Von BER bis Elbphilharmonie: Das sind die größten Baustellenflops der Welt
Eklatante Baumängel, völlig unterschätze Kosten und katastrophale Arbeitssicherheit sind nur drei Beispiele für die größten Baustellenflops der Welt. Diese Projekte sorgten weltweit für Schlagzeilen.
724 Seiten – so lang ist der Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Hamburger Elbphilharmonie. Zusammen mit dem Berliner Flughafen BER steht das Konzerthaus auf der Liste der bekanntesten Skandale um Bauprojekte deutschlandweit und auf der ganzen Welt ganz vorne. Verzögerungen und Kostenexplosionen sind dabei zwar häufige, aber längst nicht die einzigen Mängel von Skandalbauten.
Zu teuer und zu spät
Wird ein Bauprojekt nicht rechtzeitig fertiggestellt, so verursacht dies immer auch höhere Kosten als geplant. Die fortlaufenden Arbeiten wollen bezahlt und Ausweichlösungen müssen gefunden werden. Zwar kann man auch ohne eine Elbphilharmonie einige Jahre länger als vorgesehen auskommen, aber der Ausfall des Flughafens BER schmerzt die Berliner sehr. Generell gilt: Je wichtiger Bauprojekte für die Infrastruktur sind, desto schwerer wiegen die Folgen ihrer Verzögerungen und desto höhere Wellen schlagen sie.
Zu groß, unbrauchbar und überflüssig
Zum Flop werden Bauten aber nicht nur durch Verzögerungen und zu hohe Kosten. Eine Wellness-Erlebniswelt auf dem flachen Land kann noch so frühzeitig fertiggestellt und günstig sein – wo niemand seine Freizeit verbringt, braucht es solche Bauprojekte gar nicht. Genauso wenig nachvollziehbar sind Auswüchse individueller Geltungssucht, wie sie auch in Deutschland in jüngerer Vergangenheit vorgekommen sind. Zu guter Letzt spielt bei Bauprojekten auch die Sicherheit eine herausragende Rolle: Weder dürfen Arbeiter zu Schaden kommen noch darf die spätere Nutzung eines Bauwerks gefährlich sein. In mindestens einem dieser Punkte weisen die folgenden Beispiele erhebliche Mängel auf.
Zeit ist Geld
Öffentliche Großprojekte werden häufig deutlich kostspieliger als geplant. Durchschnittlich 73 Prozent teurer als ursprünglich gedacht fallen sie aus, wie eine Studie zeigte. Die Elbphilharmonie sollte ursprünglich einmal „nur“ 186 Millionen Euro kosten (Schätzung im Juli 2005) und 2011 eröffnet werden. Das erste Probekonzert fand dann im November 2016 statt, vorläufige Gesamtkosten von 789 Millionen waren bis dahin aufgelaufen. Immerhin ist sie mittlerweile eröffnet, anders als der BER. Dort wird noch immer nichts erwirtschaftet, aber gekostet hat das Projekt bereits weit über fünf Milliarden Euro. Die erhoffte Fertigstellung soll nun im Jahr 2018 sein, angedacht war dafür eigentlich 2007. Der Ausgang jedoch ist ungewiss. Erst recht, weil immer wieder neue Mängel aufgedeckt werden. So stellte man z. B. im Februar überraschend fest, dass die Wasserrohre am BER zu dünn sind.
Fehlplanungen auch im Westen der Republik
Teure Konzerthäuser können auch andere: In Köln kostete die Sanierung der Oper bereits 350 (statt: 230) Millionen Euro, eröffnet wird evtl. zur Spielzeit 2018/19. Nicht weit entfernt von Köln hat der Bau des Landesarchivs in Duisburg für Aufsehen gesorgt: Rund 190 Millionen soll das Bauprojekt gekostet haben, das ist mehr als das sechsfache der einst erhofften 30 Millionen. Der ehemalige Chef des federführenden Bauunternehmens wurde kürzlich zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Auslöser für die Ermittlungen gegen ihn waren die Unstimmigkeiten beim Bau des Archivs.
Persönliche Verfehlungen
Zum Desaster werden Großbauprojekte auch, wenn persönliche Interessen dem eigentlichen Projektziel entgegenstehen. Satte 31 Millionen Euro hat die Residenz gekostet, die sich der Limburger Bischof Tebartz-van Elst errichten ließ. In der Folge des Skandals musste er sein Amt aufgeben, unter anderem, weil er eine „persönliche Mitschuld“ an den ausufernden Kosten trug. Immerhin: Er wollte vermutlich nur in einem repräsentativen Anwesen wohnen und hatte schlicht das Maß verloren. Andere hingegen missbrauchen Bauprojekte, um sich zu bereichern oder um sich persönliche Denkmäler zu setzen.
Korruption und Großkapital
20 Millionen US-Dollar – das ist die Summe, die allein der ehemalige peruanische Präsident Toledo als Bestechung erhalten haben soll. Es geht um den Bau der Interoceánica oder auch Transoceánica. Das ist eine tausende Kilometer lange Straße, die quer durch Südamerika verlaufend die beiden Ozeane verbindet. Der Konzern Odebrecht soll dabei in gleich mehreren Ländern so kräftig Politiker, Manager und Beamte bestochen haben, dass er eine eigene Abteilung nur für diese Geschäftsaufgaben unterhielt. Insgesamt belaufen sich Odebrechts Bestechungszahlungen für Bauprojekte auf mehr als 800 Millionen US-Dollar seit 2001 in ganz Lateinamerika. Refinanziert werden solche Summen durch überhöhte Kosten bei der Baufertigstellung.
Stadien für internationale Sportevents
Zusammen mit den Arenen, die eigens für olympische Spiele errichtet oder umgebaut werden, sind die Stadien der Fußball-WM ganz besondere Fälle von Baustellenflops. Zunächst kam es beim Bau der Wettkampfstätten für die Weltmeisterschaft 2014 zu erheblichen Verzögerungen, sodass 100 Tage vor Anpfiff des Auftaktspiels gerade einmal drei der zwölf Stadien fertig waren (wir berichteten). Das traurigste Beispiel dieser Art jedoch ist das Maracanã in Rio de Janeiro. Der Umbau für die WM kostete seinerzeit umgerechnet 380 Millionen Euro, zu den olympischen Spielen 2016 stand das traditionsreiche Stadion noch mal weltweit im Blickpunkt. Heute jedoch verfällt es. Statt Touristen und Sportlern besuchen es nur streunende Katzen. Hintergrund dieses Flops ist ein Streit zwischen der Betreibergesellschaft des Stadions und dem Organisationskomitee der Spiele. Hauptanteilseigner der Betreibergesellschaft ist: Odebrecht.
Gefahr für Leib und Leben
Noch weitaus schlimmer ist der Skandal, der sich um die Bauprojekte der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar rankt. Für die hauptsächlich kompletten Neubauten der Stadien liegen die nötigen Investitionen bei geschätzten 2,8 bis 4 Milliarden US-Dollar. Diese Summe allein scheint schon anrüchig, denn man fragt sich bereits jetzt, wofür die Stadien nach der WM einmal genutzt werden sollen. Dramatisch wird es aber, wenn man den Blick weg von Zahlen hin zu den Menschen wendet: Einem Bericht des Internationalen Gewerkschaftsbundes zufolge sollen auf den Baustellen bereits 1.200 Wanderarbeiter aufgrund der miserablen Bedingungen verstorben sein, bis zu 4.000 werden prognostiziert.
„Alles Peanuts“
Verglichen mit solchen Zuständen wirken die Elbphilharmonie und der BER wie Kleinigkeiten. Zwar werden die hiesigen Skandale angesichts der internationalen Missstände sicherlich nicht besser, aber die Dimensionen werden klarer. Sterben musste hier zum Glück noch niemand wegen der systematischen Missachtung von Arbeitssicherheit. Alles andere lässt sich regeln, wie das letzte Beispiel zeigt: Selbst die Internationale Raumstation ISS galt kurzzeitig wegen erheblicher technischer Mängel „als teuerste Bauruine im All“, wie der Spiegel online 2008 titelte. Heute ist sie das Vorzeigeprojekt menschlicher Ingenieurskunst. Einen virtuellen Rundgang an Bord der ISS können Sie hier machen.
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