürich und seine Mitarbeiter im „Labor für Thermodynamik in neuen Technologien“ fanden heraus, dass Wasserdampf den Tropfen hüpfen lässt wie einen Trampolinspringer, wenn das Experiment bei Unterdruck stattfindet. Das brachte ihn auf eine Idee, die künftig das aufwendige Abtauen vereister Flugzeuge überflüssig machen könnte.
Wenn es gelänge, den Effekt auch bei Normaldruck zu erzielen, blieben Tropfen auf Oberflächen nicht mehr haften, sondern würden weggeschleudert. An entsprechend beschichteten Hochspannungsleitungen könnte sich dann kein Eis mehr bilden, was im Winter immer wieder dazu führt, das Leitungen beschädigt werden und die Stromversorgung unterbrochen wird. Im November 2005 brachen im Münsterland Hochspannungsmasten reihenweise unter der Eislast zusammen. 50.000 Menschen waren tagelang ohne Strom und Heizung.
Trampolin aus mikrometergroßen Säulen
Um herauszufinden, welche Kraft die Tropfen immer höher hüpfen lässt, was eigentlich den Gesetzen der Physik widerspricht, analysierten Poulikakos und seine Mitarbeiter Tom Schutzius und Stefan Jung akribisch die Bewegungen eines Tropfens. Außerdem analysierten sie die Temperaturänderungen im Inneren des Tropfens mit einer Wärmbildkamera.
Dabei fanden die Forscher heraus, dass nicht nur der natürlich entstehende Wasserdampf für den raketenartigen Antrieb verantwortlich ist, sondern auch die Struktur der Unterlage. Sie muss eine gewisse Rauigkeit haben, damit der Tropfen nicht darauf kleben bleibt. Sie darf aber auch nicht zu stark strukturiert sein, weil sonst der Dampf seitlich entweicht und nichts mehr fürs Hochschleudern übrig bleibt. Mikrometergroße Säulen dicht an dicht, so fanden die Forscher heraus, bilden das beste Sprungtuch für Wassertropfen. Bei sich gerade bildenden Eiskristallen funktioniert es auch.
„Aus unseren Forschungsergebnissen können wir ableiten, wie Oberflächen generell beschaffen sein müssen, um Wasser und Eis energisch abzustoßen, und sie dann entsprechend designen“, sagt Poulikakos. Jetzt arbeiten er mit seinem Team daran, die Oberflächen zu modifizieren, um den gleichen Effekt auch bei normalem Luftdruck zu erzielen.
Dann könnten beispielsweise auch Flugzeugrümpfe entsprechend beschichtet werden, um die gefürchtete Eisbildung zu verhindern. Die wasserabstoßende Haut müsste allerdings enorm widerstandfähig sein, um die hohe Belastung durch Luftreibung und Temperaturwechsel dauerhaft zu überstehen.
Lotus-Oberflächen funktionieren schon
Eine ähnliche Wirkung hat der Lotus-Effekt. An speziell strukturierten Oberflächen perlt Wasser einfach ab. Vorbild ist das Lotusblatt. Realisiert werden solche Oberflächen bisher bei Sanitärkeramik und gläsernen Duschwänden. Es funktioniert auch auf Metall, aber nicht dauerhaft.
Ein Beitrag von: