„Schleichende Pandemie“ abseits von Corona: Roboter bekämpft gefährliche Keime
Der Hygiene-Roboter „Hero21“ macht Corona-Viren unschädlich. Dabei wurde er eigentlich wegen einer anderen Bedrohung entwickelt.
Der Testkandidat ist ein überaus hartnäckiger Geselle und deshalb perfekt geeignet. Bacillus Subtilis heißt das Bakterium und sein Gegner hat einen nicht weniger beeindruckenden Namen: Roboter „Hero21“ vernichtet den besonders widerstandsfähigen Bazillus seit Monaten im Labor in aller Regelmäßigkeit – ohne Chemie, sondern mit UV-C-Bestrahlung.
„Hero“ steht für „Health Roboter“, die Zahl 21 verweist auf unser Jahrhundert. Der Roboter, der Science-Fiction-Fans vielleicht an eine aufgepeppte Version des „Star Wars“-Androiden R2D2 erinnern mag, soll künftig in Kliniken zum Einsatz kommen und mehr oder minder selbstständig Räume und Flächen desinfizieren.
Corona und MRSA: Roboter desinfiziert zu 99,9 Prozent
Gebaut hat ihn das Dortmunder Technologieunternehmen ICA Traffic. Das Besondere: Der Hersteller hat den Roboter von Anfang an in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Allgemeine Elektro- und Plasmatechnik der Ruhr-Uni Bochum (RUB) entwickelt. „Es ist uns sehr wichtig, dass wir direkt wissenschaftliche Nachweise bringen und den aktuellen Stand der Wissenschaft bei der Auslegung des Roboters berücksichtigen können. Wir wollen ein wissenschaftlich fundiertes Produkt auf die Beine stellen“, sagt ICA-Traffic-CTO Sebastian Theiß.
Roboter mit Tastsinn: Künstliche Haut macht Robotik menschlicher
Die RUB-Forscher haben sowohl bei der Auswahl der passenden UV-C-Lampen mitgewirkt, als auch bei den Labortests am lebenden Bacillus Subtilis. „Hero21“ besteht im Grunde aus einem fahrenden Untersatz, auf dem acht UV-C-Röhren montiert sind. Mithilfe von Sensoren und einer Karte orientiert sich der Roboter im Raum und bestrahlt jede Fläche, die auf diese Weise zu 99,9 Prozent desinfiziert wird, so das Versprechen.
- Ultraviolettstrahlung, kurz UV-Strahlung, wird grundsätzlich unterschieden in UV-A, UV-B und UV-C. Die Strahlungen haben unterschiedliche Wellenlängen, die von UV-A zu UV-C abnimmt.
- UV-C-Strahlung kommt natürlicherweise auf der Erde nicht vor. Vom Sonnenlicht kommen nur die UV-A- und UV-B-Strahlen bis zu uns. Das UV-C-Licht mit einer Wellenlänge zwischen 100 und 280 Nanometern wird in der Ozonschicht absorbiert.
- Mithilfe von UV-C-Lampen wird die Strahlung künstlich erzeugt. Dass die Strahlung Bakterien und Viren abtötet beziehungsweise inaktiv werden lässt, ist schon seit Jahrzehnten bekannt. Bei der Wasseraufbereitung etwa hat sich diese Methode etabliert. Auch zur Desinfektion von Oberflächen wird UV-C-Strahlung eingesetzt. Die Strahlung schädigt die DNA beziehungsweise die RNA der Mikroorganismen, so dass sie sich nicht reproduzieren können. An Kliniken ist die Methode in Deutschland bislang eher selten ein Thema. Vor allem seit dem Beginn der Corona-Pandemie wird in Fachkreisen häufig diskutiert, inwieweit eine UV-C-Strahlung zur Desinfektion auch hier genutzt werden sollte.
- Grundsätzlich kann UV-Strahlung sehr gesundheitsschädlich sein, zu Schäden an der Haut und an den Augen führen und das Erbgut beeinträchtigen. Deshalb ist sie nur für Oberflächen geeignet und nicht für die direkte Bestrahlung von Lebewesen.
Um das Oberflächenmaterial zu schonen, das unter den UV-C-Strahlen langfristig leiden kann, bestrahlt „Hero21“ nur so lange wie nötig. Sind Menschen im Raum, erkennt der Roboter das und bricht die Bestrahlung vorübergehend ab. Fünf bis zehn Minuten braucht „Hero21“ für die Desinfektion eines 25 Quadratmeter großen Raums, auch kontaminierte Aerosole in der Luft sollen so unschädlich gemacht werden. Und mit dem Corona-Virus werde „Hero21“ spielend fertig, sagt Sebastian Theiß.
Die „schleichende Pandemie“ in Krankenhäusern
Dabei war das nicht mal das erste Ziel: „Wir haben schon letztes Jahr mit der Entwicklung begonnen. Die Bedeutung von Desinfektion ist nicht erst seit Corona gerade in Krankenhäusern ein Riesenthema.“ Sogenannte Methicillinresistente Staphylococcus aureus-Stämme, kurz MRSA oder Krankenhaus-Keime, sind ein überaus hartnäckige Problem im Klinik-Alltag. Den mutierten multiresistenten Erregern ist mit herkömmlichen Antibiotika nicht beizukommen, für Patienten können sie unter Umständen zur tödlichen Gefahr werden. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts sterben in Deutschland jedes Jahr bis zu 20.000 Menschen.
„MRSA kann man als schleichende Pandemie bezeichnen“, sagt Theiß. UV-C-Bestrahlung könne diese Pandemie deutlich eindämmen.
Ein Vorteil gegenüber chemischen Mitteln: Der regelmäßige oder falsche Gebrauch von Desinfektionsmitteln kann die Bildung resistenter Keime sogar noch fördern. Darauf deutete schon 2008 eine Studie von Forschers des Veterans Affairs Medical Center in Detroit hin. Inzwischen gilt diese Annahme unter Biologen und Medizinern als gesetzt. Bei der UV-C-Bestrahlung entfällt diese Nebenwirkung nach jetzigem Kenntnisstand.
Dass nicht nur MRSA, sondern auch viele andere Keime und Corona-Viren durch den Roboter unschädlich gemacht werden, sei zumindest ein angenehmer Nebeneffekt: „Corona ist definitiv ein Technologietreiber, auch unsere Arbeit bekommt dadurch eine viel größere Aufmerksamkeit. Als wir begonnen haben, war das fast eine Risikoinvestition, weil Hygienelösungen in der öffentlichen Wahrnehmung keine so große Rolle gespielt haben.“
Das nächste Ziel von ICA Traffic ist eine Zertifizierung für den UV-C-Roboter nach DIN 17272, die eigentlich bislang nur für chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika gilt. Zeitnah soll eine Pilotphase im Klinikalltag beginnen. Schon im Oktober soll der 60.000 Euro teure Roboter verkaufsfähig sein und dann durch weitere Patientenzimmer und Behandlungssäle rollen. Neben dem fahrenden Modell seien künftig aber auch andere Anwendungsmöglichkeiten denkbar, sagt Theiß. „Wir denken da zum Beispiel an mobile Anwendungen in Krankenwagen oder Schleusen-Lösungen in Eingangsbereichen.“
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