Gigantische Technosphäre 02.12.2016, 12:20 Uhr

Vom Menschen erschaffene Objekte wiegen 30 Billionen Tonnen

Der Mensch macht und tut: Ein internationales Forscherteam hat abgeschätzt, was wir bereits alles an technischen Objekten erschaffen haben. Und das ist nach Masse und Zahl mehr als die Natur hervorbringt. Ob uns soviel Technosphäre gut tut? 

Hat der Mensch die Technosphäre noch unter Kontrolle?

Hat der Mensch die Technosphäre noch unter Kontrolle?

Foto: Carsten Rehder/dpa

Der Mensch hat die Natur überflügelt, und das gleich in zweierlei Hinsicht. Er hat eine Masse von 30 Billionen Tonnen Ressourcen in technische Artefakte umgewandelt. Das ist mehr als die Erde an Lebewesen aller Art hervorbringt. Auch bei der Artenvielfalt führt der Mensch. Er hat mehr als eine Milliarde unterschiedlicher Objekte geschaffen. Dazu gehören Häuser, Staumauern, Flugzeuge, Autos, Straßen und Schleusen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Sie belasten jeden Quadratmeter der Erdoberfläche mit 50 Kilogramm.

Der Mensch ist Gefangener der Technosphäre

Die überraschende und ungewöhnliche Abschätzung hat ein internationales Geologenteam unter Leitung von Professor Jan Zalasiewicz von der University of Leicester in Großbritannien angestellt. Technosphäre nennt er diese vom Menschen geschaffene Welt. „Wir haben darüber nicht immer so viel Kontrolle, wie wir denken“, so der Geologieprofessor. Und er warnt: „Die Technosphäre ist ein System mit eigener Dynamik und eigenen Energieflüssen – und der Mensch ist längst von diesem System abhängig, um zu überleben“. Er ist gewissermaßen ein Gefangener der selbst geschaffenen Technosphäre.

Luxushotels und Wolkenkratzer in Dubai: Der Mensch hat eine Masse von 30 Billionen Tonnen Ressourcen in technische Artefakte umgewandelt. 

Luxushotels und Wolkenkratzer in Dubai: Der Mensch hat eine Masse von 30 Billionen Tonnen Ressourcen in technische Artefakte umgewandelt. 

Quelle: Ali Haider/dpa

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„Wenn wir die Technofossilien nach paläontologischen Kriterien klassifizieren, dann übertrifft ihre Vielfalt den heutigen Artenreichtum und geht weit über die Vielfalt der geologischen Fossilien hinaus“, sagt Zalasiewicz. „Sie könnten sogar die biologische Vielfalt der gesamten Erdgeschichte noch übertreffen.“

Recycling ist eher Sache der Natur

Verglichen mit der Natur sei das Recycling in der Technosphäre nur wenig ausgeprägt, klagt Professor Mark Williams, der zum Team gehört. „Sie brauchen sich nur unsere überquellenden Mülldeponien anzuschauen.“ Viele der von Menschen geschaffenen Gebilde würden, eingebettet in geologische Schichten, unvorstellbar lange Zeit überdauern und Objekte von Archäologen in ferner Zukunft werden. „Diese Technofossilien werden einst helfen, das Anthropozän, also das Zeitalter des Menschen, zu datieren und zu charakterisieren.“

Tiefer Abdruck auf dem Planeten Erde

Und Zalasiewicz stellt fest: „Die Technosphäre mag geologisch gesehen noch jung sein, aber sie entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit.“ Schon jetzt habe sie einen tiefen Abdruck auf unserem Planeten hinterlassen.

Die Erde gefangen in einer künstlichen Schicht: So versuchen Forscher der Uni Leicester die Technosphäre bildlich darzustellen.

Die Erde gefangen in einer künstlichen Schicht: So versuchen Forscher der Uni Leicester die Technosphäre bildlich darzustellen.

Quelle: University of Leicester

Die Studie ist Teil des vom Haus der Kulturen der Welt in Berlin aufgelegten Anthropozän-Projekts. „Unsere Vorstellung von der Natur ist überholt. Der Mensch formt die Natur.“ Das ist der Kern der Anthropozän-These, die einen Paradigmenwechsel nicht nur in den Naturwissenschaften ankündigt, sondern darüber hinaus in Kultur, Politik und Alltag nach neuen Wegen sucht.

Hier und da bemüht sich der Mensch schon um Besserung, wie die vielleicht ungewöhnlichste Kneipe Japans zeigt: Das „Kamikatz Public House“ besteht vollständig aus recycelten Materialien und passt perfekt in den kleinen Ort Kamikatsu. Dessen Bewohner wollen bis 2020 völlig abfallfrei werden.

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Kempkens

    Wolfgang Kempkens studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik und schloss mit dem Diplom ab. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und einem Magazin, ehe er sich als freier Journalist etablierte. Er beschäftigt sich vor allem mit Umwelt-, Energie- und Technikthemen.

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