Begriff und Definition 21.07.2024, 13:14 Uhr

Was bedeutet „Stand der Technik“?

Der „Stand der Technik“ ist nicht nur eine Floskel, sondern eine Regelung, die auch rechtliche Bedeutung hat, etwa im Patentrecht. Was bedeutet die Bezeichnung genau?

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Den Ausdruck "Stand der Technik" kennt jeder, doch eine genaue Definition ist schwierig und eine konkrete Umsetzung noch schwieriger.

Foto: PantherMedia / EdZbarzhyvetsky

In Rechtsvorschriften und Gerichtsurteilen wird häufig auf den „Stand der Technik” verwiesen. Doch was bedeutet dieser Begriff eigentlich? Er beschreibt einen unbestimmten Rechtsbegriff, der die Ansichten führender Experten und praktische Erfahrungen einbezieht, wodurch er sowohl inhaltlich als auch zeitlich flexibel ist. Dies erschwert jedoch den Umgang damit erheblich. Wir versuchen, einen Zugang zum Begriff zu bekommen und ihn von anderen Begriffen wie „Stand der Wissenschaft“ oder „Allgemeine anerkannte Regeln der Technik“ abzugrenzen.

Definition von „Stand der Technik“

Der Begriff „Stand der Technik“ bezieht sich auf den aktuellen Entwicklungsstand und die fortgeschrittenen Methoden innerhalb eines bestimmten technischen Bereichs oder einer Industrie. Er umfasst das Wissen, die Techniken, Verfahren und Materialien, die zum Zeitpunkt der Betrachtung als am weitesten fortgeschritten und effektiv gelten. Der Stand der Technik wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, darunter wissenschaftliche Erkenntnisse, technologische Innovationen, industrielle Praktiken und gesetzliche Anforderungen.

Im Gegensatz dazu bezieht sich der Begriff „Beste verfügbare Technik“ (BVT) auf die effektivsten und effizientesten Technologien, Prozesse oder Maßnahmen, die derzeit verfügbar sind, um Umweltauswirkungen zu minimieren oder bestimmte Anforderungen zu erfüllen. BVT wird oft im Umweltschutzkontext verwendet und definiert, wie Technologien eingesetzt werden können, um Umweltbelastungen zu reduzieren.

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„Stand der Wissenschaft“ und „Allgemein anerkannte Regeln der Technik“

Der „Stand der Wissenschaft“ bezieht sich hingegen auf den aktuellen Stand des Wissens innerhalb eines bestimmten wissenschaftlichen Fachgebiets. Er umfasst wissenschaftliche Erkenntnisse, Theorien, Experimente und Entdeckungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt akzeptiert und anerkannt sind. Im Gegensatz zum Stand der Technik konzentriert sich der Stand der Wissenschaft weniger auf die praktische Anwendung von Wissen und Technologie, sondern auf die Erforschung und Erklärung von Phänomenen.

Die „Allgemein anerkannten Regeln der Technik“ sind Standards, Verfahren und Praktiken, die von der Industrie oder von Fachleuten in einem bestimmten technischen Bereich als angemessen und akzeptabel betrachtet werden. Dazu zählen beispielsweise die DIN-Vorschriften des Normenausschusses Bauwesen im Deutschen Institut für Normung e.V. oder die Vorschriften des Verbandes Deutscher Elektrotechniker e.V. (VDE-Vorschriften). Auch VDI-Richtlinien gehören dazu. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik repräsentieren bewährte Methoden und Normen, die als Grundlage für die Planung, Konstruktion und Bewertung von technischen Lösungen dienen.

„Stand der Technik“: Rechtliche Grundlagen

Der Stand der Technik ist in verschiedenen rechtlichen Bereichen von Bedeutung und wird oft als Referenzpunkt verwendet, um Innovationen zu bewerten oder um Standards festzulegen und  Vorschriften einzuhalten. Der Stand der Technik zu einem bestimmten Zeitpunkt lässt sich beispielsweise durch existierende nationale oder internationale Standards und Normen, wie sie von Organisationen wie DIN, ISO, DKE oder ISO/IEC entwickelt werden, bestimmen. Alternativ können erfolgreiche Beispiele aus der Praxis im jeweiligen Bereich herangezogen werden, um den aktuellen Entwicklungsstand zu ermitteln.

Im Bereich des Patentrechts dient der Stand der Technik als Kriterium für die Beurteilung der Neuheit und Schöpfungshöhe einer Erfindung. Denn eine Erfindung ist nur dann patentfähig, wenn sie sich vom Stand der Technik unterscheidet, das heißt, wenn sie über das hinausgeht, was bereits bekannt oder verfügbar ist. Die Prüfung erfolgt durch Recherchen in Patentdatenbanken und wissenschaftlicher Literatur, um festzustellen, ob die beanspruchte Erfindung neu ist und ausreichend erfinderische Schöpfungshöhe besitzt.

Stand der Technik im Umweltrecht und im internationalen Kontext

Im Umweltrecht spielt der Stand der Technik eine Rolle dabei, Umweltstandards festzulegen und die Anforderungen an Schutzmaßnahmen zu bestimmen. Insbesondere bei der Bewertung von Umweltauswirkungen von Industrieanlagen oder bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten werden technische Lösungen und Verfahren herangezogen, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Die Einhaltung kann in Umweltgenehmigungen oder -vorschriften als Voraussetzung für den Betrieb von Anlagen festgelegt sein.

Im internationalen Kontext wird der Stand der Technik oft als Referenzpunkt für den Technologietransfer, die Harmonisierung von Standards und die Förderung von Innovationen verwendet. Internationale Organisationen wie die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) oder die Internationale Organisation für Normung (ISO) spielen eine Rolle bei der Standardisierung des Stands der Technik in verschiedenen Bereichen. Durch den Austausch von Wissen und Technologie zwischen Ländern und Organisationen wird der Stand der Technik kontinuierlich weiterentwickelt.

Lesen Sie dazu auch einen Blogbeitrag des VDI e.V.: Was versteckt sich hinter dem Begriff „Stand der Technik“

Anwendungsbereich beim „Stand der Technik“

Der Stand der Technik wird als Referenzpunkt in vielen Bereichen genutzt, die sich über verschiedene Branchen erstrecken:

  • Industrie und Technologie: In der Industrie dient der Stand der Technik als Leitfaden für die Entwicklung und Herstellung von Produkten dazu, Produktionsprozesse zu optimieren. Beispiele sind die Verwendung von fortschrittlichen Materialien und Fertigungstechniken in der Automobilindustrie, die Integration von Robotik und Automatisierung in der Fertigung oder die Anwendung von Datenanalyse und künstlicher Intelligenz in der Industrie 4.0.
  • Forschung und Entwicklung: In der Forschung und Entwicklung dient der Stand der Technik dazu, den aktuellen Wissens- und Technologiestand innerhalb eines bestimmten Fachgebiets zu verstehen und als Grundlage für die Entwicklung neuer Ideen und Innovationen zu nutzen. Forscherinnen und Forscher bauen auf vorhandenen Techniken und Erkenntnissen auf, um neue Lösungen zu entwickeln und bestehende Grenzen zu überwinden.
  • Umweltschutz: Im Umweltschutz ist der Stand der Technik von Bedeutung für die Maßnahmen zur Reduzierung von Umweltbelastungen und um mehr Nachhaltigkeit durchzusetzen. Beispiele sind das Verwenden emissionsarmer Technologien in der Industrie, die Entwicklung erneuerbarer Energiesysteme oder das Neu- und Umorganisieren von Recycling- und Abfallwirtschaftskonzepten.
  • Sicherheitsstandards: In Bereichen wie der Luftfahrt, der Medizintechnik, dem Arbeitsschutz oder der Informationstechnologie haben Sicherheitsstandards einen hohen Stellenwert. Der Stand der Technik hilft dabei, sicherzustellen, dass Produkte und Systeme den aktuellen Anforderungen entsprechen und Risiken minimiert werden. Beispiele sind die Entwicklung sicherer Flugzeugtechnologien, Datenschutz in IT-Systemen oder das Einhalten von Sicherheitsstandards in der medizinischen Gerätetechnik.

Wie wird der „Stand der Technik“ bewertet und festgestellt?

Die Ermittlung des Stands der Technik kann auf verschiedene Weisen erfolgen, darunter:

  • Literaturrecherche: Durch die Suche in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, Konferenzberichten, Patentdatenbanken und technischen Publikationen lassen sich relevante Informationen zu aktuellen Entwicklungen und Innovationen in einem bestimmten Bereich finden.
  • Normen und Standards: Nationale und internationale Normenorganisationen wie DIN (Deutsches Institut für Normung), ISO (Internationale Organisation für Normung) und IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) entwickeln Standards, die den Stand der Technik in verschiedenen Branchen festlegen.
  • Expertenbefragungen: Der Austausch mit Fachleuten und Experten in einem bestimmten Bereich kann Einblicke in den aktuellen Stand der Technik liefern, insbesondere wenn es um spezifische Anwendungen oder Markttrends geht – diese Form der Recherche dient jedoch eher für zusätzliche Informationen, nicht als Grundlage.
  • Technologierecherchen und Marktanalysen: Marktforschungsunternehmen und Technologieberatungsfirmen führen regelmäßig Analysen durch, um den Stand der Technik in verschiedenen Industrien und Technologiebereichen zu ermitteln und Trends zu identifizieren.

Welche Gremien und Institute legen einen „Stand der Technik“ fest?

Es gibt viele Institutionen und Gremien, die den aktuellen Stand der Technik für einen Bereich oder eine Branche festlegen. Beispielsweise:

  • Normungsorganisationen wie DIN, ISO, ASTM International und CEN (Europäisches Komitee für Normung), die Standards und Richtlinien entwickeln, um den Stand der Technik in verschiedenen Branchen zu definieren.
  • Industrieverbände und Fachgesellschaften, die spezifische Branchenvertreter zusammenbringen, um bewährte Verfahren und Technologien zu fördern.
  • Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, Universitäten und akademische Institutionen, die zur Entwicklung neuer Technologien beitragen und den aktuellen Wissensstand in verschiedenen Fachgebieten vorantreiben.

Welche Herausforderungen sind zu bewältigen?

Bei der Bewertung von Technologien können unterschiedliche Herausforderungen auftauchen, die es schwierig machen, den Stand der Technik sicher festzulegen:

  • (Zu) schneller Fortschritt: Die rasche Entwicklung neuer Technologien führt dazu, dass sich der Stand der Technik kontinuierlich und zügig weiterentwickelt. Es kann schwierig sein, mit den neuesten Entwicklungen Schritt zu halten und den aktuellen Stand zu definieren.
  • Komplexität und Vielfalt der Technologien: In vielen Branchen gibt es eine Vielzahl von Technologien und Ansätzen, die den Stand der Technik beeinflussen können. Die Bewertung und Vergleichbarkeit dieser Technologien sind mitunter herausfordernd.
  • Verfügbarkeit von Informationen: Nicht alle relevanten Informationen über neue Technologien sind jederzeit öffentlich oder leicht zugänglich. Dies kann die Recherche erschweren und zu falschen oder unvollständigen Informationen führen.
  • Subjektivität und Interpretation: Der Stand der Technik kann subjektiv sein und von verschiedenen Stakeholdern unterschiedlich interpretiert werden. Es kann daher schwierig sein, einen Konsens darüber zu erreichen, was als aktueller Stand der Technik betrachtet wird.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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