Technikgeschichte 02.03.2012, 12:00 Uhr

Wetter als Waffe im kalten Krieg

Im Kalten Krieg, der 1945 begann, sind Technik und Politik eine enge Symbiose eingegangen. Das zeigte die Tagung der Technikhistoriker im VDI. Auch die Globalisierung hat durch die damalige Systemkonkurrenz entscheidende Impulse bekommen.

„Technik im Kalten Krieg“ war das Thema der diesjährigen Tagung der VDI-Technikhistoriker Ende Februar in Bochum. Der Stoff ist komplex und umfassend. Der Kalte Krieg beförderte die Durchdringung und Verschmelzung von Politik und Technik. Wesentliche Impulse für Internationalisierung und Globalisierung gingen von der Systemkonkurrenz aus. Wissens- und Technologietransfer wurde von Geheimhaltung bestimmt, Rüstungsforschung hin zu Militärwissenschaft ausgeweitet. Kerntechnik war eine wichtige Schlüsseltechnologie, aber nicht die einzige. Viele Entwicklungen der Militärtechnik emigrierten auch in den Alltag.

„Die Verschmelzung von Technologie und Politik bilden den Ausgangspunkt unseres Forschungsinteresses“, so die Münchner Technikhistorikerin Karin Zachmann, die gemeinsam mit dem Bochumer Technikhistoriker Helmut Maier die Tagung konzipierte. Ein eindrucksvolles Beispiel für diese Verschmelzung stellte Claas Siano aus Bochum am Beispiel der Senkrechtstarter vor. Ende der Fünfzigerjahre meldete das Militär starken Bedarf nach Flugzeugen an, die keine Landebahn mehr brauchten – eine Reaktion auf die politisch-militärische Strategie der massiven Vergeltung, bei der damit gerechnet wurde, dass Flughäfen und Landebahnen als Erstschlagsziele schnell zerstört würden.

Kalter Krieg: Sechzigerjahre durch Strategie der flexiblen Vergeltung geprägt

Mitte der Sechzigerjahre dann setzte sich die Strategie der flexiblen Vergeltung durch, der abgestuften militärischen Reaktionen. Damit verschwand das Interesse an den Senkrechtstartern wieder. Außer dem britischen Harrier wurden auch nie solche Flugzeuge in Serie gebaut.

Gleichwohl entwickelte die deutsche Luftfahrtindustrie solche Modelle noch bis in die Siebzigerjahre, einige Prototypen flogen auch. Und das, obwohl man seit 1962 aus den USA wusste, dass Technik und Infrastruktur viel zu teuer waren. Helmut Maier vermutet, dass diese Projekte als „Deckmantel“ dienten für die Entwicklung von Technologien für Raumfahrt und Raketenantriebe.

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Charakteristisch für Technik unter der Ägide des Kalten Krieges war die Entdeckung neuer geographischer Räume und extremer Klimazonen. Polarregionen, Weltraum und Tiefsee wurden zu Laboratorien des Kalten Krieges: „Wissen um Eis, Schnee, Wind und Wetter, Ozeane und die höheren Atmosphärenschichten intensivierte sich“, so der Hamburger Historiker Christian Kehrt.

So bauten die USA in der alten Inuit-Siedlung Thule auf Grönland den größten US-Luftwaffenstützpunkt des Kalten Krieges. Es wurden auch aberwitzige Projekte geplant wie die „Operation Eiswurm“: 600 atomar bestückte Raketen unter dem Eisschild. Parallel dazu nahm die Polarforschung großen Aufschwung. Wie Christian Kehrt zeigte, waren militärische und zivile Polarforschung zwar offiziell getrennt, tatsächlich fand aber Wissens- und Technologietransfer statt.

Das Wetter als Waffe im Kalten Krieg

Auch das Wetter geriet in den Blick der Militärstrategen. Dania Achermann aus München skizzierte die Entwicklung der deutschen Atmosphärenforschung auf internationalem Gebiet und in Deutschland. In der Bundesrepublik ging es hauptsächlich um zivile Zwecke, Bekämpfung von Nebel und Hagelschlag. Allerdings war auch das Verteidigungsministerium interessiert, Nebel störte auch die militärische Luftfahrt.

In den USA dagegen nahmen die Versuche, das Wetter zu manipulieren große Dimensionen an, etwa mit der „Operation Popeye“ (1967-1972). Sie sollte in Indien für Regen sorgen, hatte aber auch ein Ziel im Vietnamkrieg. Der Ho-Chi-Minh-Pfad, über den der Vietcong Truppen und Material transportierte, sollte unpassierbar gemacht werden. Es gelang nicht. Vier Jahre lang blieb diese Operation geheim, dann wurde sie von der amerikanischen Presse aufgedeckt. 1978 verabschiedete die UNO ein internationales Verbot, Wetter zu Kriegszwecken zu manipulieren.

Nicht nur globale Konfrontation war ein Merkmal des Kalten Krieges, sondern auch Systemkonkurrenz im nationalen Maßstab, etwa im deutsch-deutschen Verhältnis. Eines der bemerkenswertesten Ergebnisse war die Werftindustrie, die von der DDR aufgebaut wurde in einem Gebiet, auf dem es zuvor keine Werfindustrie gab. So konnte die DDR ihre Marine und Seepolizei mit eigenen Schiffen ausstatten, schickte sogar zeitweise die größte Handelsflotte der Welt auf See.

Mit Leo Brandt stellte der Bochumer Historiker Lutz Budraß eine weitgehend vergessene Schlüsselfigur vor, die die Durchdringung von Politik und Technik verkörperte. Brandt war Staatssekretär in Nordrhein-Westfalen, auf ihn geht der Aufbau des Kernforschungszentrums Jülich und der Deutschen Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt zurück.

Brandt war Hochfrequenztechniker, ab 1943 Entwicklungschef bei Telefunken und galt als Widerständler. Nach dem Krieg betrieb er für die SPD Technologiepolitik. Er folgte einem Konzept aus der Kriegswirtschaft, wonach durch Forschung in Leitsektoren technologischer Fortschritt insgesamt ausgelöst werden könnte. Für Brandt waren diese Leittechniken Atomkraft, Luftfahrt, Automatisierung und elektronische Datenverarbeitung. Er ging davon aus, dass große Produktivitätsfortschritte möglich und die Idee des Sozialismus damit hinfällig sei – dieses Konzept führte auch zum Godesberger Programm der SPD von 1959.

Rund um den Kalten Krieg gibt es noch viele Forschungs- und Wissenslücken

Eine durchgehende Erkenntnis dieser spannenden Tagung war die Einsicht, wie viele große Forschungslücken es noch gibt. Geheimhaltung ist dafür ein wichtiger Grund, vor allem auch in staatlichen Archiven. Die Münchner Technikhistorikerin Stefanie van de Kerkhof arbeitet an einem großen Projekt über die Rüstungsindustrie. Sie berichtete, dass der Zugang in Unternehmensarchive zwar inzwischen einfacher geworden sei, aber nicht einfach, auch wegen der halblegalen und illegalen Praktiken in der Rüstungsindustrie: „Es gibt gute Gründe für die Unternehmen, ihre Archive geschlossen zu halten.“    

Ein Beitrag von:

  • Fritz Wolf

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