3M mit neuer Nachhaltigkeitsphilosophie
Für 3M ist Nachhaltigkeit kein Fremdwort. Das weltweit tätige Unternehmen stellt rund 50 000 unterschiedliche Produkte her – von Post-it-Haftnotizen für Büro und Hausgebrauch bis hin zu Spezialartikeln wie Stethoskope. Nun hat sich der Konzern neue „dauerhafte Ziele“ gesetzt. Umsetzen soll sie Keith Miller, bei 3M verantwortlich für die Umweltinitiativen und Nachhaltigkeitsstrategien.
Keith Miller: Wir haben unsere Mitarbeiter aktiv eingebunden. Wir haben gefragt: Was ist für Euch wichtig? Die Geschäftsführung hat lediglich am Anfang die grobe Richtung vorgegeben und am Ende die neuen Ziele dann festgeschrieben.
Ist 3M mit seinem „nachhaltigen Engagement“ eine Ausnahme in den USA?
Ich glaube schon. Es gibt heute in Amerika noch mehr innovative Firmen, die auch Nachhaltigkeit ernst nehmen. Doch als ich 1999 aus Europa zurück in die Unternehmenszentrale nach St. Paul ging, war Nachhaltigkeit in den USA ein Fremdwort.
Wann hat sich das geändert?
Das änderte sich schrittweise. 2006 war ein wichtiges Jahr. Die Supermarktkette Wal-Mart entschied, immer mehr nachhaltige Produkte anzubieten. Plötzlich mussten deren Zulieferer reagieren. Und Wal-Mart ist auch für uns ein wichtiger Kunde: Sie vertreiben von uns Büro- und Haushaltsprodukte wie Klebebänder, Haftnotizen und Haushaltsschwämme.
War Wal-Marts neue Geschäftspolitik eine Herausforderung für 3M?
Nicht wirklich – wir waren gut vorbereitet. Zudem habe ich Wal-Mart bei der Entwicklung seiner Nachhaltigkeitsprojektteams unterstützt …
… wieso war 3M gut vorbereitet?
Wir wissen bereits seit 1975, dass sich Umweltschutz wirtschaftlich lohnt. Damals hat 3M das „3P-Programm“ eingeführt – die Ps stehen für Pollution, Prevention, Pays.
Warum gerade damals?
Das war nach dem Ölembargo. Kosten für Öl und Rohstoffe stiegen. Gleichzeitig entwickelten Regierungen in der ganzen Welt Umweltauflagen. Umweltschutz war auch für 3M damals ein neues Thema. Unser damaliger Vize-Präsident Joseph Ling war jedoch entschlossen, sich dem Thema dauerhaft zu widmen. Das hat sich gelohnt: Wir konnten sofort Ausgaben für Rohmaterialien und Emissionskontrolle senken sowie Abfallgebühren sparen.
Dieses Engagement blieb keine Eintagsfliege?
Nein – es wurde Teil der Firmenphilosophie. Und besonders wichtig: 3M hat in vielen Projekten auch den nötigen langen Atem …
… nennen Sie ein Beispiel?
Etwa bei organischen Lösemitteln. Man braucht sie klassischerweise, um Klebstoffe herzustellen und anzuwenden. Emissionen dieser Lösemittel lassen sich aber nur mit teurer Technik auffangen. Wir konnten Verfahren entwickeln, die mit Wasser auskommen, sowie auch lösemittelfreie Klebstoffe. Das klingt einfach, verlangt aber Forschung – und Zeit.
Besonders stolz sind Sie auf die „Hot-Melt“-Kleber …
Ja! Diese Schmelzklebstoffe haben viele Vorteile: Sie werden beim Erwärmen flüssig und verkleben vor allem poröse oder faserige Werkstoffe sehr gut. Zudem sind sie fast lösemittelfrei.
Ist denn Nachhaltigkeit für eine US-Firma in den USA ein Wettbewerbsvorteil?
Ja. Weil wir unsere Herstellungsverfahren immer verbessern, werden wir effizienter und stellen unsere Produkte preisgünstiger her. Und in der aktuellen Rezession sehen wir, dass viele US-Firmen erst jetzt beginnen, ihre Verfahren zu optimieren – das, was wir seit vielen Jahren systematisch tun.
3M ist ein globaler Konzern. Wie gehen Sie damit um, wenn in einer Region neue gesetzliche Vorgaben eingeführt werden – etwa in der EU mit der Chemikalienverordnung Reach?
Reach setzt neue Maßstäbe im Umgang mit Chemikalien – auch bei uns. Denn wir können uns keine unterschiedlichen Standards leisten – etwa einen für Europa und einen für den asiatischen Markt.
Wir haben uns daher früh auf Reach eingestellt und die neuen Anforderungen in unserem bereits etablierten Lifecycle-Management-Prozess für neue und bestehende Produkte aufgenommen. Unser Ziel ist es, negative Auswirkungen für unsere Kunden zu vermeiden und Reach als Wettbewerbsvorteil zu nutzen.
Bedeutet das, dass 3M-Fabriken weltweit überall die gleichen hohen Standards einhalten?
Zwar müssen alle 3M-Betriebe dieselben internen Standards erfüllen, aber es gibt Ausnahmen wie beim Einsatz neuer Technologien etwa in China. Wir produzieren dort jetzt Klebebänder nicht nach der allerneuesten Technik. Denn wir befürchten, dass unser Know-how in China nicht geschützt wird.
Zur Nachhaltigkeit gehört auch die soziale Gerechtigkeit. Sehen Sie 3M als typische „Hire-and-fire-Company“?
Nein. Ich arbeite seit 32 Jahren für 3M und bin keine Ausnahme. Wir haben eine sehr hohe Verbleibquote. Ich glaube, für ein nachhaltiges Unternehmen ist es wichtig, gute Leute zu halten und ihnen die Chance zu geben, sich fortzubilden und erfolgreich zu sein. Dafür steht 3M.
Zwischendurch eine private Frage: Wie viel Urlaub gewährt Ihnen 3M?
Ich habe fünf Wochen Urlaub – habe also fast europäisches Niveau erreicht. Anfangs waren es zwei Wochen – alle fünf Jahre kam eine Woche hinzu. Ich persönlich denke, dass auch junge Menschen mehr Urlaub brauchen – um die Welt kennenzulernen oder für die Familie.
Zur dritten Säule – der wirtschaftlichen Sicherheit …
Wir sind ein Unternehmen und müssen wachsen – nicht auf Teufel komm“ raus, sondern organisch. Wir suchen immer nach neuen Möglichkeiten, Menschen Nutzen zu bieten oder die Umwelt zu schützen. Und ich finde, Profit aus solch einem Wachstum ist nachhaltig. RALPH AHRENS
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