Zeitreise durch die „Feuerländer“
Im Rahmen der Ruhr.2010 lädt das LVR-Industriemuseum Oberhausen zu einer industriegeschichtlichen Zeitreise durch neun europäische „Feuerländer“ – von der Montanindustrie geprägte „Regionen des Vulkans“ – ein: nach Belgien, in die Niederlande, nach Frankreich, Deutschland, Polen, Italien (Sardinien), Spanien und Großbritannien, ergänzt durch den transatlantischen Brückenschlag zur Stahlmetropole Pittsburgh im Südwesten von Pennsylvania.
Als Reiseerinnerungen dienen – anders als in vielen Kulturhauptstadtbeiträgen – nicht die klassischen Schwarz-Weiß-Industriefotografien, sondern rund 200 feurig-farbige Gemälde und einige Grafiken. Sie spiegeln die Arbeit im Bergbau sowie in der Eisen- und Stahlindustrie von der produzierenden bis zur stillgelegten Anlage in mehr als zwei Jahrhunderte umspannender Industriemalerei wider– aufgehängt am „roten Faden des Feuers“.
Präsentiert wird diese international bestückte Schau in Oberhausen an zwei prägnanten Schauplätzen der stadteigenen Industriegeschichte: im Peter-Behrens-Bau und in der Zinkfabrik Altenberg. Der historische Teil der Industriebilder zwischen 1780 und 1980 erhellt mit seinem Feuerschein das ehemalige, im Jahr 1926 errichtete Zentralmagazin und Verwaltungsgebäude der Gutehoffnungshütte an der Essener Straße, das sein Erbauer, der „Hausarchitekt“ der AEG, Peter Behrens, selbst als Meisterwerk bezeichnete.
Empfangen von der 2 m großen, 1935 von Fritz Koelle geschaffenen Bronzeplastik „Hochofenarbeiter“ führt der Weg durch 13 Kabinette, chronologisch geordnet und unter den jeweiligen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Blickwinkeln sowie der künstlerischen Stilrichtung visualisiert.
Aus der Wiege der industriellen Revolution stammt die frühindustrielle Landschaftsmalerei „Coalbrookdale Bridge“ (1780) von William Williams, gefolgt von grenz- und zeitüberschreitenden Industrielandschaften: romantisch verklärt in Alfred Rethels „Harkortscher Fabrik Burg Wetter“ (1834), göttlich beseelte Sozialutopie im „Berg der Träume“ (1923) von Herman Bernard Dieperink und farbenfroh die expressive Winterlandschaft der „Chemnitzer Fabriken“ (1926) von Ernst Ludwig Kirchner.
Eine völlig entfesselte Feuersbrunst, bevölkert von Titanen, gebiert die Stadt Carbonia im Süden Sardiniens, die 1938 von Mussolini gegründete Kohlenstadt. Noch im selben Jahr malte Corrado Forlin in futuristisch-dynamisch Technik verherrlichender Manier „La nascita di Carbonia“.
Es werden aber auch kritische Blicke geworfen auf eine die Landschaft dominierende Industrie, so von Colin Campbell Cooper auf „Pittsburgh, PA“ (ca. 1905) oder auf „Die Henrichshütte bei Hattingen am Abend“ (1912) von Eugen Bracht. Faszinierend in ihrer Ästhetik, doch unheimlich in ihrer Aussage erscheint die neusachliche „Fabriklandschaft“ (ca. 1926) von Heinrich Hoerle.
Die Ausstellung gewährt Einblicke in Produktionsstätten, auf Hochofenabstiche, Tiegelstahlgüsse, zum einen mit der Technik, zum anderen mit dem Arbeiter im Vordergrund. Heroisierend bei Arthur Kampf, realistisch, von der Schwere der Arbeit gezeichnet bei Constantin Meunier, sozial-anklagend bei Hans Baluschek und revolutionär-expressiv bei Conrad Felixmüller.
Hauptaugenmerk zieht das monumentale Triptychon „Arbeitsniederlegung“ (1888-1893) des Belgiers Henry Luyten auf sich, dessen Lesart durch Umstellen der beiden Außentafeln von einer Situation nach dem Aufstand in eine solche nach einem Grubenunglück verändert werden konnte – je nach Adressat, wie der Co-Kurator Burkhard Zeppenfeld verriet.
Nach dem „Feuerkult“ im Behrensbau findet der zweite Teil der Ausstellung „Brandherde“ im Kesselhaus der im Jahr 1853 von der Aktiengesellschaft für Zink-Minen und Gießereien „Vieille Montagne“ errichteten Zinkfabrik Altenberg statt. Dieses außergewöhnliche Industriedenkmal in seiner erhaltenen Gründerzeitarchitektur beherbergt das Industriemuseum Oberhausen sowie die Zentrale der insgesamt sechs Schauplätze des Industriemuseums des Landschaftsverbands Rheinland (LVR).
Die zeitgenössische Auseinandersetzung der Industriemalerei zur Schwerindustrie gewinnt eine andere Qualität, die sich von der Produktion hin zu Werksstilllegungen und zum Strukturwandel der „Regionen des Vulkan“ entfaltet. Feiert die Faszination der Farbe bei einigen Künstlern wie Brigitte Hayo-Rouché, Cynthia Cooley und Klaus Rittersbusch noch wahre Farborgien, fallen die Melancholie und Häufigkeit eines verlassenen Handschuhs als Symbol einer vergangenen Industrieepoche ins Auge.
Die Bedenken, die der Direktor des Industriemuseums Walter Hauser im wissenschaftlich gut aufgearbeiteten Begleitbuch zum „Spiel mit dem Feuer“, ausschließlich Kunst in einem Industriemuseum zu präsentieren, formuliert, können wie eine „Feuerwalze“ vom Tisch gefegt werden. Die Ausstellung „Feuerländer“ ist eine gelungene, atmosphärisch verdichtete Symbiose aus industrieträchtigem, noch vom Geruch erfülltem Ort mit hervorragenden, sinnstiftenden Objekten. Der Betrachter kann wieder einmal „Feuer und Flamme“ sein in Oberhausen! ECKART PASCHE
Ein Beitrag von: