Abwasser umweltfreundlich aufbereiten – mit einem Trick
Ingenieurinnen und Ingenieure aus Litauen haben eine innovative Methode zur Reinigung von kontaminiertem Wasser entwickelt. Sie arbeiten mit einem Hydrogel-Granulat aus Polyvinylalkohol, das als biologischer Träger für Mikroorganismen dient.
Sauberes Trinkwasser gehört weltweit zu den wichtigsten Ressourcen. Laut den Vereinten Nationen haben 2,8 Milliarden Menschen keine Möglichkeit, sich damit zu versorgen, vor allem in Schwellen- und in Entwicklungsländern. Ihre Gesundheit ist immens gefährdet.
Herausforderungen gibt es auch in Europa. Krankenhäuser und manche Branchen wie der Kleinbergbau und Autowerkstätten leiten oft Chemikalien beziehungsweise medizinische Abwässer direkt – oder nur schwach vorbehandelt – in die Kanalisation. Schadstoffe, welche in die Umwelt gelangen, stellen nicht nur für die menschliche Gesundheit, sondern auch für das gesamte Ökosystem eine erhebliche Gefahr dar. Dazu ein paar Zahlen: Aus dem Bericht der Europäischen Kommission geht hervor, dass 95% des Abwassers in der EU gesammelt und 88% biologisch behandelt werden. Mehr als 6% werden jedoch nicht gut genug aufbereitet, um die Standards für die biologische Zweitbehandlung zu erfüllen.
Laut Judita Švaikauskaitė, einer Forscherin vom Kaunas University of Technology (KTU), Litauen, stelle die zunehmende Zahl von Mikroverunreinigungen in Abwässern und Oberflächengewässern Kläranlagen in aller Welt vor Herausforderungen. Doch Švaikauskaitė und ihre Kolleginnen beziehungsweise Kollegen haben eine Lösung gefunden. Hydrogel-Granulate aus Polyvinylalkohol (PVA) fungieren als biologischer Träger für Mikroorganismenkulturen, die Schadstoffe im Abwasser abbauen. Den Forschenden zufolge funktioniere die Behandlung im Vergleich zu herkömmlichen Methoden bis zu fünfmal schneller – bei bestmöglicher Schonung der Umwelt. Zu PVA selbst liegen umfangreiche biologische und toxikologische Daten vor.
Phosphatdünger aus Klärschlamm
Mit einem makroporösen Material Abwasser biologisch behandeln
Das innovative Material hat besondere Eigenschaften. Polyvinylalkohol ist biokompatibel. Das daraus hergestellte Granulat mit einem Durchmesser von drei bis vier Millimetern weist Makroporen von bis zu 20 Mikrometern Durchmessern auf. Die Geometrie erweist sich den Experimenten zufolge als ideal, um Mikroorganismen zu immobilisieren.
„In den Poren des Granulats können Kulturen von Mikroorganismen leben, welche die Schadstoffe im Abwasser abbauen“, berichtet Švaikauskaitė. „Das Porennetz des PVA-Hydrogelgranulats sorgt für eine konstante Versorgung der Bakterien im Inneren des Granulats mit Sauerstoff und Nährstoffen und schafft so ein äußerst langlebiges und effizientes biologisches Abwasserreinigungssystem.“ Laut Studie ließ sich durch den Einsatz von PVA-Hydrogelgranulaten in biologischen Abwasserreinigungstechnologie die Effizienz der Schadstoffentfernung verfünffachen. Außerdem erwies sich das PVA-Hydrogelgranulat als mechanisch stabil und daher für den langfristigen Einsatz als geeignet.
Die Bakterien spielen in diesem Prozess eine wichtige Rolle. Sie nutzen Ammoniak, Phosphat, organische Verbindungen und andere chemische Substanzen als Nährstoff- und Energiequellen. Ein breites Spektrum von Bakterien kann in einem Gelgranulat immobilisiert werden. PVA-Hydrogel-Granulate weisen eine hohe Aufnahmekapazität für organische Mikroverunreinigungen und Arzneimittel auf.
„PVA-Hydrogel-Granulate erhöhen nicht nur die Effizienz des biologischen Abwasserreinigungssystems, sondern haben auch hervorragende Sorptionseigenschaften bei der Entfernung von Rückständen pharmazeutischer Substanzen und anderer Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser“, sagt Švaikauskaitė. Sie sieht im neuen Verfahren perspektivisch eine Ergänzung zu etablierten Methoden wie der Ozonierung und anderen Oxidationsverfahren, biologische Behandlungen und Membranfiltrationen. Für ihre Entwicklung wurde die Forscherin mit dem ersten Preis auf der jährlich stattfindenden KTU-Innovationsmesse Technorama ausgezeichnet.
Biogas und Abwärme: Die Potenziale von Kläranlagen ganz ausschöpfen
Mit Polyurethan-Schäumen Stickstoff aus Abwasser entfernen
Den Einsatz verschiedener Kunststoffe zur Abwasserreinigung untersuchen weltweit etliche Arbeitsgruppen. Viel Neues gibt es aus Brasilien zu berichten: Ingenieurinnen und Ingenieuren der Fundação de Amparo à Pesquisa do Estado de São Paulo stellen einen neuen, kostengünstigen Biofilm-Reaktor vor. Sie arbeiten mit Polyurethanschaum als Trägermaterial. Der Biofilm selbst besteht aus speziellen Bakterien, die Stickstoffverbindungen in umweltverträglichen Stickstoff umwandelten. Gleichzeitig wird eine sogenannte Gegendiffusion ermöglicht, bei der Sauerstoff auf der gegenüberliegenden Seite der Verunreinigungen eingeführt wird. Ziel ist, den Abbau zu optimieren.
Bekannte Defizite sollen eliminiert werden: In Brasilien werden Stickstoffverbindungen momentan aus Kostengründen nicht vollständig aus Abwässern entfernt und direkt in die Natur geleitet. Der von den Forscherinnen und Forschern entwickelte neue Reaktortyp soll der Abwasserbehandlung eine zweite, einfachere und preisgünstigere Stufe für die Entwicklung mit zukünftigen Technologien und Partnerschaften hinzufügen. Gespräche mit Kooperationspartnern laufen.
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