Tahiti will schwimmende Stadt auf dem Meer bauen
Leben Menschen künftig auch in schwimmenden Städten auf hoher See? Es gibt einige Architekten, die solche Siedlungen schon gezeichnet haben. Doch nun will Französisch-Polynesien den Bau einer schwimmenden Stadt ernsthaft prüfen. Eine erste Testsiedlung könnte in drei Jahren in See stechen.
Die Stadt auf See sieht aus, wie eine richtige Stadt: Es gibt Hotels und Restaurants, Wohnungen und Büros. Ärzte, Bäcker und eine Apotheke. Es gibt alles, was es in einer Stadt geben muss – getragen von gewaltigen Pontons. Mit nur einer Grenze: Wasser.
Es ist fast zehn Jahre her, als Patri Friedman, Enkel des Wirtschafts-Nobelpreisträgers Milton Friedman, mit dieser Idee hausieren ging. Nun aber steht das Projekt offenbar kurz vor der Umsetzung. Jedenfalls haben Friedman und das Seasteading Institute in Kalifornien, das seit 2008 an den Voraussetzungen solch einer Siedlung im Meer forscht, mit Französisch-Polynesien einen Partner gefunden, der die Realisierbarkeit ernsthaft prüft.
Die Inselgruppe mitten im Pazifik, auf halbem Weg zwischen Australien und Südamerika, gehört zwar zu Frankreich, verwaltet sich aber weitgehend selbst. Und sie hat entschieden, dass die schwimmende Stadt eine Lösung im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels sein könnte. Viele bebaute Flächen in der Region, nicht nur auf der bekanntesten Insel Tahiti, sind durch den steigenden Meeresspiegel akut bedroht.
Starker Investor an Bord
Für Patri Friedman, ehemaliger Software-Entwickler bei Google, ist die Stadt auf See aber mehr als ein Öko-Projekt. Schwimmende Kolonien in internationalen Gewässern sollen Freiheit von staatlichen Grenzen ermöglichen, Unabhängigkeit von den üblichen Machtmechanismen und „den Politikern“.
Was von Anfang an etwas spinnert klang, wird recht ernst genommen, weil mit dem PayPal-Mitgründer Peter Thiel ein Investor mit großer Brieftasche und gleichermaßen großem Herzen für gesellschaftliche Utopien das Projekt unterstützt. Friedman und Thiel haben sich deshalb mit Architekten, Visionären und Bauunternehmen im Seasteading Institute zusammengeschlossen. Ingenieurtechnisch ist das Projekt eine echte Herausforderung, schließlich müssen die schwimmenden Städte mit ihren mehrstöckigen Gebäuden auch schwere Stürme schadlos überstehen.
Außerdem soll das Baumaterial natürlich möglichst lange halten. Die Seasteading-Welt soll deshalb aus Geopolymer-Beton entstehen. Dieses Zweikomponentensystem aus einem umweltverträglichen Bindemittel und gemahlenem natürlichen Gestein gilt als weitaus umweltfreundlicher als normaler Beton und heute als Baustoff der Zukunft. Bis zur massenhaften Anwendbarkeit wird es aber wohl noch dauern, so dass auch die Nutzung in Friedmans Projekt noch fraglich erscheint.
Schließlich wollen die Seasteading-Macher nun schon in drei Jahren die erste kleine Siedlung fertig haben. Die ist erstmal für vielleicht ein Dutzend Menschen gedacht, während die schwimmenden Städte der Zukunft bis zu eintausend Bewohner aufnehmen sollen.
Großes Thema Energieversorgung
Nicht nur beim Baumaterial sind noch Fragen zu klären. Auch die Energieversorgung ist noch ein Forschungsthema. Klar ist, dass Sonnen- und Windenergie genutzt werden sollen. Da das aber wohl nicht reicht, untersuchen die Macher auch die mögliche Nutzung von Wellenenergie. Die Option Strömungsenergie wurde schon wieder verworfen, weil die Strömung in den denkbaren Locations einfach nicht stark genug ist, um entsprechende Turbinen ausreichend anzutreiben.
Eine weitere offene Frage ist die nach dem Schutz vor extremen Bedingungen. Diverse Modelle von Wellenbrechern, die das schwimmende Dorf umgeben könnten, wurden schon untersucht. Vorerst sind Friedman und seine Kollegen von dem Plan abgerückt, ihre Stadt auf hoher See anzusiedeln.
Die landnahe Umsetzung in Französisch-Polynesien hat den Vorteil, dass es wenig Seegang gibt und die künstliche Insel leicht zu erreichen ist. Damit ist allerdings die Idee von der staatenlosen Inselkommune, die dem Zugriff „der Politiker“ entzogen ist, erstmal gestorben. Aber es bleibt eine Stadt auf See – mit grandiosem Blick auf Tahiti.
Den Blick auf Rio sollen dagegen die Bewohner der künstlichen Inseln genießen, die der belgische Stararchitekt Vincent Callebaut aus Plastikmüll und Algen bauen will. Auf den Inseln sollen bis zu 20.000 Menschen leben können. Der Wohnraum reicht bis zu 1000 m tief ins Meer. Wie das funktionieren soll, lesen Sie hier.
Und natürlich ist auch China vorne dabei, wenn es um künstliche Inseln und neue Städte im Meer geht. Im Südchinesischen Meer soll eine künstliche Insel zum Hotspot für den Tourismus werden. Geplant sind Hotels, Yacht-Häfen, ein Wassersport-Paradies und ein Steg für Kreuzfahrtschiffe. Entworfen hat die Insel das New Yorker Architekturbüro Diller Scofidio + Rentro.
Wenn Sie lieber alleine auf einer schwimmenden Luxusinsel leben wollen, hätten wir noch Kokomo anzubieten. So heißt die künstliche Insel, die das in Graz ansässige Unternehmen Migaloo gerne als Einzelanfertigung baut. Dabei ist Kokomo im Prinzip ein Schiff, das aussieht wie eine bebaute Insel.
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