Wie die Römer ihre Aquädukte warteten und die Wasserversorgung sicherstellten
Vor einigen Monaten hatten wir darüber geschrieben, wie die alten Römer Aquädukte bauten. Nun geht es in die Fortsetzung und um die Wartung der Wasserleitungen in der Antike. Hier hat ein Forschungsteam in den vergangenen Monaten einige interessante Beobachtungen gemacht.
Über Aquädukte transportierten die alten Römer sauberes Trinkwasser in ihre Städte. Diese waren oft viele Kilometer lang und erforderten ein hohes Maß an handwerklichem Geschick, da tiefe Schluchten oder hohe Berge überwunden werden mussten. Gleichzeitig war ein konstantes, leichtes Gefälle erforderlich, damit das Wasser seinen Weg in die Stadt fand. Neben dem Bau der Aquädukte war auch deren Instandhaltung eine Herausforderung. Ein Forschungsteam der Universität Oxford und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zeigt nun in einer Studie, wie dies am Aquädukt von Divona in Frankreich über fast ein Jahrhundert hinweg geschah. Dabei machte das Team erstaunliche Entdeckungen.
Wie Kalkablagerungen eine Geschichte erzählen
Das Aquädukt von Divona zählt zu den ältesten Aquädukten in ganz Frankreich. Sein Ursprung lässt sich auf das frühe erste Jahrhundert n.Chr. datieren, als er dazu diente, die gallorömische Stadt Divona Cadurcorum, das heutige Cahors, mit Wasser zu versorgen. Die Wasserquelle im Vers-Tal wurde über eine Distanz von 31,6 Kilometern zu den örtlichen Bädern geleitet, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen.
Über weite Strecken wurde der Kanal direkt in den Fels gehauen, was nicht nur hohe handwerkliche Fähigkeiten erforderte, sondern auch eine langlebige und zuverlässige Wasserversorgung ermöglichte. An anderen Abschnitten wurde der Kanal dagegen aus Mauerwerk errichtet. Das Forschungsteam interessierte sich jedoch eher für den Wasserlauf: „Das Aquädukt ist eine beeindruckende technische Leistung. Weil er kalkhaltiges Wasser geführt hat, liefert er uns außerdem spannende Informationen über die Zeit vor fast 2.000 Jahren“, sagt Dr. Gül Sürmelihindi von der Universität Oxford, die Erstautorin der Studie.
Kalkablagerungen konnten die Wasserleitung verstopfen
Römische Aquädukte, die ihr Wasser aus Quellen oder Flüssen in Kalksteingebieten bezogen, waren oft mit sogenanntem „harten Wasser“ belastet, das gelöstes Kalziumkarbonat enthielt. Während des Transports im Kanal entwich häufig Kohlendioxid an die Wasseroberfläche, was zur Ausfällung des gelösten Karbonats führte. Dieser Niederschlag lagerte sich im Laufe der Zeit an den Wänden und am Boden des Kanals ab. Ohne regelmäßige Entfernung konnte diese Kalkschicht im Laufe der Jahrzehnte mehrere Zentimeter dick werden und die Wasserleitung verstopfen.
Im konkreten Fall des Aquädukts von Divona ist es nach Angaben des Forschungsteams derzeit nicht möglich, die genaue Entstehungszeit der Kalkablagerungen zu datieren. Dennoch geben sie wertvolle Einblicke in die Spätphase des Aquädukts, höchstwahrscheinlich aus dem 3. oder 4. Jahrhundert, wie Gül Sürmelihindi erläutert. Die Ablagerungen geben somit Hinweise auf die lange Nutzungsdauer und die technische Bewältigung der Herausforderungen der Wasserversorgung in der Antike.
Spuren regelmäßiger Wartung entdeckt
Wie im Absatz zuvor bereits geschireben, ermöglichen Kalkablagerungen entlang eines Aquädukts verschiedene Einblicke: Zunächst lässt sich daraus ablesen, wie langfristig das Wassersystem genutzt wurde. Darüber hinaus liefern die Ablagerungen aber auch Informationen über das antike Klima über Zeiträume von Jahrzehnten bis Jahrhunderte. Sie stellen somit ein wertvolles Umwelt- und Klimaarchiv dar. Wenn die Kalkablagerungen regelmäßig entfernt wurden, beeinträchtigt dies allerdings die Aussagekraft der gewonnenen Erkenntnisse. Ganz umsonst waren die Untersuchungen allerdings nicht.
Die Forschungsgruppe um Gül Sürmelihindi und Prof. Dr. Cees Passchier, Forschungsprofessor an der JGU, fanden am Aquädukt von Divona deutliche Spuren von regelmäßigen Wartungsarbeiten, bei denen Werkzeuge zur Entfernung von Kalkablagerungen eingesetzt wurden. Die Wissenschaftler stellten auch Schäden an den Kalzitkristallen fest, kleine Verformungen, die entstehen, wenn die Kristalle von einem schweren Gegenstand wie einer Hacke getroffen werden. Das Team nutzte zunächst die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen des Wassers im Aquädukt, um die jährlich abgelagerten Schichten zu bestimmen. Auf diese Weise konnten sie 88 Jahre der Aktivität des Aquädukts rekonstruieren.
Wartungsintervalle zwischen ein und fünf Jahren
Über den Zeitraum von 88 Jahren wurden regelmäßig Reinigungsarbeiten am Aquädukt durchgeführt. Die Abstände zwischen den einzelnen Wartungsarbeiten lagen zwischen einem und fünf Jahren, im Durchschnitt bei etwa 2,8 Jahren. Gül Sürmelihindi erklärt, dass jede Reinigung zügig durchgeführt wurde und höchstwahrscheinlich nicht länger als einen Monat dauerte. Besonders bemerkenswert sei, dass die Reinigungen nie im Sommer stattfanden, wenn der Wasserverbrauch der Menschen am höchsten war.
Dieses Wartungsmuster entspricht genau den Empfehlungen des römischen Senators und Schriftstellers Sextus Iulius Frontinus. In seinem Traktat über die Wartung der Aquädukte der Stadt Rom, der bisher einzigen bekannten Quelle zu diesem Thema, hebt Frontinus ähnliche Praktiken hervor. Die vorliegende Studie liefert möglicherweise die ersten archäologischen Beweise, die die theoretischen Wartungsempfehlungen des Frontinus bestätigen.
Auch Reparaturarbeiten lassen sich nachweisen
In den Ablagerungen des Aquädukts von Divona stieß das Forschungsteam auf interessante Funde. Zwei deutlich erkennbare Horizonte zeigen Reparaturarbeiten, bei denen der Kanal mit einem wasserdichten roten Mörtel, dem sogenannten opus signinum, ausgebessert wurde. Während dieser Phasen war der Wasserzufluss für längere Zeit unterbrochen. „Es ist seltsam, so lange Pausen zu sehen und sich vorzustellen, wie die Einheimischen ohne eine kontinuierliche Wasserversorgung ausgekommen sind“, sagt Gül Sürmelihindi.
Insgesamt wurden in den 88 Jahren mindestens 28 Reinigungsarbeiten und zwei Reparaturarbeiten am Aquädukt durchgeführt. Interessanterweise verlängerten sich die Wartungsintervalle und die Reinigungsarbeiten wurden in den letzten Jahren des Aquäduktbetriebs seltener durchgeführt. Dieser Trend ging der endgültigen Einstellung der Wasserversorgung voraus. Es wird vermutet, dass dieser Rückgang der Wartung auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist.
Gründe für längere Wartungsintervalle
Das Forschungsteam sieht insbesondere folgende Gründe für längere Wartungsintervalle in den letzten Jahren des Aquäduktbetriebs: So könnte ein Bevölkerungsrückgang und damit ein geringerer Wasserverbrauch dazu geführt haben, dass weniger häufig gereinigt werden musste. Es könnte aber auch zu einer Ressourcenknappheit gekommen sein, die die Instandhaltung erschwert hat. Eine weitere mögliche Erklärung ist ein Wechsel in der Leitung des Wartungsteams, der zu einer Anpassung der Reinigungsstrategie und damit zu einer Verringerung der Reinigungshäufigkeit führte.
So oder so sieht das Forschungsteam einige neue Ansätze für künftige Archäologieprojekte: „Wir sind der Meinung, dass diese Art von Untersuchungen ein neues, leistungsfähiges Instrument in der Archäologie sein können, um die lokale Wirtschaft und die politische Stabilität zu beurteilen“, sagt Sürmelihindi. „Eine regelmäßige Instandhaltung kann als Beweis für die gut strukturierte Organisation einer antiken Stadt gewertet werden, während eine weniger regelmäßige Instandhaltung oder ihr komplettes Fehlen auf sozioökonomischen Stress hindeuten könnte.“
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