Wie eine Münchner Anlage die Algenzucht revolutionieren soll
Das neue Algentechnikum der TU-München soll die Algenforschung vorwärtsbringen: Wissenschaftler können dort klimatische Bedingungen von nahezu jedem Ort der Welt simulieren. Bislang eignet sich das pflegeleichte Gewächs für Biotreibstoffe, Straßenmaterial und sogar Skipisten.
Wie viele Algenarten es tatsächlich gibt, wissen Forscher nicht. Schätzungen schwanken zwischen 50.000 und 150.000 Arten. Ansatzweise erforscht sind davon 5000 und nur zehn Arten haben es bisher zur kommerziellen Nutzung gebracht. Dabei sind wirtschaftliche Bedeutung und Potenzial der Algen riesig und werden erst nach und nach erschlossen. Im jüngst eingeweihten Algentechnikum in Ottobrunn bei München wollen Wissenschaftler dazu einen Beitrag leisten.
Ausgefeilte Klimatechnik und spezielle LED-Beleuchtung
Das weltweit einmalige Technikum für die Algenzucht hat die Technische Universität München (TUM) in Kooperation mit der Airbus Group aufgebaut. Von dort sowie vom Bayerischen Wissenschaftsministerium kommen auch die zehn Millionen Euro, die das Algentechnikum gekostet hat. Im 1500 qm großen Gebäude sind drei Räume zur Algenkultivierung sowie Labor- und Büroräume untergebracht. In der Anlage können die Wissenschaftler lichttechnische und klimatische Bedingungen für praktisch jeden Ort auf der Welt simulieren.
Die Fassade besteht aus Spezialglas, das auch UV-Strahlung passieren lässt. In der mittleren Halle werden Anzucht- und Vorbereitungsexperimente durchgeführt, während in den beiden äußeren Hallen sowohl tropische als auch sehr trockene Klimabedingungen erzeugt werden können. Das wird durch eine ausgefeilte Klimatechnik und eine spezielle LED-Beleuchtung ermöglicht. Die hoch effizienten LEDs liefern Licht im Wellenlängenbereich zwischen 300 und 800 nm und mit einer dem Sonnenlicht sehr nahekommenden Intensitätsverteilung. Da die verschiedenen LED-Typen einzeln ansteuerbar sind, können die Wissenschaftler zusätzlich auch von der Sonne abweichende, individuelle Spektren einstellen.
Algen wachsen schnell, brauchen keine fruchtbaren Böden und sind ertragreich
„Niemand kann voraussagen, ob eine Alge aus der Südsee unter den Lichtbedingungen in Deutschland genauso produktiv ist wie in ihrer Heimat“, sagt Thomas Brück, Leiter des Fachgebietes industrielle Biokatalyse der TUM. „Genauso wenig weiß man, ob hier in Bayern erfolgreiche Kandidaten unter den Lichtbedingungen der Sahara noch genauso erfolgreich wären. All dies können wir jetzt in unserem Technikum testen.“
„Algen wachsen sehr viel schneller als Soja oder Mais. Sie brauchen keine fruchtbaren Böden, keine Pestizide und könnten pro Hektar und Jahr einen zehn Mal höheren Ertrag bringen“, sagt Brück. So können viele Algen chemische Zwischenprodukte herstellen, Proteinmasse oder Fette aufbauen. Proteinmasse könnte als Viehfutter eingesetzt werden und aus den Fetten ließen sich Treibstoffe herstellen.
Algen als Biotreibstoff, Straßenbelag oder Ersatz für Kunstschnee
Die Forschung zu Algen und ihrem wirtschaftlichen Potenzial hat in den letzten Jahren weltweit erheblich zugenommen. In Japan entsteht zurzeit ein Testzentrum, in dem Algen als Biokraftstoff für Fahrzeuge verarbeitet werden. Auch im Forschungszentrum Jülich ist ein Algen-Science-Center entstanden. Hier wird untersucht, inwieweit Mikroalgen eine Rolle bei der Produktion nachhaltiger Treibstoffe spielen können. Mikroalgen können auch als Straßenbaumaterial verwendet werden, wie französische Wissenschaftler herausgefunden haben. Sogar als Ersatz für Kunstschnee sind die leuchtend grünen Wasserpflanzen bereits im Gespräch.
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