Treibstoff der Zukunft 24.04.2019, 08:35 Uhr

Öko-Diesel nur aus Wasser und CO2

Kohlendioxid und Wasser aus dem Hahn – mehr ist nicht nötig, um einen beinahe klimaneutralen Treibstoff für Autos oder Flugzeuge zu erzeugen. Nötig sind nur Wasser und emissionsfrei hergestellter Strom. In Deutschland und Norwegen entstehen Großprojekte.

Wasser, CO2 und Ökostrom sind die Grundlagen für Audi e-diesel.

Wasser, CO2 und Ökostrom sind die Grundlagen für Audi e-diesel.

Foto: Audi

Zusammen mit dem Dresdner Energietechnikunternehmen Sunfire hat Audi vor ein paar Jahren ein Verfahren entwickelt, in dem synthetischer Diesel auf CO2-Basis entsteht. Die Technik sei eine wichtige Ergänzung zum E-Auto, die vor allem auf der Langstrecke eine „nahezu klimaneutrale Mobilität“ ermögliche.

Das Kohlendioxid dafür wurde anfangs aus einer Biogasanlage bezogen. Mittlerweile setzt Sunfire ein Verfahren des Schweizer Unternehmens Climeworks ein, bei dem das Gas direkt aus der Umgebungsluft gewonnen wird. Darüber hinaus ist nur noch Wasser als Rohstoff nötig.

Wirkungsgrad mit 70 % sehr hoch

Erster Schritt der Ökodiesel-Produktion ist die Erhitzung des Wassers auf mehr als 800 Grad. Der so erzeugte Dampf wird per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. In zwei weiteren Arbeitsschritten reagiert der Wasserstoff in Synthesereaktoren bei hohem Druck und hoher Temperatur – dazu wird die Abwärme der Hochtemperatur-Elektrolyse genutzt – mit dem CO2. So entsteht eine aus langkettigen Kohlenwasserstoffverbindungen bestehende Flüssigkeit, das so genannte Blue Crude. Die Flüssigkeit lasse sich ähnlich wie Rohöl in einem Raffinerieprozess veredeln, so dass ein echter Dieselkraftstoff entstehe.

Forschungsministerin Johanna Wanka befüllt bei einem PR-Termin ihren Dienstwagen mit den ersten fünf Liter Audi e-diesel. Neben ihr steht Reiner Mangold, der bei Audi die nachhaltige Produktentwicklung leitet.

Forschungsministerin Johanna Wanka befüllt bei einem PR-Termin ihren Dienstwagen mit den ersten 5 Liter Audi e-diesel. Neben ihr steht Reiner Mangold, der bei Audi die nachhaltige Produktentwicklung leitet.

Quelle: Audi

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Technischer Aufwand und Energieeinsatz erscheinen bei dem Verfahren sehr hoch. Audi sagt aus, dass der Wirkungsgrad des gesamten Prozesses bei etwa 70 % liege. Mehr als zwei Drittel der Primärenergie werden also tatsächlich am Ende bei der Verbrennung im Motor ausgenutzt. Außerdem habe der synthetische Kraftstoff weitere Umweltvorteile: Er sei frei von Schwefel und Aromaten. Der Autobauer rechnet damit, dass der Ökodiesel in jedem Fall als Beimischung zu fossilem Treibstoff, voraussichtlich aber auch als alleiniger Kraftstoff verwendbar ist.

Uni-Studie bestätigt Umweltvorteile

Um Praxistests auf breiter Basis durchführen zu können, soll die Versuchsanlage mehr als 3.000 Liter des neuen Treibstoffs herstellen. Dass der Ökodiesel tatsächlich ein Gewinn für die Umwelt sein kann, bestätigt eine Studie am Lehrstuhl für Bauphysik der Universität Stuttgart. Dort wurde eine Ökobilanz erstellt, die Aleksandar Lozanovski so zusammenfasst: „Die ersten Ergebnisse zeigen, dass ,Blue Crude‘ prinzipiell ein deutliches CO2-Einsparpotenzial gegenüber fossilen Kraftstoffen aufweist. Dieses Potenzial kann jedoch nur ausgeschöpft werden, wenn bei der Herstellung erneuerbare Energien zum Einsatz kommen.“

Mittlerweile haben die Forscher die Bilanzierung verfeinert. In jedem Fall reduziere die Nutzung von Blue Crude die Emissionen um 15 %. Beim hundertprozentigen Einsatz von Ökostrom seien es sogar 65 %.

Skeptikern halten Forscher der Prognos AG und des Deutschen Biomasse Forschungszentrums (DBFZ) die Notwendigkeit entgegen, weiterhin Flüssigtreibstoffe zu verbrauchen, weil der Umstieg auf emissionsfrei fahrende Elektroautos nicht so schnell und vor allem nicht kostengünstig zu machen sei. Die Autoren erwarten, dass die Produktion von umweltverträglichem Treibstoff spätestens ab 2030 schnell hochgefahren wird.

Die Voraussetzung dafür haben Sunfire und das Karlsruher Unternehmen Ineratec geschaffen, das aus dem Karlsruher Institut für Technologie hervorgegangen ist. Die Dresdner haben für ihren Partner eine so genannte Co-Elektrolyseanlage gebaut, in der in einem einzigen Schritt aus Wasser und Kohlendioxid Synthesegas hergestellt wird. Sie hat eine Leistung von 10 Kilowatt, geht also über das Versuchsstadium weit hinaus. Mit einer optimierten Anlage, die auf dem Fischer-Tropsch-Verfahren beruht, stellt Ineratec aus dem Synthesegas Treibstoffe her.

In Norwegen baut Sunfire eine Synthesegasanlage mit einer Eingangsleistung von 150 Kilowatt. Daraus entstehen im Industriepark Heroya jährlich 8000 Tonnen Blue Crude. Die gesamte Anlage wird einen Leistungsbedarf von 20 Megawatt haben. Den Strom liefern die Wasserkraftwerke des Landes.

Auch in Deutschland tut sich was. Die Stromnetzbetreiber Tennet und Amprion bauen in Niedersachsen zwei Großanlagen zur Herstellung von Wasserstoff und synthetischem Sprit. Das Tennet-Projekt haben wir hier beschrieben.

Herstellungsprozess Audi e-diesel.

Herstellungsprozess Audi e-diesel.

Quelle: Audi

Die Stuttgarter Forscher sagen voraus, dass Blue Crude nicht nur den Fernverkehr von Autos, sondern auch den Flugverkehr umweltfreundlicher machen könnte. Und das nicht nur wegen der geringeren Emission von Treibhausgasen, sondern auch, weil Ressourcen geschont würden. Außerdem sei der synthetische Kraftstoff überall produzierbar und damit eben auch theoretisch an jedem Ort der Welt direkt verfügbar.

Weitere synthetische Kraftstoffe in der Entwicklung

Audi seinerseits setzt schon seit einigen Jahren auf die Entwicklung klimaneutraler Kraftstoffe als Alternative zum E-Antrieb. So gibt es bereits eine Anlage in Niedersachsen, in der synthetisches Methan für eine spezielle Version des A3 hergestellt wird. In den USA kooperiert der Autobauer zudem mit dem Unternehmen Joule zusammen, das Kraftstoff mithilfe von Mikroorganismen erzeugen will.

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Kempkens

    Wolfgang Kempkens studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik und schloss mit dem Diplom ab. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und einem Magazin, ehe er sich als freier Journalist etablierte. Er beschäftigt sich vor allem mit Umwelt-, Energie- und Technikthemen.

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