Warum Spinnen derart schnell Fäden spinnen können
Beim Spinnen von Spinnseide entstehen ungewöhnliche elektrostatische Wechselwirkungen zwischen den Proteinen, die eine enorme Spinngeschwindigkeit ermöglichen. Diese erstaunliche Entdeckung machten jetzt Würzburger Biotechnologen, als sie die Proteine der Spinnfäden einer Raubspinne untersuchten.
Biologisch abbaubar, gut verträglich, leicht und widerstandsfähiger als Stahl und High-Tech-Fasern: Spinnseide ist ein hervorragender Werkstoffe, der in vielen Bereichen der Industrie eingesetzt wird. Doch Spinnen sind nach wie vor die Meister in Sachen Spinnseide: Ihre Naturfäden sind deutlich stabiler. Und außerdem können sie die Fäden unglaublich schnell innerhalb von Sekunden herstellen. Wie das ganz genau geschieht, ist immer noch nicht bis ins Detail geklärt. Jetzt sind Forscher aber wieder einen Schritt weitergekommen, um die Entstehung von Spinnseide besser zu verstehen.
Spinnen produzieren einen Meter Spinnseide pro Sekunde
Spinnen schaffen es mit einer rasanten Geschwindigkeit, einzelne Moleküle der Proteine zu langen Fäden zu spinnen und innerhalb einer Sekunde etwa einen Meter Faden aus ihrem Körper herauszuziehen. Warum dieser Vorgang so rasant funktioniert, wollten die Forscher jetzt ganz genau wissen.
Der Biotechnologie Hannes Neuweiler von der Würzburger Universität hat sich mit seinem Team einen ganz bestimmten Abschnitt eines Seidenproteins einer Raubspinne vorgenommen. Bei den Untersuchungen fanden sie heraus, dass die enorme Geschwindigkeit des Fadenspinnens mit den Proteinen zusammen hängt, aus denen diese Spinnfäden bestehen. „Dieser Abschnitt ist sehr interessant, weil er die endständigen Bereiche der Proteine, die sich zu Seidenfäden verbinden, miteinander verknüpft“, erklärt Prof. Neuweiler.
Auffällig bei den Untersuchungen war auch, dass während des rasanten Spinnvorganges ungewöhnliche elektrostatische Dipolwechselwirkungen zwischen den Proteinen entstehen. Diese Proteine werden 1000-fach schneller miteinander verbunden als bei den herkömmlichen Wechselwirkungen von Protein zu Protein. Normalerweise bremsen bestimmte Salzkonzentrationen den Prozess des Spinnens. In dem jetzt beobachteten Fall war dies jedoch anders. Neuweiler und sein Team erklären diese Auffälligkeit mit der elektrostatischen Wechselwirkung der Proteine.
Salze befinden sich in jeder Spinndrüse
Die Salzkonzentrationen befinden sich in der Regel am Ende eines Spinnkanals einer jeden Spinndrüse, wo sie eine bisher noch nicht erklärbare Funktion im Spinnprozess spielen. „Bei der Seidenproduktion der Webspinnen scheint die Evolution einen Weg gefunden zu haben, eine stark beschleunigte Assoziation von Proteinen auch in Gegenwart physiologischer Salzkonzentrationen zu ermöglichen“, so Neuweiler.
Spinnen haben sieben verschiedene Spinndrüsen in ihrem Hinterleib. Mit jeder Drüse können sie andere Fäden produzieren. Die Biotechnologen wollen jetzt im nächsten Schritt untersuchen, ob das Phänomen der „Salzresistenz“ auch bei den anderen Spinndrüsen vorkommt.
Industrie und Unternehmen haben aufgrund der positiven Eigenschaften von Spinnseide ein großes Interesse an der Herstellung im Labor. Anwendungsbereiche gibt es inzwischen im Fahrzeugbau, in der Medizintechnik und in der Textilindustrie. Extrem dünne Filme für Oberflächenbeschichtungen oder Verpackungsmaterial werden mit Spinnseide hergestellt.
Sie können Luft und Wasser sogar besser abhalten als Kunststofffolien. Die Pharmaindustrie verwendet gerne Spinnenseide, um Kapseln herzustellen, in denen Enzyme eingeschlossen werden können. Erst kürzlich wurden Kapseln entwickelt, die einerseits Enzyme vor der Zersetzung schützen, aber auch deren Aktivität beobachten und steuern können. Außerdem werden Seidenproteine verwendet, um Staub mit Hilfe von Vliesstoffen zu filtern.
Erst im März diesen Jahres wurde bekannt, dass erstmals künstliche Spinnenseidenfasern aus biotechnisch erzeugten Proteinen nachgeahmt werden konnten.
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