Warmes Wasser aus den Tiefen der Erde
Eine unerschöpfliche Energiequelle in Deutschland liegt tief im Boden: Erdwärme. Die FH Bochum will Ingenieure darin ausbilden, wie man diesem Schatz hebt und das Ruhrgebiet mit warmem Wasser aus der Tiefe versorgen kann.
Tobias Ernst, wie er hier exemplarisch heißen soll, gehört zu den Schrittmachern der Energietechnik. An der Fachhochschule Bochum hat er jüngst den Master in „Geothermal Energy Sytems“ gemacht, also auf dem Gebiet der Erdwärme. „Diesen Studiengang über drei Semester gibt es nur hier an der Ruhr“, so Ernst, „bislang ist er weltweit einmalig.“ Das Angebot wendet sich an Geologen und Physiker, Maschinenbauer und Bauingenieure, Elektrotechniker.
Jetzt hat sich Ernst an der neuen Bochumer Graduiertenschule für Geothermie, einem Forschungsverbund der FH und der Ruhr-Universität, als Doktorand beworben. FH-Master gehen hier gleichberechtigt mit Uni-Absolventen an den Start, ohne erst noch ein paar Theorie-Kurse nachholen zu müssen.
Die sind in anderen Promotionsordnungen sonst oft genug noch vorgeschrieben. Neu und bundesweit einmalig ist auch, dass die Graduiertenschule von einem FH-Professor geleitet wird, dem Geologen Rolf Bracke. Der ist zugleich Chef des „GeothermieZentrumBochum“, einer gemeinsamen Forschungseinrichtung von Hochschulen, Privatwirtschaft und öffentlicher Verwaltung.
Zukunftswerkstatt mit Großlabors
Gegenwärtig entsteht mit mehreren Millionen Euro vom Land NRW, der Europäischen Union und der Industrie eine Zukunftswerkstatt mit Großlabors und einem kilometerweiten Bohrfeld. Dieses „International Geothermal Center“ mit Kontakten rund um den Globus soll im März eröffnet werden. Bochum wird so laut Bracke zur Welthauptstadt der Geothermie.
Die Erdwärmetechnik und ihr zentraler Forschungsstandort beruhen auf einer politischen Entscheidung der ersten rot-grünen Landesregierung zu Anfang des vergangenen Jahrzehnts. Damals war der Energieminister federführend, anschließend im Kabinett Rüttgers (CDU) der Wirtschaftsminister, heute ist das Umweltressort zuständig. Gleichwohl hat das Thema in der Öffentlichkeit längst nicht so viel Aufmerksamkeit gefunden wie andere „unendliche“ Energiequellen, vor allem Wind und Sonne, bedauert der Experte Bracke.
Die relative Randbedeutung spiegelt sich etwa auch in der Zahl der Studienangebote für Geothermie im amtlichen „Hochschulkompass“. Neben Bochum forschen und lehren namentlich die „Westfälische (Fach-)Hochschule“ in Gelsenkirchen und die Technischen Universitäten Darmstadt und Aachen auf diesem Gebiet.
40 % der Energie wird für Wärme gebraucht
Wärme hat heute in Deutschland einen Anteil von 40 % an der gesamten Energienachfrage beim Endverbraucher, ob im Privathaushalt, Büro oder Industriebetrieb. „Dafür steht Erdwärme, anders als Sonne oder Wind, Tag und Nacht zur Verfügung und auch überall“, hebt Befürworter Bracke hervor. Nötige Bohrungen bis in tausend und mehr Meter Tiefe wecken allerdings die Angst vor Erschütterungen, gar Bergschäden. „Dabei rufen aber Laster im Straßen- oder Züge im Schienenverkehr nachweislich oft größere Vibrationen hervor, und zwar laufend“, stellt Bracke klar. Das müsse deutlicher ins öffentliche Bewusstsein gebracht werden. Neben technischen Fachleuten wirkt deshalb in seiner Graduiertenschule auch eine neu berufene Professorin für Kommunikation und Medien mit, eine gelernte Psychologin.
Ein besonderes Reizwort in den Medien ist im Augenblick „Fracking“. Dabei geht es darum, im energiehaltigen Gestein Risse zu erzeugen, auszuweiten und zu stabilisieren, sodass Erdöl, -gas oder -wärme umso leichter zur Bohranlage fließen können. Damit sind die USA inzwischen zum größten Erdgasproduzenten der Welt aufgestiegen. Fracking provoziert den Traum von der Energieversorgung aus heimischen Reservoirs. Doch werden etwa bei der Gasgewinnung Gele und Schädlingsbekämpfungsmittel (Biozide) in die künstlichen Gesteinsrisse eingespritzt, mit noch unabsehbaren Auswirkungen auf das Grundwasser, sagen Kritiker. Demgegenüber stellt Fachmann Bracke klar: „Für die Geothermie verwenden wir nur reines Wasser, das vom warmen Gestein aufgeheizt wird.“
Neben Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit gehört der Preis zu den Hauptkriterien für die Energiepolitik. Bracke gibt zu, dass die Konkurrenzfähigkeit noch ein Schwachpunkt bei der Erdwärme ist. „Aber wir stehen mit unserer Technik ja noch am Anfang und wollen sie durch Forschungsexperimente ständig verbessern, das heißt auch verbilligen“, wirbt Bracke um Vertrauen. „Und eins ist etwa im Unterschied zur Solarbranche klar: Alle Innovation auf unserem Gebiet ist so kompliziert, dass chinesische Mitbewerber sie noch lange nicht imitieren können!“
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