Havarie im Suezkanal 29.03.2021, 16:55 Uhr

Containerschiff Ever Given ist wieder frei – Vollmond hat geholfen

Seit Dienstag steckt das gigantische Containerschiff „Ever Given“ im Suezkanal fest. Das hat fatale Auswirkungen auf den Welthandel. Jetzt konnte das Schiff erstmals bewegt werden.

Containerschiff

Das Containerschiff Ever Given steckt im Suezkanal fest. (Symbolfoto)

Foto: PantherMedia / Klanneke

Update zum Containerschiff Ever Given:

Bergungskräfte konnten das Containerschiff Ever Given bewegen. Eine Woche lang hatte das 400 Meter lange Schiff den Suezkanal blockiert. Am frühen Montagmorgen um 4.30 Uhr (Ortszeit) sei der Ozeangigant in schwimmenden Zustand gebracht worden und werde nun gesichert, teilte der Dienstleister Inchcape Shipping mit. Admiral Usama Rabi, Vorsitzender der Kanalbehörde, bestätigte den Erfolg via Facebook. Das Schiffsradar Vesselfinder zeigte die Ever Given derweil mit dem Status „unterwegs“ an.

Der Kurs des riesigen Containerschiffs, dessen Länge etwa der Größe des Empire State Building in New York entspricht, sei um 80 Prozent geändert worden. Das Heck sei 100 Meter vom Ufer entfernt worden. Der Kanaldienstanbieter Leth Agencies schrieb bei Twitter, das Schiff sei „teilweise bewegt worden“. Allerding lag der Bug immer noch auf Grund. Inzwischen schwimmt das Schiff aber wieder selbstständig.

Geholfen haben neben schwerem Gerät und Schlepperbooten Vollmond und Flut: Bereits am Wochenende hatten die Bergungskrägte die Hoffnung, dass eine Springflut den Wasserspiegel anheben könnte.

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Containerschiff Ever Given: 450 Schiffe stehen im Suezkanal im Stau

Laut Kanalbehörde hatten zehn Schlepper aus vier Richtungen seit dem Morgengrauen erneut versucht, das gewaltige Containerschiff in Bewegung zu setzen. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte zuvor bereits angeordnet, die teilweise Entladung von Containern vorzubereiten, falls die Versuche zur Freilegung weiter erfolglos bleiben sollten.

Vor Ort war auch ein Spezialisten-Team des niederländischen Unternehmens Boskalis beziehungsweise von dessen Tochter SMIT Salvage. Die SMIT-Leute gelten als Elite-Truppe bei Schiffsbergungen und waren unter anderem auch an der Bergung des havarierten Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia beteiligt.

Damit das 224.000 Tonnen schwere Containerschiff wieder schwimmen konnte, mussten die Bergungskräfte etwa 30.000 Kubikmeter Sand ausbaggern, um das Schiff zu befreien. Insgesamt wurden elf Hafenschlepper und zwei mächtige Seeschlepper (Alp Guard und Carlo Magna) eingesetzt. Die Ever Given wird nun zu einer Position außerhalb des Suezkanals zur weiteren Überprüfung geschleppt.

Boskalis-CEO Peter Berdowski sagte: „Ich bin sehr stolz auf die hervorragende Arbeit des Teams vor Ort sowie auf die vielen Kollegen von SMIT Salvage und Boskalis, die diese herausfordernde Operation unter dem wachsamen Auge der Welt abgeschlossen haben. Der Zeitdruck, diese Operation abzuschließen, war offensichtlich und beispiellos. Das Ergebnis ist eine echte Demonstration unserer einzigartigen Fähigkeiten als Bagger- und Seedienstleister. “

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Wann die Ever Given ihre Fahrt nach Rotterdam fortsetzen kann, ist noch unklar. Laut Admiral Rabi soll das Containerschiff am Großen Bittersee am nördlichen Ende des Suezkanals untersucht werden. Zudem sollen Ermittlungen die Ursache für den Unfall klären.

Zuletzt warteten offiziellen Behördenangaben etwa 370 Schiffe auf beiden Seiten des Kanals auf Durchfahrt, darunter auch 25 Öltanker. Anderen Berichten zufolge sollen sogar 450 Schiffe im Stau stehen. Mehrere Reedereien hatten schon damit begonnen, ihre Schiffe über das Kap der Guten Hoffnung in Afrika zu schicken.

Hier finden Sie alle Infos zur Ever Given und zu den Ereignissen der vergangenen Tage zum Nachlesen: 

Man mag an Gullivers Reisen denken: Wie ein gestürzter Riese liegt das Containerschiff Ever Given im Suezkanal und blockiert seit Tagen die überaus wichtige Schifffahrtsstraße. Erste Bergungsversuche blieben erfolglos -Bilder der Aktion sorgten allenfalls für Erheiterung in den sozialen Medien. Zu sehen ist, wie ein im Vergleich zum gigantischen Containerschiff winziger Bagger versucht, die havarierte Ever Given anzuschieben.

Die Schiffscrew hatte das 400 Meter und 60 Meter breite Ungetüm hoffnungslos in die völlige Bewegungslosigkeit manövriert. Grund waren nach bisherigen Erkenntnissen wohl schlechte Sichtverhältnisse vor der ägyptischen Küste nach einem Sandsturm. Schließlich war das Schiff auf Grund gelaufen und steckt nun fest.

Containerschiff Ever Given gehört zu den größten Frachtschiffen der Welt

Die Ever Given gehört zur Evergreen-20.000-TEU-Klasse und gehört zu den größten Containerschiffen der Welt. Seit 2018 werden die Schiffe nach und nach in Dienst gestellt. Unter der Flagge Panamas verbinden die Containerschiffe der Taiwanesischen Reederei Evergreen Marine die Gebiete China-Shanghai-Colombo über den Suezkanal mit dem Mittelmeer und dem europäischen Norden. Die „Ever Given war aus China gekommen und auf dem Weg nach Rotterdam in den Niederlanden. Bis sich die „Ever Given“ wieder in Bewegung setzen kann, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen. Acht Schlepper versuchten zuletzt, den Frachter wieder flott zu bekommen. Zur Dauer der Arbeiten machte die Suezkanal-Behörde bislang keine Angaben.

Die Ever Given zählt zu den größten Containerschiffen der Welt und fährt unter der Flagge von Panama. Das Frachtschiff wurde 2018 gebaut und gehört zum Evergreen-20.000-TEU-Typ. Dieser Schiffstyp liegt auf Platz 7 der größten Containerschiffe der Welt.

  • Länge / Breite: 400 / 59 m
  • Aktueller Tiefgang: 15.7 m
  • Geschwindigkeit: 21 Knoten (38,9 km/h)
  • Maschinenleistung: 59.250kW

Für den weltweiten Handel ist die Blockade verheerend. Der Kanal zwischen den ägyptischen Hafenstädten Port Said und Port Taufiq erspart seit seiner Eröffnung im Jahr 1869 Schiffen, die zwischen Nordatlantik und Indischem Ozean unterwegs sind, den langen Weg um den afrikanischen Kontinent herum. Jährlich passieren knapp 20.000 Schiffe den Suezkanal, Millionen Tonnen Handelsgüter und Rohstoffe werden durch die Seestraße zwischen den Kontinenten hin- und hertransportiert. Zehn % des Welthandels laufen über den Kanal. Jetzt herrscht Stillstand. Nach Angaben des Versicherungskonzerns Allianz stehen bereits mehr als 100 Schiffe im Stau, anderen Berichten zufolge waren es zwischenzeitlich an die 200.

Lieferketten geraten unter Druck

Klagen gibt es aktuell bei der deutschen Chemie- und Pharmabranche. „In der Chemieindustrie und bei ihren industriellen Kunden sind momentan die Lieferketten aus Asien unterbrochen“, sagte Henrik Meincke, Chefvolkswirt des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), am Freitag in Frankfurt. Dadurch komme es zu Engpässen bei wichtigen Vorprodukten. „Auch die Chemienachfrage in Europa wird negativ beeinflusst. Sollte es am Wochenende nicht gelingen den Suezkanal wieder frei zu bekommen, wird sich die Lage deutlich verschlechtern“, sagte Meincke.

Rund 16 % der Chemieimporte kommen laut dem Verband per Schiff durch die Wasserstraße und 18 Prozent der deutschen Exporte werden durch den Suezkanal nach Asien gebracht. Die Störung komme zu einem schlechten Zeitpunkt, da die Kapazitätsauslastung der Branche aktuell hoch sei. Entsprechend stark sei der Bedarf an Lieferungen aus Asien. Wegen der Corona-Pandemie seien Lieferketten ohnehin unter Druck.

Das japanische Unternehmen Shoei Kisen, dem die Ever Given gehört, hat unterdessen um Entschuldigung für die Blockade des Schiffsverkehrs gebeten. „Es tut uns sehr leid, dass wir den Schiffen, die im Suezkanal fahren oder planen, dort zu fahren, enorme Sorgen bereiten“, hieß es aus dem Unternehmen. Es sei „extrem schwierig“, die Position des Frachters zu ändern und den Kanal freizuräumen.

Schlepperboote versuchen das Containerschiff Ever Given zu bewegen

In der Tat: Die Schlepperbootbesatzungen stehen vor erheblichen Herausforderungen. Das liegt zum einen an der enormen Größe des Frachters, zum anderen an ungünstigen Wetterbedingungen: Wind erschwert die Arbeiten. Inzwischen ist es Schlepperbooten beinahe gelungen, den Frachter zu bewegen. Satellitenaufnahmen zeigen, wie die Schlepperboote versuchen, den gigantischen Frachter zu ziehen.

Doch die GPS-Daten des Schiffes zeigen: Die ungeheuren Anstrengungen führten nur zu minimalen Positionsveränderungen. Einige der wartenden Schiffe sollen erst wieder fahren dürfen, sobald die „Ever Given“ in eine gänzlich andere Position gebracht wird, teilte das Seefahrts- und Logistikunternehmen GAC unter Berufung auf die ägyptische Suezkanal-Behörde am Mittwoch mit.

Schiffen drohen teure und langwierige Umwege

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hofft auf ein möglichst schnelles Ende der Blockade. „Je länger die Sperrung andauert und je länger die Ungewissheit andauert, desto drastischer werden die Auswirkungen dieser Sperrung sein“, sagte Verbandssprecher Christian Denso. Das Hauptproblem sei, dass niemand wisse, ob sich der Umweg um das Kap der Guten Hoffnung lohne. Schiffen drohen teure und langwierige Umwege, warnte die Allianz.

 

Unterdessen sind Mitarbeiter des niederländischen Unternehmens Boskalis vor Ort. Dessen Tochterfirma SMIT Salvage ist auf komplizierte Schiffsunglücke spezialisiert. Die Leute von SMIT gelten in Fachkreisen gewissermaßen als Elite-Truppe. Nur sehr wenige Konzerne weltweit sind der Lage, eine Bergung derartig großer Schiffe durchzuführen. Auch an der Bergung des havarierten Kreuzfahrtschiffs „Costa Concordia“ 2012 waren SMIT-Spezialisten beteiligt.


Der Suezkanal

  • Der Suezkanal ist ein Schifffahrtskanal in Ägypten, der zwischen den Hafenstädten Port Said und Port Taufiq bei Sues liegt. Zudem bildet der Kanal die Grenze zwischen Afrika und Asien und ist Teil der maritimen Seidenstraße.
  • Der Suezkanal wurde am 17. November 1869 eröffnet und verbindet das Mittelmeer über die Landenge von Sues mit dem Roten Meer. Die Seeschifffahrt zwischen dem Nordatlantik und Indischem Ozean – sprich um Afrika – wird so umgangen.
  • Bei der Eröffnung betrug die Länge 164 Kilometer. 2009 wurde eine Vertiefung fertiggestellt, so dass der Kanal heute 193,3 Kilometer lang ist – einschließlich der nördlichen und südlichen Zufahrtskanäle. 2015 passierten fast 17.500 Schiffe den Kanal. 2019 waren es 18.800 Frachtschiffe. Der ägyptische Staatsbetrieb nimmt im Durchschnitt 300.000 US-Dollar pro Durchfahrt ein.
  • Im Gegensatz zum Panamakanal ist der Suezkanal schleusenlos. Daher braucht er auch nicht ständig Wassernachschub. Alle Staaten dürfen den Kanal mit ihren Schiffen befahren. Die Überwindung des Suezkanals dauert 14 Stunden. Täglich fahren circa 50 Schiffe durch den Kanal.
  • Die ägyptische Regierung will die Ever Given in den nächsten drei Tagen freigeschleppt haben. Ob das klappt, ist aktuell noch nicht absehbar.

Bei der Bergung havarierter Ozeanriesen kommen unter anderem sogenannte Halbtaucherschiffe zum Einsatz, die über Ballasttanks geflutet werden und teilweise abtauchen, sowie Rammschiffe und schwere Schwimmkräne. Doch auch mit schwerem Gerät werden sich die Arbeiten eine Weile hinziehen: Manche Experten rechnen gar mit Wochen. Laut Boskalis-Chef Peter Berdowski könne man noch nicht abschätzen, wie viel Zeit die Arbeiten im Suezkanal in Anspruch nehmen werden. Im niederländischen Fernsehen sagte aber auch er: „Wir können nicht ausschließen, dass es Wochen dauern könnte“. Das Containerschiff sei „wie ein gigantischer gestrandeter Wal.“

Der Bundesverband der Deutschen Industrie warnt unterdessen vor steigenden Kosten für Unternehmen, die auf Seetransporte angewiesen sind. Lieferketten gerieten unter anderem wegen der unpünktlichen Schiffe ins Stocken, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Die Lage im internationalen Container-Seeverkehr sei ohnehin angespannt, die Blockade verschärfe sie nun noch einmal. (mit dpa)

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Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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