Relativitätstheorie trifft Quantenmechanik 20.03.2025, 11:59 Uhr

Dem großen Widerspruch der Schwerkraft auf der Spur

Gravitation und Quantenmechanik lassen sich bislang nicht in Einklang bringen. Aktuell suchen daher zahlreiche Forschende nach einer Verbindung zur Relatititätstheorie.

Illustration der Gravitationswellen

Die Schlüsselidee von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie besteht darin, Gravitation nicht als Kraft zu betrachten, sondern als eine Eigenschaft der Geometrie von Raum und Zeit. Der Quantenmechanik widersetzt sich diese Erklärung jedoch hartnäckig. Viele Forschende suchen eine Verbindung.

Foto: Shad.off

Die Schwerkraft bleibt eines der größten ungelösten Rätsel der modernen Physik. Während die Quantenmechanik drei der vier fundamentalen Kräfte erfolgreich beschreibt, widersetzt sich die Gravitation hartnäckig einer quantenmechanischen Erklärung.

Forschende weltweit suchen daher nach einer Theorie, die die Allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantenphysik vereint. Neue Ansätze wie „It from Qubit“, die Idee der quanteninduzierten Gravitation oder die Granularität der Raumzeit könnten den Schlüssel zu einer einheitlichen Theorie liefern. Wir haben uns verschiedene Forschungsansätze angeschaut.

Die Gravitation als ungelöstes Puzzle

Von Lasern, Elektronenmikroskopen und Atomuhren über bildgebende Verfahren in der Medizin bis hin zu modernen Halbleitern – ohne die Quantenmechanik wären viele technologische Fortschritte undenkbar. Kaum eine andere wissenschaftliche Theorie wurde in den vergangenen 100 Jahren so oft bestätigt. Drei der vier fundamentalen Kräfte der Physik basieren auf quantenmechanischen Konzepten: der Elektromagnetismus, die starke Kernkraft und die schwache Kernkraft. Doch eine Grundkraft widersetzt sich beharrlich der Quantenwelt – die Gravitation.

Stellenangebote im Bereich Forschung & Entwicklung

Forschung & Entwicklung Jobs
JACOBS DOUWE EGBERTS DE GmbH-Firmenlogo
Project Engineer (w|m|d) JACOBS DOUWE EGBERTS DE GmbH
Elmshorn Zum Job 
Johns Manville Europe GmbH-Firmenlogo
Technology Leader (m/w/d) Nonwovens Europe Johns Manville Europe GmbH
Wertheim Zum Job 
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung-Firmenlogo
Promovierte*r wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in (m/w/d) einer natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Fachrichtung Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
Berlin-Adlershof Zum Job 
Rimowa GmbH-Firmenlogo
Senior Project Manager R&D (m/f/d) Rimowa GmbH
ROTHENBERGER Werkzeuge GmbH-Firmenlogo
Entwicklungsingenieur (m/w/d) Rohrwerkzeuge und Rohrbearbeitungsmaschinen ROTHENBERGER Werkzeuge GmbH
Kelkheim Zum Job 
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung-Firmenlogo
Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in (m/w/d) der Fachrichtung Maschinenbau, Physikalische Ingenieurwissenschaft, Produktionstechnik, Werkstoffwissenschaft oder vergleichbar Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
Berlin-Steglitz Zum Job 
Schleifring GmbH-Firmenlogo
Projektingenieur (m/w/d) Key Account in der Elektronikbranche Schleifring GmbH
Fürstenfeldbruck Zum Job 
Funkwerk Systems GmbH-Firmenlogo
Leiter Entwicklungsabteilung (m/w/d) Funkwerk Systems GmbH
Kölleda Zum Job 
Graz University of Technology, Faculty of Technical Chemistry, Chemical and Process Engineering and Biotechnology, Institute of Process and Particle Engineering-Firmenlogo
Professorship for Particle Engineering and Solids Processing Graz University of Technology, Faculty of Technical Chemistry, Chemical and Process Engineering and Biotechnology, Institute of Process and Particle Engineering
Graz, Austria Zum Job 
HygroMatik GmbH-Firmenlogo
Junior Entwicklungsingenieur für Hard- und Softwarelösungen (m/w/d) HygroMatik GmbH
Henstedt-Ulzburg Zum Job 
maxon motor GmbH-Firmenlogo
Prozessingenieur (w/m/d) für Qualität in Entwicklungsprojekten | Antriebstechnik maxon motor GmbH
Sexau bei Freiburg im Breisgau Zum Job 
PARI Pharma GmbH-Firmenlogo
Entwicklungsingenieur (m/w/d) Medizintechnik PARI Pharma GmbH
Gräfelfing bei München Zum Job 
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften-Firmenlogo
HF-Ingenieur*in (m/w/d) als technische*r oder wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften
Leipzig Zum Job 
EuropTec GmbH-Firmenlogo
Mitarbeiter Prozessentwicklung (m/w/d) EuropTec GmbH
B. Braun Melsungen AG-Firmenlogo
R&D Manager (w/m/d) für die Entwicklung von medizinischen Kunststoffeinmalartikeln B. Braun Melsungen AG
Melsungen Zum Job 
RHEINMETALL AG-Firmenlogo
Verstärkung für unsere technischen Projekte im Bereich Engineering und IT (m/w/d) RHEINMETALL AG
deutschlandweit Zum Job 
August Storck KG-Firmenlogo
Leiter (m/w/d) Prozess- und Methodenmanagement August Storck KG
Ohrdruf Zum Job 
Technische Universität Berlin-Firmenlogo
Universitätsprofessur - BesGr. W3 für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik an der Fakultät V Technische Universität Berlin
Nash - Zweigniederlassung der Gardner Denver Deutschland GmbH-Firmenlogo
Teamleiter Development Engineering / Entwicklungsingenieur (m/w/d) Nash - Zweigniederlassung der Gardner Denver Deutschland GmbH
Nürnberg, Homeoffice möglich Zum Job 
ULTRA REFLEX GmbH-Firmenlogo
Entwicklungsingenieur Kunststoff (m/w/d) Entwicklung und Optimierung von Produkten und Prozessen ULTRA REFLEX GmbH
Willstätt Zum Job 

Während die Quantenmechanik mikroskopische Teilchenwechselwirkungen präzise beschreibt, versagt sie bei der Erklärung der Schwerkraft. „Trotz zahlreicher Bemühungen von Albert Einstein, Richard Feynman oder Stephen Hawking konnte die Gravitation bisher nicht in die Quantenmechanik integriert werden“, erklärt Renato Renner, Professor für Theoretische Physik an der ETH Zürich. In der makroskopischen Welt hingegen funktioniert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie perfekt – sie beschreibt, wie Massen die Raumzeit verformen und so die Bewegung von Objekten bestimmen. Unsere GPS-Technologie wäre ohne sie nicht denkbar.

Doch hier liegt das Problem: Die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik widersprechen einander. „Die Allgemeine Relativitätstheorie ist mit den Prinzipien der Quantenmechanik nicht vereinbar“, so Renner. Forschende suchen daher seit Jahrzehnten nach einer Theorie, die beide Konzepte vereint.

Raumzeit als gekrümmtes Gewebe

Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, 1915 veröffentlicht, revolutionierte das Verständnis der Gravitation. Anstatt sie als eine Kraft zu betrachten, erklärte Einstein, dass Massen die Raumzeit krümmen. Vergleichbar mit einer Kugel auf einem gespannten Trampolin verformen massive Objekte das Raumzeit-Gefüge. Andere Körper bewegen sich entlang dieser Krümmung – so erklärt sich etwa die Umlaufbahn von Planeten.

In der Quantenwelt jedoch existiert eine solche deterministische Struktur nicht. Elektronen oder Protonen bewegen sich nicht auf festgelegten Bahnen, sondern unterliegen einer Wahrscheinlichkeitsverteilung. „Ein Elektron oder ein Proton kann an mehreren Orten gleichzeitig sein. Erst eine Messung bestimmt seinen tatsächlichen Ort“, erklärt Anna Soter, Professorin für Teilchenphysik an der ETH Zürich. Dieses Prinzip der Unschärfe steht im Widerspruch zur Allgemeinen Relativitätstheorie, denn wenn ein Teilchen an mehreren Orten zugleich existieren kann, lässt sich nicht mehr eindeutig berechnen, wo es die Raumzeit verformt.

„It from Qubit“?

Mehrere Theorien versuchen, Gravitation und Quantenmechanik zusammenzubringen. Neben der Stringtheorie und der Schleifenquantengravitation gibt es den Ansatz „It from Qubit“. Dieser geht davon aus, dass die Struktur der Raumzeit nicht primär geometrisch ist, sondern aus quantenmechanischen Informationsbausteinen – den Qubits – besteht. „Im Gegensatz zu bisherigen Theorien lassen wir offen, woraus diese Qubits bestehen. Entscheidend ist vielmehr, wie sie miteinander verknüpft sind“, erklärt Renner. Die Verschränkung von Qubits könnte also das quantenmechanische Gegenstück zur Raumzeitkrümmung sein.

Obwohl es viele theoretische Ansätze gibt, fehlen experimentelle Belege für eine quantisierte Gravitation. Anna Soter arbeitet an einem Experiment mit Myonium-Atomen – exotischen Teilchen, die nur aus Leptonen bestehen. Ihr Ziel: Beobachten, ob Myonium-Atome im Gravitationsfeld tatsächlich „fallen“. „Falls sich zeigt, dass sich Myonium nicht wie erwartet verhält, wäre das ein bedeutendes Problem für unser aktuelles Verständnis der Gravitation“, erklärt sie. Ein solcher Fund könnte das physikalische Weltbild grundlegend verändern.

Weitere aktuelle Ansätze zur Erklärung der Gravitation

Wie bereits an anderer Stelle geschrieben, träumen Forschende auf der ganzen Welt davon, Relatitivätstheorie und Quantenmechanik miteinander zu vereinen. Wir haben uns drei aktuelle Forschungsarbeiten angeschaut.

Ansatz #1: Entsteht Schwerkraft aus Quantenentropie?

Eine neue Studie von Ginestra Bianconi, Professorin für angewandte Mathematik an der Queen Mary University of London, präsentiert einen innovativen Ansatz, um die Quantenmechanik und die Realitivitätstheorie miteinander zu vereinen. Die Studie, veröffentlicht in Physical Review D, schlägt vor, dass die Schwerkraft nicht als fundamentale Kraft existiert, sondern vielmehr aus der Quantenentropie entsteht.

Diese Theorie basiert auf der Idee, dass die Raumzeit nicht als fester Hintergrund existiert, sondern als dynamische Quantengröße fungiert. Entropie ist dabei ein Maß für Unordnung und Informationsgehalt in einem System. Die quantenrelative Entropie beschreibt dabei den Unterschied zwischen zwei Quantenzuständen und könnte nach Bianconis Theorie als Grundlage für die Entstehung der Gravitation dienen.

„Die Schwerkraft wird aus einer entropischen Aktion abgeleitet, die Materiefelder mit der Raumzeitgeometrie koppelt“, erklärt Bianconi. Anders gesagt: Gravitation entsteht nicht durch eine fundamentale Kraft, sondern durch die Wechselwirkung zwischen Materie und der Geometrie des Raumes. Diese Interaktion wird durch Entropie angetrieben, die darüber entscheidet, wie sich Materie im Raum verteilt.

Neue mathematische Konzepte zur Beschreibung der Raumzeit

In ihrer Arbeit behandelt Bianconi die Metrik der Raumzeit, ein zentrales Element der Relativitätstheorie, als einen Quantenoperator. Dies bedeutet, dass die Raumzeit nicht als feste Größe betrachtet wird, sondern dass sie sich ähnlich wie Quantenobjekte verändert. Durch diesen Ansatz kann die Verbindung zwischen Quantensystemen und Gravitation neu definiert werden.

Ein zentraler Bestandteil dieser Theorie ist das sogenannte G-Feld. Dieses zusätzliche Feld dient als mathematisches Werkzeug, um sicherzustellen, dass die Gleichungen der Theorie mit den Prinzipien der Quantenmechanik in Einklang stehen. Es verbindet die Metrik der Raumzeit mit den Quantenzuständen der Materie und sorgt dafür, dass die modifizierten Gravitationsgleichungen nicht zu Widersprüchen mit bekannten physikalischen Gesetzen führen.

Die daraus resultierenden modifizierten Einstein-Gleichungen stimmen im Bereich niedriger Energien mit der klassischen allgemeinen Relativitätstheorie überein. Das bedeutet, dass die Theorie unter normalen Bedingungen dieselben Ergebnisse liefert wie Einsteins Gleichungen, aber in extremen Situationen neue Vorhersagen trifft.

Auswirkungen auf die Kosmologie und Dunkle Materie

Ein besonders interessantes Ergebnis dieser Theorie betrifft die Dunkle Materie. Obwohl sie einen großen Teil der Masse des Universums ausmacht, konnte sie bisher nicht direkt nachgewiesen werden. Die neue Studie legt nahe, dass das eingeführte G-Feld als Kandidat für die Dunkle Materie dienen könnte.

Das G-Feld spielt in den modifizierten Gravitationsgleichungen eine entscheidende Rolle und könnte erklären, warum sich Galaxien schneller drehen, als es allein durch sichtbare Materie zu erwarten wäre. Falls das G-Feld wirklich mit Dunkler Materie in Verbindung steht, würde dies eine völlig neue Sicht auf die Natur der unsichtbaren Masse im Universum ermöglichen.

Hat die Quantengravitation einen entropischen Ursprung?

Bianconi kommentiert: „Diese Arbeit deutet darauf hin, dass die Quantengravitation einen entropischen Ursprung hat und dass das G-Feld eine Verbindung zur Dunklen Materie aufweisen könnte.“ Sollte sich dieser Ansatz bestätigen, würde dies unser Verständnis der Strukturen des Universums grundlegend verändern.

Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis der Theorie ist, dass sie die Existenz einer kleinen, positiven kosmologischen Konstante vorhersagt. Dies ist ein entscheidender Punkt, da genau eine solche Konstante die beschleunigte Expansion des Universums erklären könnte, die in astronomischen Beobachtungen festgestellt wurde. Im Gegensatz zu anderen Theorien, die mit sehr großen oder ungenauen Werten arbeiten, bietet Bianconis Modell eine natürliche Erklärung für dieses Phänomen.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ansatz 2: Granulare statt kontinuierliche Raumzeit?

Nicht nur in England, auch in Deutschland wird zum Thema geforscht. Dr. Wolfgang Wieland von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) forscht an einer Lösung für die theoretische Lücke zwischen Quanten- und Relativitätstheorie. Sein Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Heisenberg-Programms gefördert. Eine aktuelle Publikation in der Fachzeitschrift Classical and Quantum Gravity legt nahe, dass ein neuer Ansatz Erfolg versprechen könnte.

Warum ist eine Quantengravitationstheorie wichtig?

Im Alltag haben die Unstimmigkeiten zwischen den beiden Theorien keine direkten Konsequenzen. Die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt das Verhalten großer Massen, während die Quantentheorie auf kleinste Teilchen fokussiert ist. In bestimmten Extrembereichen wie schwarzen Löchern oder dem Urknall stoßen die bisherigen Modelle jedoch an ihre Grenzen.

Ein schwarzes Loch beispielsweise komprimiert laut Relativitätstheorie alle Materie auf einen winzigen Punkt. Um das zu verstehen, müsste man wissen, wie die Gravitation auf kleinster Skala wirkt. Hier setzt die Forschung an: Ziel ist es, ein Modell zu entwickeln, das diese Mechanismen erklärt und beide Theorien zusammenführt.

Ursache und Wirkung im schwarzen Loch

Eine Theorie der Quantengravitation würde nicht nur die Gravitation erklären, sondern auch unser Verständnis von Ursache und Wirkung herausfordern. Wieland erklärt: „Die Zeit bestimmt den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung – Ursachen liegen in der Vergangenheit, Wirkungen in der Zukunft.“ In der Quantenmechanik ist dieser Zusammenhang festgelegt. Doch laut allgemeiner Relativitätstheorie verformt Gravitation die Raumzeit. In einem schwarzen Loch könnte dieser Effekt so stark sein, dass Begriffe wie „vorher“ und „nachher“ nicht mehr eindeutig sind. Dies hätte erhebliche Konsequenzen für unser physikalisches Weltbild.

Ist die Raumzeit nicht kontinuierlich?

Ein zentraler Punkt in Wielands Ansatz ist die Frage, ob Raum und Zeit aus kleinsten Einheiten bestehen, anstatt kontinuierlich zu sein. Diese Idee lehnt sich an die Planck-Einheiten an, ein Konzept, das sich aus den Naturkonstanten der Quanten- und Gravitationsphysik ableitet.

Wenn die Raumzeit in diskrete Einheiten unterteilt ist, hätte dies weitreichende Folgen. So wäre es beispielsweise nicht möglich, eine Bewegung in beliebig kleinen Schritten auszuführen – sie würde in diskreten Sprünge unterteilt. Eine solche Struktur würde erklären, warum die Gravitation so schwer in das quantenmechanische Modell zu integrieren ist.

Eine Grenze für Leistung?

Ein weiterer zentraler Punkt in Wielands Forschung ist die sogenannte Planck-Leistung. Diese beschreibt die maximale Menge an Energie, die pro Zeiteinheit abgegeben werden kann. Nach aktueller Physik gibt es hier theoretisch keine Obergrenze. Dies führt jedoch dazu, dass mathematische Gleichungen unendlich große Werte annehmen und dadurch unlösbar werden.

Wieland zeigt in seiner aktuellen Arbeit, dass eine solche Grenze existieren könnte. Sie wäre vergleichbar mit der Lichtgeschwindigkeit, die als oberste Grenze für die Bewegung von Teilchen gilt. Diese Planck-Leistung wäre zwar extrem hoch – rund 10^53 Watt –, aber dennoch endlich. „Wenn sich meine theoretischen Überlegungen bewahrheiten, wird es möglich sein, die Leistung von Gravitationswellen ebenfalls in kleinste Quanten zu zerlegen“, erklärt Wieland.

Ansatz 3: Neutrinos als möglicher Schlüssel

Folgen wir weiter der Spur der Quantengravitation und begeben wir uns ins Mittelmeer. Dort nimmt ein internationales Forschungsteam Neutrinos unter die Lupe. Viele Forschende glauben, dass sie das Bindeglied zwischen Relativitätstheorie und Quantenmechanik sein könnten. Diese nahezu masselosen Teilchen interagieren extrem selten mit Materie, sodass sie schwer nachzuweisen sind. Ein internationales Forschungsteam untersucht daher Neutrinos mit einem riesigen Unterwasser-Observatorium tief im Mittelmeer.

Neutrinos durchdringen fast alles, ohne Spuren zu hinterlassen. In seltenen Fällen interagieren sie jedoch mit Wassermolekülen. Dabei entstehen geladene Teilchen, die ein charakteristisches bläuliches Licht abgeben, die sogenannte Čerenkov-Strahlung. Diese Lichtsignale können mit empfindlichen Detektoren registriert werden. Genau darauf setzt das Kilometer-große Unterwasser-Neutrino-Teleskop KM3NeT.

KM3NeT besteht aus zwei Detektoren, von denen einer speziell für diese Forschung genutzt wird: ORCA (Oscillation Research with Cosmics in the Abyss). Dieser befindet sich vor der Küste von Toulon in Frankreich in rund 2.450 Metern Tiefe. ORCA analysiert Neutrinos, die aus der Atmosphäre und dem Weltall stammen, und liefert wertvolle Daten über ihre Eigenschaften.

Was Neutrino-Oszillationen mit Quantengravitation zu tun haben

Neutrinos haben eine faszinierende Eigenschaft: Sie können auf ihrer Reise durch den Kosmos zwischen verschiedenen Identitäten wechseln. Dieses Phänomen wird als Flavour-Oszillation bezeichnet. Dabei bleibt normalerweise eine bestimmte Kohärenz erhalten, die sicherstellt, dass diese Oszillationen regelmäßig und vorhersagbar sind.

Hier kommt die Quantengravitation ins Spiel. Manche Theorien sagen voraus, dass die Quantengravitation diese Neutrino-Oszillationen beeinflussen könnte. Das würde sich in einer sogenannten Dekohärenz zeigen: Die Oszillationen würden unregelmäßig oder gar nicht mehr auftreten. „Es gibt mehrere Theorien der Quantengravitation, die diesen Effekt irgendwie vorhersagen, weil sie besagen, dass das Neutrino kein isoliertes System ist. Es kann mit der Umgebung interagieren“, erklärt Nadja Lessing, Physikerin am Instituto de Física Corpuscular der Universität Valencia.

Keine Anzeichen für Dekohärenz

Das Team untersuchte mit dem ORCA-Detektor, ob sich Neutrinos auf ihrem Weg durch das Universum so verhalten, wie es die Standardphysik voraussagt, oder ob Anzeichen für Dekohärenz auftreten. Die bisherigen Ergebnisse zeigen jedoch keine Abweichungen. „Das bedeutet“, erklärt Lessing, „dass wenn die Quantengravitation Neutrino-Oszillationen verändert, dies mit einer Intensität unterhalb der aktuellen Empfindlichkeitsgrenzen geschieht.“

Obwohl also kein direkter Hinweis auf Quantengravitation gefunden wurde, liefert die Studie wertvolle neue Erkenntnisse. Sie setzt strengere Grenzen für mögliche Effekte der Quantengravitation und hilft, neue Experimente zu planen. „Die Entdeckung der Neutrino-Dekohärenz wäre eine große Sache“, betont Lessing.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.