Unsaubere Messmethoden rechnen Ozeane schmutzig
Sind unsere Meere gar nicht so dreckig, wie befürchtet? Eine Studie der TU Wien schreibt einen Teil der Verunreinigungen den Messmethoden der Forscher zu.
Unsere Meere sind gigantische Müllhalden. Stündlich, so schätzt die Meeresschutzorganisation Oceana, werden 675 Tonnen Müll in ihnen abgeladen, ein Großteil davon Kunststoffe. Wissenschaftler konnten bisher annähernd 2.000 Kunstfasern etwa aus Kleidungsstücken identifizieren, die sich im Meer tummeln. Einige von ihnen waren sogar in großer Tiefe gefunden worden. Doch nun zweifeln Forscher aus Wien genau diese Ergebnisse an.
Unsaubere Arbeit statt dreckiger Meere
„Wenn man in Wasserproben nach Kunststoffen sucht, dann besteht immer die Gefahr, dass die nachgewiesenen Substanzen gar nicht aus der Probe selbst stammen, sondern aus der Laborumgebung“, erklärt Bernhard Lendl, Professor am Institut für Chemische Technologie und Analytik an der TU Wien. Ein altbekanntes Problem bei jeder Laboruntersuchung, dem die Meereswissenschaftler in der Regel durch Reinräume, Laborkitteln aus Natur- statt Kunststofffasern und eine besondere Sorgfalt begegnen. Diese Vorsicht aber wurde durch die Messmethoden häufig wieder über den Haufen geworfen.
Die Wissenschaftler der TU Wien haben frühere Studien zur Verschmutzung der Meere untersucht und festgestellt, dass einige der verwendeten Messtechniken gar nicht zwischen Natur- und Kunstfasern unterscheiden können. Was man für Plastik aus der Meeresprobe hielt, kann also genauso gut Naturfaser vom Labormantel sein. Die Folge: Viele Kolleginnen und Kollegen könnten unsauber gearbeitet haben und die Meere so schmutziger gerechnet haben als sie tatsächlich sind.
Viskose, Baumwolle, Kunstfaser – was schwimmt da wirklich?
Als Naturfaser setzt die Modeindustrie gerne Viskose ein, eine holzbasierte Zellulosefaser. Sie ähnelt optisch der Baumwolle und ist wie sie biologisch abbaubar. Sie lässt sich aber nur durch spezielle Analysemethoden von Kunstfasern unterscheiden – ein Umstand, der viele Messergebnisse verfälscht haben dürfte.
Denn üblicherweise nutzen Wissenschaftler die Infrarot-Spektroskopie, um Überreste von Kunststoffen in Meerwasserproben aufzuspüren. Das funktioniert, weil verschiedene chemische Substanzen die Strahlen des Infrarotlichtes unterschiedlich absorbieren. So können Wissenschaftler jeder Chemikalie einen eigenen Infrarot-Fingerabdruck zuweisen und damit sein Vorkommen in einer Probe nachweisen. Doch damit sei „eine Unterscheidung von Kunstfasern und natürlichen Substanzen einfach nicht möglich“, so Lendl.
Verschmutzung der Meere ist dadurch nicht gebannt
Die Ungenauigkeiten werden vermutlich zu anderen Analysemethoden oder Nachweisverfahren führen. Das, darauf weisen die Wiener Forscher explizit hin, gab es schon zuvor. Auch bei Bier- und Honigproben hatte es ähnliche Fälle von Laborkontaminationen gegeben. Auch dort waren Mikroplastikpartikel nachgewiesen worden, die sich später als Kittelfasern identifizieren ließen.
Was sich durch diese Erkenntnis aber nicht ändert, ist die Tatsache, dass auf und in unseren Ozeanen tonnenweise Müll schwimmt, der von Tieren aufgenommen wird und die Umwelt kontaminiert. Die Wiener Wissenschaftler zweifeln allerdings an, dass die Verschmutzung mit Mikroplastikpartikeln in großen Tiefen so gravierend ist, wie befürchtet. „Unseren Ergebnissen nach dürfte es sich bei den angeblich in großer Meerestiefe gefundenen Kunstfasern einfach um einen Messfehler handeln.“
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