„Ethanol ist ein hervorragender Kraftstoff für Benzin-Direkteinspritzer“
Autofahrer boykottieren, wie Umfragen zeigen, den neuen Kraftstoff Super E10 vor allem aus zwei Gründen: Zweifel am ökologischen Nutzen und Sorge vor Defekten am eigenen Fahrzeug. Letzteres ist bei 99 % der deutschen Fabrikate und 93 % aller in Deutschland zugelassenen Pkw unbegründet. Probleme drohen lediglich an unlegierten oder unbeschichteten Aluminiumteilen, die in modernen Fahrzeugen nicht mehr verbaut werden.
„BMW-Motorräder können ohne Bedenken mit E10 betrieben werden. Ebenso wie die Modelle unserer Marken Mini, Rolls-Royce und BMW“, stellte Bernhard Ederer, ein Sprecher des Münchener Herstellers, auf Nachfrage der VDI nachrichten klar. Einzige Einschränkung seien Modelle, so Ederer, die laut Betriebsanleitung Kraftstoff mit 98 Oktan benötigen, die dürften natürlich nicht mit dem weniger klopffesten Super E10 (ZOZ 95) betrieben werden.
„Neben unseren Labor- und Fahrtests sind positive Erfahrungen in den USA einer der Gründe für unsere generelle E10-Freigabe“, berichtet Ederer. Die dort eingesetzten Motoren seien baugleich mit den in Europa verwendeten Motoren – also konstruktiv und hinsichtlich der verwendeten Materialien identisch.
Viel zitierte Probleme wie erhöhte Korrosion, spröde Kraftstoffleitungen oder kürzere Ölwechselintervalle seien nicht aufgetreten. Ederer: „Uns liegen aus den USA keine Schadensfälle vor, die auf Ethanolbeimischungen im Kraftstoff zurückzuführen sind.“ Allerdings ergebe sich aufgrund der geringeren Energiedichte von E10 in der Praxis ein Mehrverbrauch von etwa 2 %.
Der neue Kraftstoff mit 10 %igem Ethanolanteil ist künftig laut Ederer auch bei der Ermittlung des Normverbrauchs neuer Modelle im „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) vorgeschrieben.
Während BMW also die generelle Freigabe erteilt, machen Ford, Mercedes-Benz, Renault und Volkswagen vor allem bei ihren Benzin-Direkteinspritzern der ersten Generation sowie bei Oldtimern Einschränkungen.
Das hat nach Angaben von Brancheninsidern vor allem zwei Gründe. Während in den Altfahrzeugen teils noch Kunststoffleitungen den Kraftstoff führen und der Alkohol die Elastomere versprödet, liegt der Knackpunkt bei den ersten Direkteinspritzern in Bereich der Einspritzpumpen. Um die damals neue Technik trotz des hohen Preisdrucks in den Markt zu bringen, hätten die Hersteller die Hochdruckpumpen mit vergleichsweise günstigen Gehäusen aus unlegiertem Aluminium ausgestattet.
Dieses Aluminium korrodiere unter dem Einfluss von Alkohol. Da jedoch die Toleranzen zwischen Gehäuse und Kolben im Sinne eines zügigen Druckaufbaus auf mehr als 100 bar äußerst gering seien, führe diese Korrosion sehr schnell zum Versagen der Pumpen.
Inzwischen, so ist zu vernehmen, werden bei allen Herstellern grundsätzlich Legierungen eingesetzt, die selbst bei 100 % Ethanol keinerlei chemische Reaktion zeigen. E10 könne ihnen absolut nichts anhaben.
Hersteller wie Ford und Volvo bieten gerade in Schweden, das in Sachen Bioethanol Vorreiter ist und den Sprit vor allem aus Brasilien bezieht, sogenannte Flex-Fuel-Fahrzeuge an. Diese sind speziell auf den Betrieb mit sehr hohen Ethanolbeimischungen (E85 = 15 % Benzin und 85 % Ethanol) ausgelegt. Dafür müssen die Zündung und die Einspritzmenge angepasst werden, erklärte Prof. Cornel Stan. Er lehrt an der Westsächsischen Hochschule Zwickau und diversen weiteren europäischen Hochschulen Thermodynamik und Alternative Antriebe und arbeitet seit vielen Jahren mit Ethanol-betriebenen Motoren.
„Anders als Benzin enthält Ethanol neben Kohlenwasserstoffen auch Sauerstoff“, betonte Stan gegenüber den VDI nachrichten, deshalb auch die geringere Energiedichte je Liter. Weil schon Sauerstoff enthalten sei, der bei der Verbrennung reagiere, brauche es im Brennraum im Prinzip weniger Luft.
„Die Luft rauszulassen, wäre aber widersinnig“, so der Professor. Denn das käme einem freiwilligen Leistungsverzicht gleich. Stattdessen wird mehr Kraftstoff in den Brennraum gegeben. Dafür nutzen die Hersteller bei Flex-Fuel-Fahrzeugen drei Optionen: Pumpen mit mehr Druck oder Fördervolumen, erhöhte Durchflussquerschnitte der Einspritzdüsen (meist mit zusätzlicher Düse) sowie eine verlängerte Einspritzdauer, sofern die Drehzahl es erlaubt. Für die Feinabstimmung ermitteln Sensoren den jeweiligen Ethanolgehalt im Tank.
„Grundsätzlich ist Ethanol ein hervorragender Kraftstoff für Ottomotoren mit Direkteinspritzung“, betonte Stan. Der Mehrverbrauch sei vor dem Hintergrund, dass er in Brasilien heute für 22 ct/l produziert werde, wenig dramatisch.
„Es geht bei E10 nicht um einen besseren Kraftstoff, sondern um die Sicherung der Mobilität, wenn Erdöl knapper und teurer wird und der Preis durch erhöhte CO2-Abgaben zusätzlich in die Höhe geht“, stellt Stan klar.
Im Vergleich zu Wasserstoff oder Batterien von Elektrofahrzeugen könne sich der Energiegehalt mehr als sehen lassen. „Gegenüber von 43,5 MJ/kg bei Benzin sind es bei Ethanol 26 MJ/kg. Bei Wasserstoff sind es zwar 120 MJ/kg – aber bei welchem Volumen? Selbst wenn er bei 253 °C flüssig wird, liegt sein Energiegehalt je Liter um zwei Drittel unter dem Wert von Benzin und kaum halb so hoch wie bei Ethanol“, rechnete Stan vor.
Probleme sieht er allenfalls bei niedrigen Außentemperaturen. Diesen Hintergrund habe auch die 15 %ige Benzinbeimischung bei E85. Denn die sogenannte Verdampfungsenthalpie, also jene Energie die notwendig ist, um den flüssigen Kraftstoff zu verdampfen, ist bei Ethanol circa dreimal höher als bei Benzin.
Der Alkohol absorbiert beim Verdampfen Wärme aus der Umgebung – jeder Patient kennt den Effekt auf der Haut, wenn Wundumgebungen mit Isopropanol gereinigt werden. Im Motor kann er im Extremfall zur Vereisung der Düsen führen.
„Gerade im Kaltlauf kann es bei Motoren mit Saugrohr zur unvollständigen Verdampfung des Ethanols kommen“, erklärte Stan – wohlgemerkt nicht bei E10, sondern bei hohen Ethanolkonzentrationen im Benzin. Folge: Eine unvollständige Verbrennung der Alkoholtropfen, die sich dann in Motoröl und Auspuff finden.
„Bei Direkteinspritzern tritt dieses Problem nicht auf, weil der Kraftstoff unter viel höherem Druck fein zerstäubt wird und auf komprimierte und dadurch erwärmte Luft trifft“, erläuterte der Hochschulprofessor. Insofern sei es eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet die für den Ethanolbetrieb besonders gut geeigneten Direkteinspritzer die Liste derjenigen Fahrzeuge anführen, die nicht für Super E10 freigegeben sind. PETER TRECHOW
Ein Beitrag von: