Weltgrößte Studie: Ein Computerspiel bringt Demenz-Forschung voran
„Sea Hero Quest“ heißt ein Videospiel, dass mit Hilfe internationaler Forscher unter Beteiligung der Deutschen Telekom für die Demenz-Forschung entwickelt wurde. Bei dem Spiel, das Gehirnaktivitäten aufzeichnet und wertvolle Forschungsdaten liefert, handelt es sich um die bisher größte Studie der Welt in diesem Bereich. Zusammengerechnet haben die Teilnehmer mehr als 63 Jahre lang gespielt. Erste Ergebnisse wurden jetzt auf der Neuroscience-Konferenz in San Diego in Kalifornien vorgestellt.
Bei Sea Hero Quest müssen sich die Spieler durch Labyrinthe navigieren, Leuchtraketen abfeuern und fabelhafte Wesen fotografieren. Orientierungssinn und Geschicklichkeit sind gefordert. Seit Mai 2015 kann man die Meeres-Helden-Suche kostenlos im Internet herunterladen. Und das haben schon mehr als 2,4 Millionen Menschen aus aller Welt und unterschiedlichen Alters getan. Die App gibt es für iOS und Android.
Datensammlung im Labor hätte 9.400 Jahre gedauert
Durch ihr Spielverhalten lieferten die Gamer dabei wertvolle Forschungsdaten. Michael Hornberger, Professor für Angewandte Demenz-Forschung an der University of East Anglia zufolge, ist die Datenmenge, die von den Spielern von Sea Hero Quest geliefert wurde, phänomenal: “Eine derart große Menge an Daten im Labor zu sammeln hätte bis zu 9.400 Jahre gedauert”, betont Hornberger. Forscher an der britischen UCL sind der Meinung, dass die jüngsten Ergebnisse helfen können einen überzeugenden Demenz-Test zu entwickeln.
Speziell der Orientierungssinn gefordert
„Sea Hero Quest“ ist ein nautisches Abenteuerspiel, bei dem der Sohn die stark verblassten Erinnerungen seines geliebten aber alternden Seefahrer-Vaters zurückzuholen versucht, um sie für die Zukunft zu erhalten. Die Gamer müssen sich unter anderem Landkarten und ihre Position merken, von einer verlassenen Insel zur anderen Insel segeln und dabei beispielsweise Eisbergen ausweichen, um ihren Weg durch die Spielwelt zu finden. Sie müssen zu einer bestimmten Destination segeln und dann ein Leuchtsignal zum Ausgangspunkt abfeuern.
Im Hintergrund wird dabei getestet, wie sich die Spieler über die verschiedenen Spielebenen verhalten und wie sie sich räumlich zurechtfinden. Indem die Spieler das Lichtsignal abfeuern wird ihr Orientierungssinn untersucht.
Nachlassende Fähigkeiten im Alter
Wichtig für das Spiel sind sowohl die Orientierungsfähigkeiten als auch das Erinnerungsvermögen der Spieler. Das aber sind genau die Fähigkeiten, die bei Demenz-Kranken über die Jahre nachlassen. Das Phänomen des Verirrens gehört zu den ersten wichtigen Symptomen der Alzheimer-Krankheit. „Immer häufiger hören wir von Menschen, die sich verirren und viele Kilometer von ihrem Wohnort entfernt gefunden werden“, erläutert Hilary Evans von Alzheimer’s Research UK.
Die jüngsten Daten weisen daraufhin, dass sich der Orientierungssinn nach den Teenager-Jahren kontinuierlich verschlechtert. „Wir konnten feststellen, dass sich die räumliche Orientierung schon sehr früh zu verschlechtern beginnen kann, das heißt bei 19-, 20- und 21-jährigen Menschen“, erläutert Dr. Hugo Spiers, Studienleiter an der UCL.
So erreichten Spieler im Alter von 19 Jahren beim Abfeuern von Lichtsignalen zum Ausgangspunkt eine Genauigkeit von 74 %. Danach sank die Quote mit jedem Jahr bis sie nur noch bei 46 % im Alter von 75 Jahren lag.
Wichtige erste Erkenntnisse
Zu den wichtigsten Erkenntnissen dieser Studie gehört, dass die Gehirnregionen, die die räumliche Orientierung unterstützen, anfälliger für Demenz sind als die Bereiche des Gehirns, die für das Erinnerungsvermögen zuständig sind. Die Daten ergaben auch, dass Männer einen leicht besseren Orientierungssinn haben als Frauen und die nordischen Länder deutlich besser als andere Regionen in der Welt abschneiden. Noch sind die Gründe dafür nicht klar. Aber es gibt ja auch noch jede Menge Datenmaterial auszuwerten. Und es wird nun eine spezielle Patientenversion des Spiels entwickelt.
Übrigens haben US-Wissenschaftler den bislang detailliertesten Atlas der menschlichen Großhirnrinde erstellt. Damit Mediziner besser Autismus, Schizophrenie, Demenz und Epilepsie erforschen können. Genaueres finden Sie hier.
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