Wie Heinrich Hertz die erste Radioübertragung möglich machte
Radio, Fernsehen, Mobilfunk – mit der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen legte Heinrich Hertz den Grundstein für zahlreiche Technologien, die in unserem Alltag nicht mehr wegzudenken wären.
Spätes 19. Jahrhundert in Großbritannien: Die Physik steht vor einem Rätsel. Elektrizität und Magnetismus waren zwar bekannt, wurden aber stets als zwei separate Phänomene betrachtet. Der schottische Physiker James Clerk Maxwell wollte diese beiden Bereiche jedoch vereinen und suchte nach einer Theorie, die ihre Zusammenhänge erklärt. Dabei stieß Maxwell auf etwas Überraschendes – seine Gleichungen sagten die Existenz von Wellen voraus, die sich in Lichtgeschwindigkeit durch den Raum ausbreiten können sollten.
Viele Wissenschaftler seiner Zeit zweifeln an seiner Theorie, doch der noch junge Forscher Heinrich Hertz wagt sich daran, dieses Forschungsgebiet zu beschreiten. Schließlich gelingt es ihm, Maxwells Theorien zu bestätigen. Hertz weist die Existenz elektromagnetischer Wellen nach und setzt damit einen Meilenstein für die Physik.
Das Leben des Heinrich Hertz – Akademische Laufbahn zwischen Bauingenieurswesen und Physik
Heinrich Rudolf Hertz erblickt am 22. Februar 1857 in Hamburg das Licht der Welt. Als Sohn einer wohlhabenden Familie entwickelt Heinrich bereits früh ein ausgeprägtes Interesse an Naturwissenschaften und Technik. Folgend begeistert er sich auch in der Schule für die Fächer Mathematik und Physik. Seine Begabung reicht aber über das rein Naturwissenschaftliche hinaus – Hertz eignet sich zum Beispiel auch Sprachen wie Arabisch und Sanskrit an.
Nach dem Abitur zieht es Heinrich Hertz in die Sächsische Landeshauptstadt Dresden. Dort beginnt er am Polytechnikum ein Studium des Bauingenieurwesens. Seine Leidenschaft gilt jedoch nach wie vor der Physik, sodass es ihn an die Ludwig-Maximilians-Universität zu München verschlägt, um dort verstärkt seinen Interessen nachzugehen. Schließlich folgt ein erneuter Wechsel an die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, wo Hertz unter renommierten Wissenschaftlern wie Hermann von Helmholtz und Gustav Kirchhoff studiert.
Im Jahr 1880 promoviert Hertz mit seiner Dissertation „Über die Induktion in rotierenden Kugeln“, in welcher er die elektrodynamischen Wechselwirkungen zwischen einer rotierenden leitfähigen Kugel und einem Magnetfeld untersucht. Darauf folgen noch weitere wissenschaftliche Arbeiten, bis er 1883 eine Stelle als Privatdozent an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel annimmt. Hertz lehrt dort nicht nur theoretische Physik, sondern vertieft gleichzeitig seine Studien und setzt sich mit den Theorien von James Clark Maxwell auseinander.
James Clerk Maxwells Vision und die theoretischen Grundlagen elektromagnetischer Wellen
Zwar waren die Gebiete der Elektrizität und des Magnetismus Mitte des 19. Jahrhunderts bereits eingehend erforscht, dennoch wurden sie stets als zwei voneinander unabhängige Phänomene betrachtet. In seinem Versuch, diese beiden Phänomene miteinander in Verbindung zu bringen, stößt James Clerk Maxwell auf ein Ergebnis, das er so nicht erwartet hatte. Aus seinen Gleichungen lässt sich die Existenz von Wellen ableiten, die sich durch den Raum ausbreiten. Überraschenderweise stellt sich auch heraus, dass die Geschwindigkeit dieser Wellen exakt der Lichtgeschwindigkeit entspricht. Maxwell spinnt den Gedanken weiter und schließt darauf, dass Licht möglicherweise auch eine Form elektromagnetischer Strahlung sein könne und höchstwahrscheinlich noch andere, unsichtbare Wellen existieren.
Mit dieser revolutionären Hypothese stößt Maxwell seinerzeit jedoch auf große Skepsis – viele seiner Zeitgenossen zweifeln an seiner Idee. Und ohne experimentellen Beweis gelten Maxwells Theorien als abstrakt und nur schwer nachvollziehbar. An dieser Stelle betritt Heinrich Hertz die wissenschaftliche Bühne.
Die Experimente von Heinrich Hertz
Mit dem ehrgeizigen Ziel, Maxwells Vorhersagen in konkreten Experimenten zu beweisen, entwickelt Hertz in den Jahren 1886 bis 1888 eine Apparatur, um diese unsichtbaren Wellen zu erzeugen und nachzuweisen. Die Versuchsanordnung basierte auf einer Funkenstrecke und war in der Lage, elektromagnetische Wellen zu erzeugen und über einen Resonator wieder zu empfangen – und sie auf diese Art und Weise sichtbar zu machen. Der Ablauf war simpel, offenbarte aber Aufschlüsse mit ungeahnter Tragweite:
- Die im Experiment genutzte Funkenstrecke bestand im Wesentlichen aus zwei Metallkugeln, die nahe beieinander, aber dennoch mit einem gewissen Abstand angeordnet waren. Beide Kugeln waren Teil eines elektrischen Schaltkreises, dem eine Hochspannungsquelle zugrunde lag. War die Spannung nun hoch genug, sprang ein Funke von der einen Kugel zur anderen über. Dabei erzeugte dieser Funkenstoß eine oszillierende elektrische Entladung. Und diese brachte wiederum elektromagnetische Wellen hervor.
- Jetzt ging es an den Nachweis, die erzeugten Wellen auch zu erkennen. Hertz stellte aus einem gebogenen Drahtbügel einen Resonator her, dessen Enden eine kleine Lücke bildeten – ähnlich wie die Funkenstrecke selbst, aber ohne Spannungsquelle. Sobald elektromagnetische Wellen den Resonator erreichten, erzeugten diese in der Lücke ebenfalls einen kleinen Funken. Dadurch ließ sich nun zweifelsfrei beweisen, dass die Wellen tatsächlich den Raum durchquerten und in der Lage waren, Energie zu transportieren.
- Es folgten daraufhin noch weitere Versuche in verschiedenen Positionen und Distanzen, um die Ausbreitung der Wellen besser beobachten und messen zu können. Hertz stellte dabei fest, dass der Funke im Resonator je nach Position stärker oder schwächer ausfiel – ein Hinweis auf die Wechselwirkung der elektromagnetischen Wellen mit dem Resonator.
Hertz’ Beweis für elektromagnetische Wellen
Es blieb nicht bei diesem einen Experiment, sondern Heinrich Hertz ging in seinen Experimenten noch einige Schritte weiter. Nach mehreren Versuchen stellte er fest, dass sich elektromagnetische Wellen ganz ähnlich wie Lichtwellen verhalten. Er bestätigte in seinen Versuchsanordnungen außerdem, dass diese Wellen reflektiert, gebrochen und polarisiert werden konnten – genau wie Lichtwellen auch.
Als Demonstration stellte Heinrich Hertz Metallplatten auf, die die Wellen im Versuch reflektierten. Dadurch war letztendlich bewiesen, dass elektromagnetische Wellen denselben physikalischen Gesetzen folgen wie sichtbares Licht – und es sich dabei tatsächlich um die zuvor von Maxwell beschriebenen Wellen handelte.
Neben der Nachweisbarkeit beschäftigte sich Hertz außerdem mit der Messung der Geschwindigkeit elektromagnetischer Wellen. Mit Hilfe von Interferenzmustern, welche sich beim Platzieren des Resonators in unterschiedlichen Entfernungen zur Funkenstrecke ergaben, konnte er belegen, dass sich die Wellen exakt in Lichtgeschwindigkeit ausbreiten.
Nach dem Abschluss seiner Experimente veröffentlichte Hertz seine Ergebnisse und präsentierte sie der wissenschaftlichen Fachwelt. Die Reaktionen waren überwältigend. Hertz’ Nachweis elektromagnetischer Wellen wurde als Meilenstein gefeiert, da er die Basis für die drahtlose Kommunikation bildete. Ironischerweise war sich Hertz selbst aber nicht bewusst, welche weitreichenden Konsequenzen seine Entdeckung haben würde. Für ihn stellten die Experimente eine Bestätigung der theoretischen Vorhersagen von Maxwell dar, aber er betrachtete sie vor allem als Beitrag zur Grundlagenforschung. Hertz soll sogar gesagt haben, dass die von ihm erzeugten Wellen „keinen praktischen Nutzen“ hätten.
Vom Experiment zur Radioübertragung
Bereits kurze Zeit nach Hertz‘ bahnbrechenden Experimenten griffen Wissenschaftler wie Nikola Tesla und Guglielmo Marconi diese Erkenntnisse auf und entwickelten sie weiter, um auch praktische Anwendungsgebiete für diese neu entdeckte Technologie zu finden. Während Tesla mit Hochfrequenzströmen und drahtloser Energieübertragung experimentierte, verfolgte Marconi die Entwicklung von Antennen und Modulationstechniken. Und kaum ein Bereich bot sich dafür besser an als die Morsetechnik, die zu diesem Zeitpunkt zwar bereits als etablierte Technologie galt, nach wie vor aber auf eine kabelgebundene Übertragung angewiesen war.
Marconi erkannte das enorme Potenzial, das in der drahtlosen Übertragung von Morsezeichen lag. Durch gezielte Versuchsanordnungen gelang es ihm, die Reichweite seiner Funkverbindungen sukzessive zu erhöhen. Im Jahr 1895 sendete er erstmals erfolgreich über eine Distanz von mehr als einem Kilometer, ohne dass eine physische Verbindung zwischen Sender und Empfänger bestand.
Eine weitere seiner Errungenschaften war die Gründung der Marconi’s Wireless Telegraph Company im Jahr 1897, welche sich der Weiterentwicklung und Kommerzialisierung der drahtlosen Kommunikation widmete. Marconi führte Demonstrationen durch, die die Leistungsfähigkeit seiner Technologie eindrucksvoll unter Beweis stellten. Folglich konnte er bereits zwei Jahre später eine Funkverbindung über den Ärmelkanal herstellen.
Der endgültige Durchbruch gelang Marconi im Jahr 1901 mit der ersten transatlantischen Funkübertragung. In St. John’s (Neufundland, Kanada) empfing er das Morsezeichen für den Buchstaben „S“, das von einer Station in Poldhu (South Cornwall, Vereinigtes Königreich) gesendet wurde. Dieses Ereignis erregte weltweit Aufsehen und bewies eindeutig, dass drahtlose Kommunikation über Ozeane hinweg tatsächlich möglich war.
Die Amplitudenmodulation als Schlüssel zur Sprach- und Musikübertragung
Während Marconi sich hauptsächlich auf die Optimierung der drahtlosen Übertragung von Morsezeichen konzentrierte, strebten andere Wissenschaftler danach, auch Sprache und Musik per Funk zu übertragen. Der kanadische Erfinder und Ingenieur Reginald Aubrey Fessenden erkannte zeitnah, dass die bis dahin verwendete Übertragungsmethode für Sprache und Musik völlig ungeeignet war, da sie auf gedämpften Schwingungen basierte. Dadurch wurden lediglich kurzlebige Signale erzeugt, die zwar für Morsezeichen in der Regel ausreichten, aber keine kontinuierliche Übertragung gewährleisten konnten.
Der Schlüssel lag also in der Erzeugung kontinuierlicher Wellen, auf welche ein Audiosignal aufgebracht werden konnte – die sogenannte Amplitudenmodulation (AM). Fessenden variierte in seinen Experimenten eine hochfrequente Trägerwelle so, dass sie exakt dem Muster eines Audiosignals entsprach. Das Signal wurde auf diese Weise auf die Trägerwelle aufgebracht und konnte über Funk übertragen werden. Jetzt mangelte es nur noch an einer zuverlässigen Quelle für Hochfrequenzwellen, sodass Fessenden gemeinsam mit Ingenieuren von General Electric den Alexanderson-Alternator entwickelte. Mit diesem rotierenden Hochfrequenzgenerator war es seinerzeit erstmals möglich, stabile und kontinuierliche Hochfrequenzströme zu erzeugen, welche die Signale über weitere Strecken hinweg tragen konnten. Doch bis zur Übertragung von Sprache und Musik waren noch weitere Herausforderungen zu bewältigen.
Wenn aus dem Morseapparat plötzlich Musik tönt
Fessenden experimentierte weiterhin mit verschiedenen Methoden, um Sprache möglichst klar und verzerrungsfrei zu übertragen. Ein entscheidender Faktor dabei lag in der präzisen Abstimmung zwischen Sender und Empfänger, um eine saubere Modulation der Trägerwelle zu gewährleisten.
An dieser Stelle kommen noch weitere Wissenschaftler ins Spiel: Die Arbeiten von William Du Bois Duddell und Valdemar Poulsen bildeten die Grundlage für Fessendens weitere Vorgehensweise. Duddell hatte mit seiner „Singenden Bogenlampe“ bereits demonstriert, dass elektrische Schwingungen Töne erzeugen können. Poulsen griff diesen Ansatz auf und entwickelte ihn weiter. Mit seinem Lichtbogensender gelang es ihm schlussendlich, ungedämpfte Schwingungen zu erzeugen.
Mit diesen Innovationen wagte Fessenden schließlich am Weihnachtsabend 1906 ein Experiment, das schon bald die Welt verändern sollte. Von seiner Station in Brant Rock (Massachusetts, USA) sendete er die erste Radiosendung, welche Sprache und Musik enthielt. Die Übertragung begann mit einer kurzen Ansprache, gefolgt von Phonographenmusik – Georg Friedrich Händels Largo aus der Oper „Xerxes“. Anschließend spielte Fessenden das Weihnachtslied „O Holy Night“ auf der Violine, sang dazu und las daraufhin einen Bibeltext vor. Zum Abschluss wünschte er seinen Zuhörern frohe Weihnachten und kündigte an, auch zu Neujahr wieder senden zu wollen.
Seefahrer und Funker entlang der Ostküste der USA waren zu diesem Zeitpunkt noch ausschließlich das Knattern der Morsezeichen gewohnt und staunten nicht schlecht, als plötzlich Stimme und Musik aus dem Telegrafie-Funkempfänger tönten.
Nachwirkung von Hertz’ Entdeckung
Hertz‘ Experimente bildeten die Grundlage für eine Vielzahl an Technologien, die unseren Alltag bis heute prägen und erleichtern. Ohne seinen Nachweis wären Entwicklungen wie Funk, Fernsehen oder der Mobilfunk kaum vorstellbar.
Doch diese Technologien waren nicht nur dafür verantwortlich, unsere Kommunikations- und Freizeitgewohnheiten zu revolutionieren, sondern eröffneten gleichzeitig vielfältige Forschungsfelder. Dazu zählen beispielsweise die drahtlose Energieübertragung oder die Radioteleskopie zur Erforschung des Weltalls. Hertz‘ Erkenntnisse ermöglichten es zudem, die unsichtbaren Kräfte des Elektromagnetismus nutzbar zu machen.
Neben der Wissenschaft hat Hertz‘ Arbeit auch die Unterhaltungswelt revolutioniert. Radio und Fernsehen entwickelten sich zu Massenmedien.
Moderne Streaming-Dienste nutzen häufig drahtlose Übertragung, um Musik, Filme und Spiele in den eigenen vier Wänden zugänglich zu machen. Auch Virtual Reality (VR) und Smart-Home-Anwendungen wären ohne diese Grundlagen nur schwer umsetzbar. Und last but not least bauen zahlreiche militärische Technologien wie Radar oder Verschlüsselungssysteme auf Hertz‘ Entdeckungen auf.
Heinrich Hertz als Wegbereiter moderner Kommunikationstechnologien
Heinrich Hertz‘ wissenschaftlicher Beitrag stellt einen spannenden Wendepunkt in der Geschichte der Physik und Ingenieurwissenschaften dar. Seine Experimente zur Erzeugung und zum Nachweis elektromagnetischer Wellen bewiesen erstmals praktisch, was zuvor nur theoretisch formuliert worden war. Besonders beeindruckend bleibt dabei, wie aus rein wissenschaftlicher Grundlagenforschung gleich mehrere Anwendungen hervorgingen, welche die technologische Entwicklung des 20. und 21. Jahrhunderts maßstäblich und nachhaltig prägten.
Auch heute inspirieren Hertz‘ Erkenntnisse die Forschung und Entwicklung. Technologien wie der Quantenkompass, leistungsstarke Funkmodule und noch präzisere Kommunikationssysteme basieren auf den Prinzipien, die Hertz untermauerte. Ingenieure und Wissenschaftler weltweit greifen in ihren Forschungen und Experimenten immer wieder auf diese fundamentalen Grundlagen zurück, um neue Anwendungen zu erschließen und bestehende Technologien zu optimieren.
Trotz der wissenschaftlichen Bedeutung seiner Arbeit erlebte Heinrich Hertz die volle Tragweite seiner Entdeckungen nicht mehr. Der Wissenschaftler verstarb am 1. Januar 1894 im Alter von nur 36 Jahren in Bonn. Er litt an einer schweren und seltenen Autoimmunerkrankung, die zu dieser Zeit noch nicht behandelbar war. Trotz seines vorzeitigen Todes bleibt sein Vermächtnis erhalten – und sein Name lebt nicht nur in der Einheit Hertz (Hz) weiter, sondern auch in den zahlreichen praktischen Anwendungen und Forschungsfeldern, die in der heutigen Zeit auf seinen Entdeckungen beruhen.
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