Biotechnik in Afrika 29.01.2019, 13:11 Uhr

Brennstoff aus Wasserhyazinthen

Die Einwohner am Victoriasee in Ostafrika leiden unter einer Plage. Der See droht trotz seiner Größe zuzuwuchern, der Sauerstoffgehalt im Wasser sinkt. Ein einheimischer Chemielehrer möchte das verhindern. Er stellt aus den wuchernden Pflanzen Ethanol her.

Ein Vogelpaar sitzt umringt von Grünpflanzen auf einem See in Kenia

Foto: panthermedia.net/suerob

Wasserhyazinthen drohen, den riesigen Victoriasee in Ostafrika zu einem stinkenden Tümpel verkommen zu lassen. Die eingewanderte Pflanze vermehrte sich die vergangenen Jahre extrem stark. Alles Leben unter Wasser droht, aufgrund des Sauerstoffabfalls zerstört zu werden, die Vogel- und Pflanzenwelt ist in Gefahr. Die an den Ufern des Sees lebenden Menschen in Kenia, Uganda sowie Tansania sind alarmiert. Denn auch die Fischer und Schiffskapitäne haben Probleme mit dem dichten Pflanzenwuchs.

Ein Schulprojekt könnte den Pflanzenwuchs stoppen

Seit kurzem ist die Sorge neuer Hoffnung gewichen. Die Pflanze ist Rohstoff für eine vorerst noch kleine Produktionsanlage für Ethanol, das in entsprechend umgerüsteten Automotoren direkt verbraucht oder Benzin beigemischt werden kann. Hierzulande ist letzteres als E10 bekannt. Es ist allerdings auch als Brennstoff zum Kochen geeignet.

Die Idee zu dieser Umnutzung hatte der kenianische Chemielehrer Richard Arwa während des Unterrichts, so erzählt er. Gemeinsam mit seinen Schülern wollte er das Problem der Verkrautung des 69.000 Quadratkilometer großen Sees angehen. Derzeit sind 30 Quadratkilometer mit einem Teppich aus Wasserhyazinthen bedeckt.

Im ersten Schritt entsteht aus den Hyazinthen Zucker

Um die Pflanzen in größerem Stil nutzen zu können, gründete Arwa in Kenia das Centre for Innovation Science and Technology. Küstenbewohner sammeln die Pflanzen ein und bringen sie zur Anlage. Hier werden sie von Mikroorganismen befreit, die die spätere biotechnische Weiterverarbeitung stören könnten. Dann werden die Wasserhyazinthen getrocknet und in kleine Stücke geschnitten, um die Oberfläche zu vergrößern. So erhalten die eingesetzten Säuren mehr Angriffspunkte. Bei einer Temperatur von nur 80 Grad Celsius setzt die so genannte Holzverzuckerung ein. Die Zellulose der Pflanzen verwandelt sich in Zucker, der abgetrennt werden muss. In einem länger dauernden Prozess fanden Arwa und seine Mitarbeiter die richtigen Säuren und die für eine optimale Produktion benötigten Mischungsverhältnisse sowie Temperaturen heraus.

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Ethanolproduktion nach jahrtausendealtem Rezept

Zucker ist schließlich das Ausgangsmaterial zur Herstellung von Ethanol, was nichts anderes als Alkohol ist. „Wir sind die erste Organisation, die herausgefunden hat, wie man Zellulose in fermentierbaren Zucker umwandelt, um Ethanol herzustellen“, sagt Arwa – was allerdings stark übertrieben ist. Dieser seit Jahrtausenden bekannte Prozess wird genauso bei der Herstellung von Wein und Trinkalkohol eingesetzt. Die Verzuckerung von Zellulose ist gemeinhin seit 1856 bekannt. Aus unserem Archiv lässt sich zudem ablesen, dass die Fachhochschule Wismar im Jahr 2001 ein entsprechendes Verfahren in Tansania testen wollte, siehe „Aus Stroh wird Sprit“.

Dennoch produziert der Prototyp in Kenia pro Tag immerhin 100 Liter Ethanol. Das ist zu noch viel wenig, um der Wasserhyazinthenplage beizukommen. Doch größere Anlagen sind bereits geplant. Sie sollen näher am See stehen als die bisherige Produktionsanlage, die 40 Kilometer vom Victoriasee entfernt gebaut wurde. Das wirft große Transportprobleme auf und kostet viel Geld. Denn die Transportkosten in Kenia sind wegen der oft unzureichenden Infrastruktur sehr hoch. Mitunter ein Grund, weshalb die teilweise Eigenversorgung mit Treib- und Brennstoffen für die Region so wichtig ist.

Ethanol ersetzt das Kerosin in den Küchen

Ursprünglich wollte Arwa aus den schwimmenden Wasserpflanzen Trinkalkohol herstellen, der zu einem höheren Preis verkauft werden kann als Treibstoff. Doch die Reinigung war zu aufwändig und die Steuern zu hoch. Nun versorgt Arwa 560 Haushalte in der kenianischen Stadt Yala mit Pflanzenethanol. Lyne Ondula aus Yala ist begeistert: „Das Ethanol aus Hyazinthen verbrennt langsamer als das übliche Kerosin. Es erzeugt beim Kochen keinen Rauch und keinen Ruß. Bei der Zubereitung von Speisen muss ich in der Küche nicht mehr husten.“ Außerdem ist Ethanol deutlich günstiger als Kerosin. Und ganz nebenbei kann sich auch das Klima freuen. Denn bei der Verbrennung wird nur so viel Kohlendioxid frei, wie die Pflanze zuvor aufgenommen hat.

Ein Teil der Baukosten für die neue Produktionsanlage in Höhe von umgerechnet 50.000 US-Dollar wird der World Wide Fund for Nature tragen. Die weitere Finanzierung ist noch nicht gesichert. Die Anlage soll pro Tag 25.000 Liter Ethanol produzieren können.

 

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Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Kempkens

    Wolfgang Kempkens studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik und schloss mit dem Diplom ab. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und einem Magazin, ehe er sich als freier Journalist etablierte. Er beschäftigt sich vor allem mit Umwelt-, Energie- und Technikthemen.

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