Wassermassen im Erdinneren schmelzen Gestein
Der Planet Erde ist wesentlich wasserreicher als vermutet: Tief im Erdinneren, in rund 660 Kilometern Tiefe, ist mehr Wasser vorhanden als in allen Ozeanen zusammen. Es ist gespeichert in einem Mineral – dem Ringwoodit. Dieses Wasser lässt Gestein schmelzen und zeigt: Der Wasserkreislauf der Erde ist wesentlich umfassender, als gedacht.
Es wurde ja schon länger vermutet, dass es auf der Erde mehr Wasser gibt, als wir ahnen. Doch jetzt ist es gewiss: In der Übergangszone vom oberen zum unteren Erdmantel existiert ein umfangreiches Wasserreservoir. Dort gibt es so viel Wasser wie in allen Ozeanen der Erde zusammen. Doch dieses Wasser unterscheidet sich fundamental von dem Wasser, wie wir es kennen: Es ist weder fest wie Eis, noch flüssig wie Meerwasser noch gasförmig wie Wasserdampf. Dieses Wasser tief im Erdinneren ist anders: Die Wassermoleküle sind gefangen und eingebunden in Mineralien.
Ringwoodit bindet Wasser auch in immensen Tiefen
Ringwoodit heißt dieses Mineral, welches das Wasser gefangen und eingebunden hat. Ringwoodit ist ein an der Erdoberfläche selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Silikate und Germanate. Dieses Erz ist in der Lage, Wasser auch in immensen Tiefen gebunden zu halten und kommt in der Übergangszone vom oberen zum unteren Erdmantel in 410 bis 660 Kilometern Tiefe in großen Mengen vor.
Erst im März hatten Forscher um Graham Pearson von der Universität Alberta im Fachmagazin „Nature“ über den Fund eines kleinen Diamanten berichtet, der wasserhaltiges Ringwoodit einschließt. Dieser in der brasilianischen Stadt Juina entdeckte Diamant ist nur 0,09 Gramm schwer. Wissenschaftler gehen davon aus, dass der winzige Diamant vor etwa 100 Millionen Jahren durch eine extrem explosive Eruption sehr schnell und heftig an die Erdoberfläche geschleudert wurde. „Aber ob diese Ringwoodit-Probe tatsächlich repräsentativ für das Erdinnere stand oder nicht, war nicht bekannt“, erklärt Steve Jacobsen von der Northwestern University in Evanson.
Ringwoodit kam unter die Diamantpresse
Jacobsen hat nun mit dem Seismologen Brandon Schmandt von der University of New Mexico in Albuquerque und dessen Kollegen das fehlende Indiz für die Präsenz von derartig viel Wasser im Erdmantel geliefert und diese Belege nun im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht. Ausgangspunkt waren dabei Beobachtungen an im Labor hergestellten hydratisierten Ringwoodit. Dieses setzten Jacobsen und sein Team mit Hilfe einer Diamantpresse sehr hohem Druck – etwa das 300.000-fache des Atmosphärendrucks – und Temperaturen von 1600 Grad Celsius aus. Das sind die heftigen Bedingungen, wie sie in der Übergangszone des Erdmantels herrschen.
Dabei wandelt sich das Ringwoodit in andere Mineralformen um. Doch es geschah noch etwas anderes: Auf dem winzigen Mineralbröckchen bildeten sich Zonen, in denen das Mineral geschmolzen war. Für dieses Dehydrations-Schmelzen ist niemand anderes verantwortlich als – Wasser.
Signale von mehr als 2000 Seismometern ausgewertet
Und genau dieses Dehydrations-Schmelzen konnten die Forscher nun auch im Erdmantel nachweisen. Dafür nutzten sie das USArray, das ist ein dichtes Netzwerk von mehr als 2000 über die USA verteilten Seismometern. Wenn sich die Erdbebenwellen durch das Erdinnere ausbreiten, so werden sie durch verschiedene Gesteinsarten, aber auch durch festes und geschmolzenes Gestein auf sehr charakteristische Art und Weise verändert. Das Seismometer-Netz fängt diese veränderten Wellen auf und erlaubt so eine Art von Röntgenbild in das Innere der Erde.
Wasser schmilzt das feste Gestein an
Dieses Röntgenbild des Seismometer-Netzes zeigt ein Schmelzen des Gesteins in 660 Kilometern Tiefe und damit genau an der Unterkante der Übergangszone im Erdmantel. „Wir haben Belege für ein umfassendes Schmelzen des Mantelgesteins unter Nordamerika entdeckt – in genau der Tiefe, in der Ringwoodit dehydratisiert wird“, sagt Jacobsen. Das Mineral mit dem seltsamen Namen enthält 15 Mal so viel Wasser wie das umgebende Gestein, weshalb Wasser in die angrenzende Schicht driftet. Dort sorgt es dafür, dass das feste Gestein teilweise aufgeschmolzen wird. Diese Schmelze kann wegen ihrer physikalischen Eigenschaften nicht tiefer sinken, sie bleibt in der Übergangszone.
„Belege für einen die ganze Erde umfassenden Wasserkreislauf“
Es sind deshalb genau die Stellen in der Tiefe der Erde, wo das Gestein der tektonischen Plattengrenzen in die Tiefe gedrückt wird, an denen sich diese Zonen des geschmolzenen Gesteins finden. „Wissenschaftler suchen seit Jahren nach diesem fehlenden Tiefenwasser“, freut sich Jacobsen über seinen Coup. Denn dieser Fund zeigt, dass es einen viel größeren und viel umfassenderen Wasserkreislauf auf der Erde gibt, als bislang bekannt. Dieses Reservoir in der Tiefe wird durch abtauchendes Gestein von der Oberfläche gespeist und gibt seinerseits Wasser ab, wenn das Gestein im Lauf der Jahrmillionen wieder an die Oberfläche gelangt. „Jetzt sehen wir endlich die Belege für einen solchen, die ganze Erde umfassenden Wasserkreislauf“, konstatiert Jacobsen.
Das tiefste Loch ist gerade einmal zehn Kilometer tief
Soviel ist auch klar: Einen praktischen Nutzen, zum Beispiel für die Versorgung von fast einer Milliarde Menschen mit sauberen Trinkwasser, hat diese Entdeckung der unglaublichen Wassermassen im Erdinnern nicht. Denn das tiefste Loch, das Menschen mit all ihrer Ingenieurskunst jemals schufen, reicht zehn Kilometer tief in die Erdkruste hinein. Ein Kratzer, nicht mehr.
Ein Beitrag von: